Armenhaus ohne politische, wirtschaftliche oder mediale vertretung: Die ehemalige DDR ist auf allen statistischen Karten bis heute deutlich zu erkennen. |
Ein Viertel der Deutschen hat einen familiären Hintergrund, der eine Herkunft im Osten Deutschlands, ja, zuweilen sogar noch viel weiter östlich belegt. Im öffentlichen Leben aber spiegelt sich das nicht wider, nicht im Parlament, nicht in den Unternehmen, nicht in den Medien. Das muss endlich anders werden.
Man hat eigentlich keine Lust mehr, diese Nachrichten zu lesen. Es geht schon wieder um Migration, wie ja irgendwie immer in den vergangenen Jahren und Monaten, in denen sich ganz Deutschland die Köpfe heiß redete über die Rechtspopulisten von der AfD, die widerspenstigen, undankbaren Ostdeutschen, die Flüchtlinge, den Asylstreit, Mesut Özil. Und diesmal schließt sich eine Forderung an, die seit Jahren in der Luft liegt: Warum gibt es eigentlich keine Ossi-Quote? Schließlich werden die Kinder und Kindeskinder von Menschen, die einen Teil ihres Lebens in der DDR verbrachten oder von Menschen abstammen, die dieses Schicksal erlitten ausweislich aktuelle Zahlen noch mehr unterdrückt und an den Rand gedrängt als Zuwanderer aus der Türkei, Tunesien oder Italien.
Frauen haben schließlich auch ihre Quote und Behinderte haben sie ebenso, für die Kinder und Enkel und Urenkel der ersten Gastarbeiter wird sie von namhaften Blättern gefordert. Warum denn dann eigentlich nicht auch eine Quote für die Ostdeutschen, die sich nach dem Ende der DDR still und duldsame ins größere und siegreiche westliche Gemeinwesen einfügten? Deren Hoffnungen aber, eines Tages auch einmal ein Wörtchen mitreden zu dürfen, bis heute nicht erfüllt worden sind?
Dass Ostdeutsche formell Deutsche sind wie alle anderen auch, darüber muss man nicht mehr diskutieren. Mehr als 25 Millionen von ihnen gibt es, sie oder mindestens einer ihrer Elternteile wurden nicht auf dem Gebiet der ehemals alten Bundesrepublik geboren, sondern irgendwo anders, wo ihnen diese Staatsangehörigkeit vorenthalten wurde. Viele dieser Deutschen stammen aus der ehemaligen DDR, andere lebten in Russland, Kasachstan, der Ukraine oder Rumänien.
Heute sind sie alle zweifellos Deutsche. Doch ihr "dazugehören" ist nicht "teilhaben". Ostdeutsche besetzen bundesweit jämmerliche zwei Prozent der Führungspositionen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Bundeskabinett gibt es zwei traurige Ostdeutsche, eine von ihnen wurde im Westen geboren. Im Präsidium des Bundestags ist nur eines von sieben Mitgliedern ostdeutscher Herkunft. In der Fußball-Nationalmannschaft findet sich auch nur ein einsamer Ostdeutscher. Fernsehshows im Staatsfernsehen werden häufiger von Österreichern moderiert als von Ostdeutschen. Die Nachrichten sprechen eher Menschen mit türkischen oder libanesischen Namen als welche Leute, die Kevin, Sandy oder Jacqueline heißen und aus Sachsen oder Mecklenburg stammen.
Der traurige Befund lautet da, dass Deutsche aus dem Osten eben nicht in gleicher Weise am hiesigen Leben teilhaben können wie ihre Mitbürger. Sie haben schlechtere Chancen, das Abitur zu machen. Schlechtere Chancen, einen guten Job zu bekommen. Sie haben sogar schlechtere Chancen, eine Wohnung zu finden. Das liegt nicht daran, dass sie weniger talentiert oder sympathisch wären - sondern schlicht daran, dass sie mit Stereotypen kämpfen müssen: Spricht der Kölner Kölsch oder der Schwabe Schwäbisch, gilt das unverständlich, aber schick. Sächselt der Sachse, ist er raus. Keiner von uns! Pegida!
