Aufmarsch von Rechtsextremen, Zusammenstöße mit Gegendemonstrationen, Jagd auf Migranten, eine rechte Szene, stark wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr. Mittendrin Reporter, die die Ausschreitungen entmenschter Massen von rund 800 Nazis, darunter viele Rechtsextreme, gerade so überlebten. Sachsen unregierbar, der Heimatminister bietet Hilfe an, Truppen könnten kommen, Sonderkommandos zumindest den zerstörten Altstadtkern von Chemnitz befreien. Aber lohnt das überhaupt noch? Oder lieber Bombe drauf?
Was schlimm klang, Menschenjagd, Hetzjagd, Zusammenrottung, Bengalos, Schreie, Brüllerei, Hass in den Herzen und Hooligans, die Trauer instrumentalisieren, um ihr übles nationalistisches Süppchen zu kochen, stellt sich im Nachhinein als noch viel schlimmer heraus. Deutschland unter Schock, von "Pogromen" geht die Rede, alle historischen Maßstäbe sind verlorengegangen, binnen Stunden.
Und warum? 800 Hooligans, darunter, so die SZ, "viele Rechtsextreme". 50 an der Zahl, wie die "Zeit" von Hamburg aus gezählt hat. Die nackten Zahlen sprechen eine deutlichere Sprache: "Allein zehnmal musste die Polizei am Rande der rechten Ausschreitungen im früheren Karl-Marx-Stadt ausrücken, um die Personalien von Mitmarschierern festzustellen, die den Hitlergruß gezeigt hatten", zählt der "Spiegel" auf, der Staatskrisen früher anhand der Erschütterungen im Mark der Macht identifizierte. Die übrigen Straftaten in Chemnitz: Einem 18-jährigen wurde das Handy aus der Hand, eine Frau und ein Syrer wurden geschlagen, ein Bulgare festgehalten und bedroht. Eine "neue Dimension rechter Gewalt". Wie damals im Fall Mannichl.
Hier ist es eher die vorüberziehende Parade der Schlachtenbummler, die auf einen Entscheidungskampf um die Deutungshoheit hinweist. Alle sind sie da, der Patzelt, die Kahane, der Hoffmann, all die subalternen Rechtsextremismusexperten und Gewaltforscher, die aus 200 Kilometer Entfernung die Hand auflegen und genau wissen, wer alles was wie fürchterlich versemmelt hat. Klare Worte brauche es nun, eine harte Hand, Erziehung, Strafen, ein Bekenntnis der Politik zum Rechtsextremismus, Maßnahmen, Besatzungstruppen, Fördermittel für mehr Kampf gegen rechts.
Anetta Kahane darf nicht fehlen, wo so viel guter Rat gratis verteilt wird. Die Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung weiß, dass der "Tod eines 35-jährigen Chemnitzers direkte Folge einer Verrohung der Sprache in sozialen Netzwerken" ist. Werde dort „unverhohlen zu Mord und Totschlag aufgerufen“, so die frühere MfS-Expertin, sei zu beobachten, „dass dort, wo die sozialen Netzwerke auch regional sehr stark hetzen und aktiv sind, auch die Gewaltbereitschaft und die Gewalttätigkeit höher ist.“ Der Tod des erstochenen Tischlers eine direkte Folge von Facebook und Co. Ja, so sieht es aus. „Zwischen Hetze im Internet und der Mobilisierung zu Gewalttaten gibt es einen direkten Zusammenhang“, bestätigt Anetta Kahane.
"Da kann keiner mehr von besorgten Bürgern sprechen", warnt auch die Rechtsforscherin Beate Küpper, in deren Erinnerung es bei Pegida schon immer „rechtsextreme Hooligans von Dynamo Dresden hinter Plakaten mit einem Galgen drauf“ liefen. Dass das Plakat am Galgen hing, eine straffreie Meinungsäußerung am Ende gar, irritiert die Konfliktforscherin nicht, die den lauten, aggressiven Rechtspopulismus noch neulich gar nicht so bedrohlich fand, weil er so leicht zu enttarnen war. Viel mehr Sorge hatte sie vor dem „leisen Einschleichen rechter Ideologien, die Vielfalt in der Gesellschaft und Gleichwertigkeit aller Menschen gleich welcher Herkunft, welchen Geschlechts usw. in Frage stellen“.
Nach Chemnitz ist eben nun „die Fratze" des Rechtsextremismus deutlich sichtbar geworden“, eine „rassistische Mobilisierung“, wie sie nur Ostdeutsche zustandebringen. Immerhin hat Küpper noch Hoffnung, dass viele Menschen trotzdem noch "für die Demokratie" sind. Allerdings, warnt sie: „Freiheit kommt dann erst nach der Würde und nach der Gleichheit“! Wobei es die Reihenfolge im Grundgesetz genaugenommen Würde - Freiheit - Gleichheit lautet.
Aber wer wird schon so genau sein, wenn es um die Sache geht.
Einspruch Herr ppq: Anetta Kahane als "frühere MFS-Expertin" zu bezeichnen, wird den Tatsachen nicht gerecht. Diese Formulierung suggeriert, dass sich die Dame von ihrem früheren Tun losgesagt hat, ihre Taten ernsthaft bereu und, sich ihrer schämt, ernsthaft Reue leistet. Aber das stimmt nicht. Anetta Kahane ist noch eine genauso böse Person wie vor 40 Jahren, eine heuchlerische Denunziantin und Opportunistin im Namen des Herren.
AntwortenLöschen"Werde dort „unverhohlen zu Mord und Totschlag aufgerufen“, so die frühere MfS-Expertin, sei zu beobachten, „dass dort, wo die sozialen Netzwerke auch regional sehr stark hetzen und aktiv sind, auch die Gewaltbereitschaft und die Gewalttätigkeit höher ist.“"
AntwortenLöschenNun, ich denke, damit könnte Frau Kahane Recht haben. Es könnte empirisch sein, dass vor Verbrechen gegen Minderheiten oder Gegner oftmals deren propagandistische Dehumanisierung steht.
"Gesindel" und "Pack" sind da noch harmlos, "blonde Inzucht-Schlampen" schon deutlicher, "braunes Ungeziefer" (statt Menschen) und "braune Scheiße" sind eindeutig.