Vor 25 Jahren machte Deutschland die Grenze dicht, zum Jubiläum nun wieder. |
Seit letzter Woche nimmt Deutschland keine Asylbewerber aus den Nachbarländern mehr auf, seit gestern gibt es sogar wieder ein "Asylpaket" - Folge des monatelang erbittert geführten Kampfes um ein neues Asylrecht, dessen ganzer Clou darin besteht, dass bestehende Gesetze wieder angewandt werden sollen. Ein Manöver, das auf die Rückeroberung von Wählerschichten zielt, die den großen früheren Volksparteien den Rücken gekehrt haben.
Im Städtchen des tschechischen Bürgermeisters Frantisek Barta ist allerhand Bewegung. Durch JIlove mit seinen 5000 Einwohnern ziehen Rumänen und Bulgaren, Roma und Syrer, Kurden, Iraker, Afghanen und Malinesen. Die Grenze zum reichen Nachbarn Deutschland verläuft nur ein paar Kilometer nördlich des Stadtkerns durch den Wald.
Für Bürgermeister Barta, 50, sind die Durchreisenden bisher "kein großes Problem" gewesen. Nur für Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, sagt er, sei Tschechien "ein annehmbares Land". Für die anderen sei es "hier zwar eine Stufe besser als zu Hause, aber noch nicht das, was sie wollen". Das Ziel der meisten heißt Deutschland.
Doch die Bundesrepublik ist, seit Donnerstag voriger Woche, für Zuwanderer aus aller Welt schwerer zu erreichen als je zuvor.
Denn der Fluchtpunkt Deutschland wird abgeriegelt. Asyl, in den vergangenen Jahren Hoffnung für immer mehr Verfolgte und Verzweifelte, Glücksritter und Abenteurer, ist seit dem Inkrafttreten der Abschottungsvereinbarung von Anegla Merkel und Horst Seehofer nicht länger der Schlüssel für den freien Eintritt in die reiche Welt. "Seit null Uhr wird zurückgeschoben", meldete am Stichtag die Tageszeitung.
Zwar bleiben die Grenzen offen, aber es darf nicht mehr jeder herein. Durch raffinierte Einschränkungen des vieltausendfach mißbrauchten Artikels 16 ("Politisch Verfolgte genießen Asylrecht") sollen unerwünschte Gäste gar nicht erst ins Land gelangen.
Die am 28. Mai nach zähem Streit im Bundesrat verabschiedete Regelung schreibt vor, daß Asylsuchende ohne Anhörung zurückgewiesen werden können, wenn sie aus EG-Ländern oder anderen "sicheren Drittstaaten" einreisen: Der Cordon sanitaire ist lückenlos, sämtliche Nachbarstaaten, auch Dänemark, Polen und die Schweiz, sind in die historisch beispiellose Pufferzone integriert.
Die neue deutsche Asylregelung hat europaweite Auswirkungen. Der Kontinent ist seit letzter Woche gespalten in Länder, die früher Flüchtlinge aufnahmen wie Deutschland und lange dabei blieben. Und die, die sich von Anfang wehrten wie Polen, Tschechien oder Dänemark. Theoretisch können Asylbewerber zwar gegen eine Zurückschiebung in ein sicheres Drittland klagen. Nur helfen wird ihnen das wenig, wenn sie nicht im Lande sind – und nun werden sie auf jeden Fall erst einmal abgewiesen. Deutschland macht dicht.
Der Parteien-Streit setzte zwischenzeitlich die Existenz der Regierung aufs Spiel. Während Innenminister Seehofer den harten Hund markierte, um generalpräventiv Menschen abzuschrecken, ging es Kanzlerin Angela Merkel bereits um ihr politisches Erbe. "Deutschland ist und bleibt ein offenes Land", versicherte sie in der Hoffnung, andere europäische Führer würden sie am Ende doch zwingen, das Ruder herumzureißen.
Wie damals, 1993, als der Sprecher der Hilfsorganisation "Pro Asyl" Herbert Leuninger vor einem "Zusammenbruch des internationalen Schutzes für Flüchtlinge" warnte, das dann doch nicht kam, ist auch diesmal das Geschrei groß, obwohl alle streitenden Parteien einig sind, dass es nur um ein paar wenige Flüchtlinge geht.
Damals, vor 25 Jahren, trat eine Regelung in Kraft, die nur noch dem einen Antrag auf Asyl gestattete, der unmittelbar mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug aus einem Land kam, das weder als "sicherer Drittstaat" noch als "sicheres Herkunftsland" galt. Die gut gedachte Regelung aber schliff sich soweit ab, dass zuletzt jedermann von überallher zu Fuß durch die ganze Welt wandern konnte, bis er schließlich in Deutschland Zuflucht fand.