Wo man auch hinsieht, Menschen ostdeutscher Herkunft sind in Deutschland unterrepräsentiert. Ihr Anteil im Bundestag: 14,6 Prozent bei 17,6 Prozent allein der noch in Ostdeutschland lebenden Bevölkerung. Ihr Redeanteil im Bundestag: Noch niedriger. Ihr Anteil an den überregionalen Medien: Null Prozent. Mitarbeiter von „Zeit“, „SZ“, „Spiegel“, „Focus“ oder „FAZ“ sind so häufig ostdeutsch wie Bundestagsabgeordnete im Nebenberuf Weltklasseleichtathleten.
Und ihre Vertretung in der politischen Verwaltung des Landes? „Es gibt derzeit keine ostdeutsche Abteilungsleiterin und keinen ostdeutschen Abteilungsleiter in der Bundestagsverwaltung“, schreibt die Berliner Zeitung. Immerhin: Vier der insgesamt 101 Referats-, Fachbereichs- und Sekretariatsleiterinnen und -leiter haben einen ostdeutschen Hintergrund.“
Problematisch ist das nicht nur, weil Studien ergeben haben, dass Diversität die Produktivität in Unternehmen und Organisationen erhöht. Sondern es entsteht auch ein Teufelskreis, der von der Macht der Symbolik beherrscht wird. Es gibt sie zwar, die wenigen Ossis, die es in Wirtschaft, Politik und Sport nach oben geschafft haben - Menschen wie die Hamburgerin Angela Merkel, die ARD-Nachrichtensprecherin Susanne Daubner. Solange solche Karrieren von Ostdeutschen oder deren Kindern aber als absolute Ausnahme gelten, wird den übrigen Ossis etwas Dramatisches vorgelebt. Nämlich, dass sie es in aller Regel eben nicht nach oben schaffen können.
Die Vorschläge, wie sich das ändern ließe, liegen auf dem Tisch. Die Politik kann sicherlich nicht alles regulieren. Die Abgeordneten im Bundestag aber könnten mit gutem Beispiel vorangehen und im Parlament eine Ossi-Quote einführen. Unternehmen und Medien könnten über Selbstverpflichtungen ebenfalls den Anteil an Menschen aus ehemals ostdeutschen Familien in Führungspositionen erhöhen. Und Vermieter könnten sich vornehmen, einen Teil ihrer Wohnungen bewusst an Menschen zu vergeben, die es derzeit wegen des bloßen Klanges ihres Vornamens und ihrer früheren Meldeadresse in Dunkeldeutschland auf dem Mietmarkt so schwer haben.
All das wäre letztlich ein Dienst an der Demokratie. Diese hat sich als beste Staatsform erwiesen, weil sie in der Lage ist, die Interessen der in ihr lebenden Menschen auszugleichen. Damit ihr das weiter gelingt, muss sie aber auch alle in ihr lebenden Menschen einbeziehen, selbst wenn es sich dabei um Ostdeutsche handelt, die mehrheitlich kaum bereit scheinen, sich zu integrieren oder gar zu assimilieren. Die Demokratie, gewachsen in der alten Bundesrepublik, ist stark genug, einige Vertreter dieser Bevölkerungsgruppe als deren Vertreter in hohen und höchsten Ämtern zu akzeptieren. Es wäre ein Zeichen an die Skeptiker, Zweifer und ja, auch an die Hetzer, dass sie dazugehören und Teil des großen Ganzen sind.
