Als Fabian Baumgärtel in der 58. Minute einen weiteren Freistoß aufs Kölner Tor treffen darf, zeigt sich das ganze sportliche Elend, in das der Hallesche FC in den letzten Monaten gerutscht ist, ohne es selbst zu bemerken. Baumgärtel, gern als "Freistoßspezialist" angekündigt und davon abgesehen einer der stabilsten Profis in einer von Stabilität meist nicht einmal träumenden Mannschaft, holt aus. Und jagt auch diesen Ball wieder an einen Ort im Stadion, an dem er keinen Schaden für das Kölner Tor anrichten kann. Dasselbe wiederholt sich danach noch zweimal, dann darf Baumgärtel gehen.
Der Mister Zuverlässig der Hallenser hat bis dahin sechs Ecken in den wolkenlosen Himmel geballert, ein halbes Dutzend HFC-Freistöße entschärft und wie der Rest seines Team stets bemüht, aber glücklos zugeschaut, wie ein weitere Endspiel um den Nichtabstieg verlorengeht.
Für Baumgärtel, der in Halle schon Zeiten gesehen hat, die aus heutiger Sicht als die guten alten bezeichnet werden müssen, macht Platz für Braydon Manu, den kleinen Mann aus Itzehoe, der im Sommer letzten Jahres wie Kai aus der Kiste gesprungen kam und in Halle entfachte, was der HFC-Fan kaum noch kannte: einen Hauch von Euphorie. Manu war für kurze Zeit all das, wonach sich an der Saale alle sehnen: Eine Entdeckung, ein Versprechen, ein Glücksfall, den man lieben konnte.
Doch das Schicksal des Zauberzwerges steht beispielhaft für das, was aus den Blütenträumen des Sommers wurde: Nach ein paar launigen Interviews von seinen Mannschaftskameraden gemaßregelt, wurde der Instinktfußballer vom Trainer geschnitten und nur noch gelegentlich für ein paar Alibiminuten eingewechselt. Manu verlor, was ihn stark gemacht hatte.
Und betritt den Platz nun als Schatten seiner selbst, äußerlich noch immer derselbe Spieler, innerlich aber leer, ängstlich und darauf bedacht, andere die Fehler machen zu lassen.
Das tun beim HFC alle und sie tun es mit wachsendem Erfolg. Zuletzt gegen Karlsruhe gelang es so, ein Spiel zu verlieren, von dem sich danach immerhin sagen ließ, dass es nicht hätte verloren werden müssen. Darauf sind sie stolz beim - finanziell gerade geretteten - Halleschen FC. Daraus soll irgendwann, so der Plan, das Selbstbewusstsein wachsen, auch mal wieder ein Spiel - oder sogar zwei hintereinander - zu gewinnen.
Im laufenden Jahr ist das erst zweimal gelungen, damals im Januar, als die vielen Langzeitverletzten langsam zurückkehrten, deren Fehlen bis dahin als Grund dafür gegolten hatte, dass die für einen Aufstieg zusammengestellte Mannschaft so eklatant unter ihren vermeintlichen Möglichkeiten geblieben war. Dann aber passierte, was im Sport manchmal geschieht: Je mehr Alphamännchen sich zurückmeldeten, desto schlechter wurden die Ergebnisse. Zuletzt gab es zwei Niederlagen, davor ein Remis. Die Bilanz ist kein bisschen besser als in der Hinserie, eine Entwicklung nicht zu sehen. Hoffnung rar.
Nur ein Sieg gegen Köln könnte die verhängnisvolle Tendenz brechen und die Angst aus dem Erdgas-Sportpark fegen, dass die Elf von Trainer Rico Schmitt angesichts von 19 auslaufenden Verträgen ausgerechnet in den Wochen der Entscheidung über den Klassenerhalt auseinanderfällt.
Aber davon, dass die da unten etwas beweisen wollen, ist wenig zu spüren. Schmitt hat Fennell und den jungen Torwart Tom Müller draußen gelassen, auch Lieblingsspieler Benjamin Pintol fehlt. Dafür darf Toni Lindenhahn ran und Hilal El Helwe bekommt eine neue Chance, zu zeigen, dass er von Beruf Stürmer ist. Gleich in der ersten Minute aber sind es die Kölner, die nach einem Fehler des neuen, alten Torwarts Schnitzler beinahe die Führung machen. Zum Glück nur beinahe.