Der Grund: Zuwanderer, die im Landesinneren aufgegriffen werden, müssen zwar generell in ihr letztes Transitland zurückgeschoben werden. Wer aber die Aussage verweigert, aus welchem Land er eingereist ist, und weder durch Reisedokumente und Fahrkarten noch Geld seinen letzten Aufenthalt verrät, kann nicht einfach den Behörden des nächsten Nachbarlandes überstellt werden, sondern rutscht ins normale Asylverfahren.
An der Grenze wird aufgerüstet. Nach mehrmonatiger Erprobung von Radargeräten und Wärmebildkameras, teils aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR, soll die elektronische Grenzüberwachung von August an komplettiert werden. Außerdem will der BGS rund 200 Diensthunde gegen illegale Grenzgänger einsetzen.
Vor neuen Problemen stehen auch die Justiz- und Polizeibehörden der Länder, die eine erheblich ansteigende Zahl von Abschiebungen bewältigen müssen - in der Abschiebehaft sind kaum irgendwo noch Zellen frei.
Herbert Spang, Referatsleiter Verbrechensbekämpfung im sächsischen Landespolizeipräsidium, sieht seine Behörde vor einer "nie dagewesenen Aufgabe". Um die von Spang geschätzten 6000 bis 9000 Abschiebungen in diesem Jahr bewältigen zu können, sind drei "Abschiebegruppen" zu je 15 Polizisten gebildet worden, ausgestattet mit jeweils einem "Abschiebebus".
Im Ausland fand die Debatte über die deutsche Asylpolitik ein geteiltes Echo. Das alte Asylrecht, das "Fluten von Flüchtlingen durch Deutschlands weitgeöffnete Tore strömen ließ", habe sich als "Rezept des Chaos" erwiesen, urteilte verständnisvoll das US-Nachrichtenmagazin Newsweek. Die Welt müsse erkennen, daß die Bundesrepublik "nicht jedesmal, wenn sie jemanden abschiebt, Nazi-Rassismus wiederholt".
In den europäischen Partnerländern dagegen überwog Skepsis. Bei einer Abstimmung über den deutsch-polnischen Asylvertrag vom Mai dieses Jahres im Warschauer Parlament billigte nur eine Minderheit der Abgeordneten das Verhandlungsergebnis. Ein Sprecher der Bauernpartei monierte: "Die Deutschen behandeln Polen wie einen Gepäckaufbewahrungsraum."
Der trotz des Negativ-Votums gültige Vertrag sieht unter anderem vor, daß Deutschland bis Ende nächsten Jahres für den Aufbau der polnischen Asyl- und Grenzverwaltung 120 Millionen Mark überweist; 40 Millionen werden in diesen Tagen in Warschau eintreffen.
Das polnische Flüchtlings- und Migrationsbüro hält derzeit zwei Flüchtlingslager für rund 1000 Menschen bereit. Für aus Deutschland abgeschobene Zuwanderer liegen dem Büro Angebote von etwa 200 Erholungsheimen und Pensionen vor. Daß viele der Zurückgewiesenen Asyl in Polen beantragen werden, gilt als unwahrscheinlich - bisher hat es keinen einzigen Antrag gegeben.
Ein deutsch-tschechisches Abkommen nach dem Vorbild der Vereinbarung mit Polen ist trotz langer Verhandlungen noch nicht unterschriftsreif. Strittig ist insbesondere die Frist, binnen deren ein Zuwanderer maximal aus Deutschland zurückgeschickt werden kann - die Tschechen wollen sie auf sechs Monate nach Grenzübertritt, die Deutschen auf sechs Monate nach Aufgriff durch BGS oder Polizei festlegen.
Daß die Grenze porös bleibt, nehmen die Tschechen gelassen hin. Der Grenzpolizei-Kommandant am Übergang Folmava sieht gegen illegale Einwanderer und Schlepper keinerlei Handhabe: "Hier im Böhmerwald haben die Bewohner seit Jahrhunderten geschmuggelt - früher Tabak und Salz, jetzt eben Menschen."
Nach Motiven der "Spiegel"-Geschichte "Schöne Zeiten für Schlepper", 05.07.1993
CDU, CSU und SPD haben Erfahrung mit einem solchen Unternehmen: Vor genau 25 Jahren schlossen sie angeblich schon einmal die Grenzen - damals "Asylkompromiss" genannt - um eine Kanzlerschaft zu retten.
Ein Blick zurück ins Jahr 1993.
Ein Blick zurück ins Jahr 1993.