Man hat eigentlich keine Lust mehr, diese Nachrichten zu lesen. Es geht schon wieder um Migration, wie ja irgendwie immer in den vergangenen Jahren und Monaten, in denen sich ganz Deutschland die Köpfe heiß redete über die Rechtspopulisten von der AfD, die widerspenstigen, undankbaren Ostdeutschen, die Flüchtlinge, den Asylstreit, Mesut Özil. Und diesmal schließt sich eine Forderung an, die seit Jahren in der Luft liegt: Warum gibt es eigentlich keine Ossi-Quote? Schließlich werden die Kinder und Kindeskinder von Menschen, die einen Teil ihres Lebens in der DDR verbrachten oder von Menschen abstammen, die dieses Schicksal erlitten ausweislich aktuelle Zahlen noch mehr unterdrückt und an den Rand gedrängt als Zuwanderer aus der Türkei, Tunesien oder Italien.
Warum eigentlich nicht die Ex-FDJler
Frauen haben schließlich auch ihre Quote und Behinderte haben sie ebenso, für die Kinder und Enkel und Urenkel der ersten Gastarbeiter wird sie von namhaften Blättern gefordert. Warum denn dann eigentlich nicht auch eine Quote für die Ostdeutschen, die sich nach dem Ende der DDR still und duldsame ins größere und siegreiche westliche Gemeinwesen einfügten? Deren Hoffnungen aber, eines Tages auch einmal ein Wörtchen mitreden zu dürfen, bis heute nicht erfüllt worden sind?
Dass Ostdeutsche formell Deutsche sind wie alle anderen auch, darüber muss man nicht mehr diskutieren. Mehr als 25 Millionen von ihnen gibt es, sie oder mindestens einer ihrer Elternteile wurden nicht auf dem Gebiet der ehemals alten Bundesrepublik geboren, sondern irgendwo anders, wo ihnen diese Staatsangehörigkeit vorenthalten wurde. Viele dieser Deutschen stammen aus der ehemaligen DDR, andere lebten in Russland, Kasachstan, der Ukraine oder Rumänien.
Dazugehören ist nicht teilhaben
Heute sind sie alle zweifellos Deutsche. Doch ihr "dazugehören" ist nicht "teilhaben". Ostdeutsche besetzen bundesweit jämmerliche zwei Prozent der Führungspositionen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Bundeskabinett gibt es zwei traurige Ostdeutsche, eine von ihnen wurde im Westen geboren. Im Präsidium des Bundestags ist nur eines von sieben Mitgliedern ostdeutscher Herkunft. In der Fußball-Nationalmannschaft findet sich auch nur ein einsamer Ostdeutscher. Fernsehshows im Staatsfernsehen werden häufiger von Österreichern moderiert als von Ostdeutschen. Die Nachrichten sprechen eher Menschen mit türkischen oder libanesischen Namen als welche Leute, die Kevin, Sandy oder Jacqueline heißen und aus Sachsen oder Mecklenburg stammen.
Der traurige Befund lautet da, dass Deutsche aus dem Osten eben nicht in gleicher Weise am hiesigen Leben teilhaben können wie ihre Mitbürger. Sie haben schlechtere Chancen, das Abitur zu machen. Schlechtere Chancen, einen guten Job zu bekommen. Sie haben sogar schlechtere Chancen, eine Wohnung zu finden. Das liegt nicht daran, dass sie weniger talentiert oder sympathisch wären - sondern schlicht daran, dass sie mit Stereotypen kämpfen müssen: Spricht der Kölner Kölsch oder der Schwabe Schwäbisch, gilt das unverständlich, aber schick. Sächselt der Sachse, ist er raus. Keiner von uns! Pegida!
Wo man auch hinsieht, Menschen ostdeutscher Herkunft sind in Deutschland unterrepräsentiert. Ihr Anteil im Bundestag: 14,6 Prozent bei 17,6 Prozent allein der noch in Ostdeutschland lebenden Bevölkerung. Ihr Redeanteil im Bundestag: Noch niedriger. Ihr Anteil an den überregionalen Medien: Null Prozent. Mitarbeiter von „Zeit“, „SZ“, „Spiegel“, „Focus“ oder „FAZ“ sind so häufig ostdeutsch wie Bundestagsabgeordnete im Nebenberuf Weltklasseleichtathleten.
