Freitag, 27. April 2018

Netzwerkregulierung: Deutschlands Alleingang

Nur noch Reste einstiger Gemeinsamkeit: Beim Kampf gegen Facebook schert nun auch Deutschland aus und setzt auf eigene Lösungen anstelle von EU-weiten Maßnahmen.
Erst Großbritannien, dass den übrigen Partnerstaaten in Europa wegen einiger kleiner Meinungsverschiedenheiten die Gefolgschaft kündigte. Dann Spaniens Beharren auf einer nationalen Lösung der Katalonien-Krise. Schließlich Frankreichs Solo-Ritt nach Syrien, ein völkerrechtswidriger Angriff auf einen souveränen Staat, den der gutaussehende französische Präsident weder im europäischen Rat zur Abstimmung vorlegte noch von der EU-Kommission abnicken ließ. Auch Berlin, über viele Jahre hinweg das Kraftzentrum des alten Europa, wurde nicht gefragt, der Kanzlerin, im Stich gelassen von ihrem, engsten Verbündeten, blieb nur, im nachhinein zuzustimmen, um den innereuropäischen Dissenz nicht öffentlich zum Eklat werden zu lassen.

Deutschlands Absage an Europa 


Doch die Bundesregierung hat den Verrat der EU-Partner nicht vergessen. Während Heiko Maas noch nach europäischen Lösungen ruft, schaffen seine Ministerkollegen im Fall Facebook im Hinterzimmer Fakten. Ohne Europa. Zwar mahnte SPD-Ministerin Katarina Barley pro forma noch, dass es „Zeit für eine deutliche Reaktion der europäischen Staaten" sei und Europa "klare Regeln“ schaffen müsse.

Aber statt nun auf dem gewohnten und bewährten Weg die europäische Richtlinienmaschine anzuwerfen und diese „klaren Anforderungen“ an die Betreiber sozialer Netzwerke auf europäischer Ebene nach umfassenden Abstimmungen unter allen Partnerstaaten in sieben oder acht Jahren gesetzlich felsenfest zu schreiben, kündigte das neue Heimatmuseum nun an, in einem deutschen Alleingang die angestrebte strenge gesetzliche Regulierung zu schaffen, die es der Bundesregierung erlauben soll, Netzwerke wie Facebook und Twitter künftig so in demokratische Prozesse einzubinden, dass die Nutzung etwa in Wahlkämpfen oder für allgemeine Werbezwecke möglich bleibt, Kritik an der Regierung oder Werbung für Staatsfeinde aber ausgeschlossen ist.

Hauptsächlich soll die künftige harte deutsche Regulierung offenbar mithilfe des Datenschutzrechts durchgesetzt werden, wie es in einem Schreiben des Heimatministeriums heißt. Da die Befürchtung besteht, dass ein erweiterter Meinungsfreiheitsschutz allein durch einen Verweis auf den Datenschutz kaum umfassend und im Sinne der Parteien des demokratischen Blocks durchsetzbar ist, sollen "zusätzliche gesetzgeberische Maßnahmen" den deutschen Alleingang in Sachen Netzwerkregulierung flankieren. „Die Bundesregierung wird deshalb über das Datenschutzrecht und über das in 2017 verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz hinaus genau prüfen, ob zur Sicherung demokratischer Prozesse noch weitere Maßnahmen erforderlich sind, etwa im Rahmen der Regulierung von Plattformen“, heißt es in einem Schreiben aus dem Heimatministerium.

Vorreiter gegen die Trollarmeen


Europa bleibt außen vor, ein weiteres Mal. Statt auf die zunehmend massiven politischen Manipulationen von russischen Trollarmee mit einer einheitlichen europäischen Strategie zu antworten und "gesellschaftlich ausgleichende Regelungen" für die Äußerung politischer Ansichten im Netz zu schaffen, wie es Kanzleramtchef Helge Braun nennt, fällt die europäische Staatengemeinschaft in der Stunde der Not auseinander wie ein Kartenhaus.

Mit 26 neuen Mitarbeitern soll Deutschlands Digitalkoordinator Braun das empfindliche Politikfeld steuern und vorreitermäßige Maßnahmen erarbeiten, die es möglich machen, Algorithmen durch Bundesbehörden wie das Bundesblogampelamt (BBAA) zu kontrollieren und den Missbrauch der privaten Meinungsmacht von Nutzern einzuschränken. Die Bundesregierung komme damit ihrer „Schutzpflicht“ gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nach, die oft überhaupt nicht ahnten, dass Facebook ihre Daten zu Werbezwecken nutze. „Was für ein gröberes Vergehen kann es in einer Demokratie geben? Das ist doch unfassbar“, urteilt Unionsfraktionschef Volker Kauder. Deutschland müsse hier Vorreiter sein, sagt der mächtige Strippenzieher der Kanzlerin, der vor Jahren bereits für eine umfassende Germanisierung der EU plädiert hatte.

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