Im Städtchen des tschechischen Bürgermeisters Frantisek Barta ist allerhand Bewegung. Durch JIlove mit seinen 5000 Einwohnern ziehen Rumänen und Bulgaren, Roma und Syrer, Kurden, Iraker, Afghanen und Malinesen. Die Grenze zum reichen Nachbarn Deutschland verläuft nur ein paar Kilometer nördlich des Stadtkerns durch den Wald.
Für Bürgermeister Barta, 50, sind die Durchreisenden bisher "kein großes Problem" gewesen. Nur für Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, sagt er, sei Tschechien "ein annehmbares Land". Für die anderen sei es "hier zwar eine Stufe besser als zu Hause, aber noch nicht das, was sie wollen". Das Ziel der meisten heißt Deutschland.
Zuwanderer aus aller Welt
Doch die Bundesrepublik ist, seit Donnerstag voriger Woche, für Zuwanderer aus aller Welt schwerer zu erreichen als je zuvor.
Denn der Fluchtpunkt Deutschland wird abgeriegelt. Asyl, in den vergangenen Jahren Hoffnung für immer mehr Verfolgte und Verzweifelte, Glücksritter und Abenteurer, ist seit dem Inkrafttreten der Abschottungsvereinbarung von Anegla Merkel und Horst Seehofer nicht länger der Schlüssel für den freien Eintritt in die reiche Welt. "Seit null Uhr wird zurückgeschoben", meldete am Stichtag die Tageszeitung.
Zwar bleiben die Grenzen offen, aber es darf nicht mehr jeder herein. Durch raffinierte Einschränkungen des vieltausendfach mißbrauchten Artikels 16 ("Politisch Verfolgte genießen Asylrecht") sollen unerwünschte Gäste gar nicht erst ins Land gelangen.
Die am 28. Mai nach zähem Streit im Bundesrat verabschiedete Regelung schreibt vor, daß Asylsuchende ohne Anhörung zurückgewiesen werden können, wenn sie aus EG-Ländern oder anderen "sicheren Drittstaaten" einreisen: Der Cordon sanitaire ist lückenlos, sämtliche Nachbarstaaten, auch Dänemark, Polen und die Schweiz, sind in die historisch beispiellose Pufferzone integriert.
Die neue deutsche Asylregelung hat europaweite Auswirkungen. Der Kontinent ist seit letzter Woche gespalten in Länder, die früher Flüchtlinge aufnahmen wie Deutschland und lange dabei blieben. Und die, die sich von Anfang wehrten wie Polen, Tschechien oder Dänemark. Theoretisch können Asylbewerber zwar gegen eine Zurückschiebung in ein sicheres Drittland klagen. Nur helfen wird ihnen das wenig, wenn sie nicht im Lande sind – und nun werden sie auf jeden Fall erst einmal abgewiesen. Deutschland macht dicht.
Deutschland macht dicht
Der Parteien-Streit setzte zwischenzeitlich die Existenz der Regierung aufs Spiel. Während Innenminister Seehofer den harten Hund markierte, um generalpräventiv Menschen abzuschrecken, ging es Kanzlerin Angela Merkel bereits um ihr politisches Erbe. "Deutschland ist und bleibt ein offenes Land", versicherte sie in der Hoffnung, andere europäische Führer würden sie am Ende doch zwingen, das Ruder herumzureißen.
Wie damals, 1993, als der Sprecher der Hilfsorganisation "Pro Asyl" Herbert Leuninger vor einem "Zusammenbruch des internationalen Schutzes für Flüchtlinge" warnte, das dann doch nicht kam, ist auch diesmal das Geschrei groß, obwohl alle streitenden Parteien einig sind, dass es nur um ein paar wenige Flüchtlinge geht.
Damals, vor 25 Jahren, trat eine Regelung in Kraft, die nur noch dem einen Antrag auf Asyl gestattete, der unmittelbar mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug aus einem Land kam, das weder als "sicherer Drittstaat" noch als "sicheres Herkunftsland" galt. Die gut gedachte Regelung aber schliff sich soweit ab, dass zuletzt jedermann von überallher zu Fuß durch die ganze Welt wandern konnte, bis er schließlich in Deutschland Zuflucht fand.
Der Grund: Zuwanderer, die im Landesinneren aufgegriffen werden, müssen zwar generell in ihr letztes Transitland zurückgeschoben werden. Wer aber die Aussage verweigert, aus welchem Land er eingereist ist, und weder durch Reisedokumente und Fahrkarten noch Geld seinen letzten Aufenthalt verrät, kann nicht einfach den Behörden des nächsten Nachbarlandes überstellt werden, sondern rutscht ins normale Asylverfahren.
Kein Zugang zu Deutschland
An der Grenze wird aufgerüstet. Nach mehrmonatiger Erprobung von Radargeräten und Wärmebildkameras, teils aus Beständen der Nationalen Volksarmee der DDR, soll die elektronische Grenzüberwachung von August an komplettiert werden. Außerdem will der BGS rund 200 Diensthunde gegen illegale Grenzgänger einsetzen.