Danach hat der HFC das Spiel in der Hand, wie immer also. Ball bei Rotweiß, die grellgelben Rheinländer aber kaum beeindruckt. Früh anlaufend, verhindern sie vielversprechende HFC-Angriffe schon vorbeugend. Gelangt dann doch einmal ein Ball über zwei, drei Stationen bis in Strafraumnähe, versandet die Aktion im finalen Anlauf: Lindenhahn trifft den Ball nicht richtig, Fetsch trifft in gar nicht, Ajani spielt sich selbst schwindlig.
Ein Drama, dessen Ausgang früh zu erahnen ist. Einer macht das Spiel, der andere die Tore: In der 21. Minute wird Baumgärtel überlaufen, die Flanke erwischt Kaita-Ruel vor Kleinheistmann. Der Kölner köpft Schnitzler durch die Beine.
Wacker macht der HFC weiter wie bisher, erstmal zurückzuliegen, das ist HFC-Grundschule. Erschreckend ist allerdings einmal mehr, wie die herausgearbeiteten Standards, die mangels einer Spielidee das einzige Mittel wären, das Kölner Tor in Gefahr zu bringen, weggeworfen werden. Nichts, rein gar nichts bringen die, nun schon fest traditionell. Kreativ ist nur die Art und weise, wie beste Chancen auf Chancen weggeknallt werden: Ecken gehen zur anderen Ecke, Freistöße in Brusthöhe auf den ersten Abwehrspieler oder meilenweit über den Kasten.
Rico Schmitt, der Architekt dieser Mannschaft, steht in seinem roten Leibchen wie immer gestikulierend am Spielfeldrand. Als könnte er all das, was seine Spieler im Training seit zwei Jahren nicht gelernt haben, mit Handbewegungen im Spiel herbeipressen, fuchtelt und winkt er, er dirigiert einzelne Verteidiger auf Linie und zeigt Lücken im Abwehrverbund.
Vergebens. Wie schon seit Monaten wirkt die Mannschaft, die er da hat, nicht wie eine Mannschaft, und der Kampf, den sie liefert, wie ein Rollenspiel. In der 56. Minute, der HFC hatte seinen Schwung durchaus über die Pause gerettet, foult Lindenhahn einen Kölner, Kegel tritt einen Freistoß von einer Position, von der aus der HFC bis dahin schon drei hatte. Der Ball geht in den Fünfmeterraum, Stürmer Fetsch, der dort wohl Abwehrarbeit verrichten soll, stochert ihn nur zwei Meter Richtung Mittellinie. Von wo aus ihn Brandenburger an Oliver Schnitzler vorbei in die Maschen schießt.
0:2 und ein Ende ist für die nur noch knapp 4700 Zuschauer noch nicht in Sicht. Mit hängenden Köpfen und einer nun beständig steigenden Fehlerquote begibt sich der HFC ins letzte Drittel. Eine Elf in Trümmern, deren Anführer Gjasula mit Fehlpässen vorangeht. Es sieht nie aus, als würde Köln, vor zweieinhalb Jahren noch als Außenseiter nach Halle gekommen, Mühe haben, das Spiel zu kontrollieren. Mit halber Kraft. Halle drängt nach vorn, aber das ist alles nur Stückwerk, Blendwerk, ein Tun-als-ob. Niemand in Rot und Weiß wirkt noch, als glaube er an eine Wende, an einen Glücksschuss, an eine Chance, die dritte Niederlage nacheinander abzuwenden. Schmitt bringt Landgraf und Ludwig, der dann auch wirklich gleich zweimal auf sich aufmerksam macht. Mehr ist es aber nicht. Und mehr kommt auch nicht mehr. Außer "Schmitt raus"-Rufen von der Tribüne.
In der 76. Minute macht Köln das 0 zu 3 und die sechste Heimniederlage perfekt. Braydon Manu kommt drei Minuten später. Ein Einsatz für die Statistik, direkt vor den beiden wegweisenden Abstiegsendspielen gegen Bremen und Chemnitz. So oft wird ihn Rico Schmitt danach womöglich nicht mehr einwechseln können.
Ohne Wertung - rein sachlich: Danisch ist ein Depp.
AntwortenLöschenDaß das NS-Regime in jedem Punkt das Gelbe vom Ei gewesen wäre, behaupten nur Wenige.