So häufig ostdeutsch wie Leichtathleten im Bundestag
Und ihre Vertretung in der politischen Verwaltung des Landes? „Es gibt derzeit keine ostdeutsche Abteilungsleiterin und keinen ostdeutschen Abteilungsleiter in der Bundestagsverwaltung“, schreibt die Berliner Zeitung. Immerhin: Vier der insgesamt 101 Referats-, Fachbereichs- und Sekretariatsleiterinnen und -leiter haben einen ostdeutschen Hintergrund.“
Problematisch ist das nicht nur, weil Studien ergeben haben, dass Diversität die Produktivität in Unternehmen und Organisationen erhöht. Sondern es entsteht auch ein Teufelskreis, der von der Macht der Symbolik beherrscht wird. Es gibt sie zwar, die wenigen Ossis, die es in Wirtschaft, Politik und Sport nach oben geschafft haben - Menschen wie die Hamburgerin Angela Merkel, die ARD-Nachrichtensprecherin Susanne Daubner. Solange solche Karrieren von Ostdeutschen oder deren Kindern aber als absolute Ausnahme gelten, wird den übrigen Ossis etwas Dramatisches vorgelebt. Nämlich, dass sie es in aller Regel eben nicht nach oben schaffen können.
Die Vorschläge, wie sich das ändern ließe, liegen auf dem Tisch. Die Politik kann sicherlich nicht alles regulieren. Die Abgeordneten im Bundestag aber könnten mit gutem Beispiel vorangehen und im Parlament eine Ossi-Quote einführen. Unternehmen und Medien könnten über Selbstverpflichtungen ebenfalls den Anteil an Menschen aus ehemals ostdeutschen Familien in Führungspositionen erhöhen. Und Vermieter könnten sich vornehmen, einen Teil ihrer Wohnungen bewusst an Menschen zu vergeben, die es derzeit wegen des bloßen Klanges ihres Vornamens und ihrer früheren Meldeadresse in Dunkeldeutschland auf dem Mietmarkt so schwer haben.
All das wäre letztlich ein Dienst an der Demokratie. Diese hat sich als beste Staatsform erwiesen, weil sie in der Lage ist, die Interessen der in ihr lebenden Menschen auszugleichen. Damit ihr das weiter gelingt, muss sie aber auch alle in ihr lebenden Menschen einbeziehen, selbst wenn es sich dabei um Ostdeutsche handelt, die mehrheitlich kaum bereit scheinen, sich zu integrieren oder gar zu assimilieren. Die Demokratie, gewachsen in der alten Bundesrepublik, ist stark genug, einige Vertreter dieser Bevölkerungsgruppe als deren Vertreter in hohen und höchsten Ämtern zu akzeptieren. Es wäre ein Zeichen an die Skeptiker, Zweifer und ja, auch an die Hetzer, dass sie dazugehören und Teil des großen Ganzen sind.
Warum werden bei den Quotendiskussionen immer nur Gruppen von Menschen angesprochen? Die oft klagend vorgebrachte soziale Gerechtigkeit ist aber erst dann erreicht, wenn jedes Individuum eine eigene Quote bekommt. Nur so kann der ersehnte Zustand paradiesischer Gleichheit erreicht werden, in dem niemand mehr sich zurückgesetzt fühlen müßte.
AntwortenLöschen>> Selbsthilfegruppe 6. August 2018 at 17:32
AntwortenLöschen„Es gibt Verbrechen gegen und Verbrechen für die Menschlichkeit. Die Verbrechen gegen die Menschlichkeit werden von Deutschen begangen. Die Verbrechen für die Menschlichkeit werden an Deutschen begangen.“
Carl Schmitt (kein Fan von ihm, aber das Zitat trifft´s) <<
Das mag sein. Das mag sein. (Rod Steiger als Napoleon in "Waterloo" 1970. Als Antwort auf: Es ist die beste Kavallerie Europas. Aber die am schlechtesten geführte ...)
https://www.feuerwerksvitrine.de/shop/depyfag-wir-sind-wieder-da.html
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