Vor neuen Problemen stehen auch die Justiz- und Polizeibehörden der Länder, die eine erheblich ansteigende Zahl von Abschiebungen bewältigen müssen - in der Abschiebehaft sind kaum irgendwo noch Zellen frei.
Herbert Spang, Referatsleiter Verbrechensbekämpfung im sächsischen Landespolizeipräsidium, sieht seine Behörde vor einer "nie dagewesenen Aufgabe". Um die von Spang geschätzten 6000 bis 9000 Abschiebungen in diesem Jahr bewältigen zu können, sind drei "Abschiebegruppen" zu je 15 Polizisten gebildet worden, ausgestattet mit jeweils einem "Abschiebebus".
Im Ausland fand die Debatte über die deutsche Asylpolitik ein geteiltes Echo. Das alte Asylrecht, das "Fluten von Flüchtlingen durch Deutschlands weitgeöffnete Tore strömen ließ", habe sich als "Rezept des Chaos" erwiesen, urteilte verständnisvoll das US-Nachrichtenmagazin Newsweek. Die Welt müsse erkennen, daß die Bundesrepublik "nicht jedesmal, wenn sie jemanden abschiebt, Nazi-Rassismus wiederholt".
In den europäischen Partnerländern dagegen überwog Skepsis. Bei einer Abstimmung über den deutsch-polnischen Asylvertrag vom Mai dieses Jahres im Warschauer Parlament billigte nur eine Minderheit der Abgeordneten das Verhandlungsergebnis. Ein Sprecher der Bauernpartei monierte: "Die Deutschen behandeln Polen wie einen Gepäckaufbewahrungsraum."
Der trotz des Negativ-Votums gültige Vertrag sieht unter anderem vor, daß Deutschland bis Ende nächsten Jahres für den Aufbau der polnischen Asyl- und Grenzverwaltung 120 Millionen Mark überweist; 40 Millionen werden in diesen Tagen in Warschau eintreffen.
Das polnische Flüchtlings- und Migrationsbüro hält derzeit zwei Flüchtlingslager für rund 1000 Menschen bereit. Für aus Deutschland abgeschobene Zuwanderer liegen dem Büro Angebote von etwa 200 Erholungsheimen und Pensionen vor. Daß viele der Zurückgewiesenen Asyl in Polen beantragen werden, gilt als unwahrscheinlich - bisher hat es keinen einzigen Antrag gegeben.
Ein deutsch-tschechisches Abkommen nach dem Vorbild der Vereinbarung mit Polen ist trotz langer Verhandlungen noch nicht unterschriftsreif. Strittig ist insbesondere die Frist, binnen deren ein Zuwanderer maximal aus Deutschland zurückgeschickt werden kann - die Tschechen wollen sie auf sechs Monate nach Grenzübertritt, die Deutschen auf sechs Monate nach Aufgriff durch BGS oder Polizei festlegen.
Daß die Grenze porös bleibt, nehmen die Tschechen gelassen hin. Der Grenzpolizei-Kommandant am Übergang Folmava sieht gegen illegale Einwanderer und Schlepper keinerlei Handhabe: "Hier im Böhmerwald haben die Bewohner seit Jahrhunderten geschmuggelt - früher Tabak und Salz, jetzt eben Menschen."
Nach Motiven der "Spiegel"-Geschichte "Schöne Zeiten für Schlepper", 05.07.1993
Haha, mehr als 50 Jahre !
AntwortenLöschenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Vorsicht_Falle!
Jetzige Begrenzungen des Zuzugs hätten nur die Wirkung, die Assimilation
AntwortenLöschen(und sei es vorerst in Parallelgesellschaften, bis die Schulkinder heiraten)
derer, die noch nicht lange hier leben, zu ermöglichen, ohne dass es großen Widerstand gibt - bis der nächste große Zuzug erfolgt, vielleicht von integrationsfreudigen, christlichen Schwarzafrikanern.
Das wird so lange gehen, bis Deutschland/Europa ethnisch nicht mehr als solches erkennbar ist. Dann werden die Grenzen wirklich zugemacht. In afroasiatischorientalisch bevölkerte Länder mit Zuständen wie in der Karibik, nur 20 Grad kälter, will auch niemand einreisen oder flüchten.
////// hoppsala 6. Juli 2018 at 14:54
AntwortenLöschenEr ist Tod…. es interessiert ihn nicht mehr ob er ein Held ist oder nicht. ////////
OT, aber es macht mich stinkig, wenn Erwachsene s o schreiben, und dann noch klugsch ...nacken.