Der Austritt Großbritanniens aus der EU rückt näher und immer lauter wird damit die Diskussion darum, wie die EU die ausfallenden Zahlungen der Briten am besten ausgleichen soll. Eine Diskussion, die aus sich heraus zeigt, was falsch läuft im Europa der nun noch 27 Staaten: Mit dem Brexit verliert die EU zwölf Prozent ihrer Bürger, den zweitgrößten Nettozahler und mehr als zwölf Prozent des Bruttosozialprodukts. Weltwirtschaftlich fällt die EU ohne die Briten zurück, allerdings eben nur reich statistisch, weil ohnehin jedes EU-Land auf eigene Rechnung wirtschaftet.
Abgesehen vom EU-Haushalt, der nach dem Austritt der Briten einfach nur um deren Beitrag schrumpfen müsste, damit alles wäre wie zuvor. Die EU minus britische Abgeordnete, den britischen Kommissar, den britischen EU-Beitrag und die EU-Mittel, die auf die britischen Insel flossen. Zu sparen wären zudem alle Ausgaben, die die Summen übersteigen, die bisher aus dem britischen EU-Beitrag in andere Mitgliedsstaaten als Großbritannien flossen.
Doch was das betrifft, ist die Europäische Union eine Institution wie jede andere: Gehen die Briten, bleibt eine Gemeinschaft zurück, die keineswegs daran denkt, angesichts des Verlustes an Verwaltungsaufwand, Demokratiekosten, Wirtschaftskraft und - vor allem - Beitragszahlungen entsprechend zu schrumpfen. Nein, diskutiert wird ausschließlich über Wege, wie die kleinere Union nach dem Brexit über deutlich erhöhte EU-Haushaltsbeiträge der verbliebenen Staaten dazu kommen kann, mit demselben Haushaltsvolumen weiterzuwirtschaften wie bisher.
Weniger Mitglieder, aber bloß nicht weniger Geld! Denn weniger Geld bedeutete für die sogenannte Europäische Kommission weniger Verteilungsmasse und damit weniger gekaufte Loyalität bei denen, die mit Geld aus dem EU-Haushalt beglückt werden. 960 Milliarden Euro hatte die EU im letzten Haushaltszeitraum von 2014 bis 2020 in ihrem Etat, durch den Abschied der Briten fehlen nun schon 40 Milliarden, um den Wert halten zu können. Sogar 80 Milliarden Euro groß ist die Lücke bis zur magischen Billion, die Eurokraten wie Juncker, Timmermans und Oettinger für eine angemessene Größe für die weltgrößte Staatengemeinschaft halten.
Wer soll die bezahlen? Es werden am Ende die bisherigen Nettozahler sein, die die anstehende Schlacht um die möglichen zwei Wege verlieren: Schrumpfen und sparen, das kommt für die EU der 27 so wenig infrage wie es für eine EU der 25 oder 17 denkbar wäre. Also werden die EU-Staats- und Regierungschefs ausloten, wer mehr zahlen muss: Die größten Nettobeitragszahler Deutschland, die Niederlande und Frankreich können nur bedingt dauerhaft bockbeinig bleiben, weil die zuletzt allerdings nur noch gelegentliche Einigkeit der Union sich nur mit Geld von Nettoempfängerländern wie der Slowakei, Polen, Griechenland, Rumänien und Ungarn erkaufen lässt. Je weniger Geld zum Verteilen vorhanden ist, desto unwilliger werden Staaten wie Polen, Ungarn und Tschechien sich künftig von Deutschland "klare Grenzen" (Martin Schulz) aufzeigen lassen.
Es wird deshalb ein übles Feilschen werden, weil zum britischen Loch noch jede Menge Forderungen nach zusätzlichen Ausgaben auf dem Tisch liegen, die hauptsächlich dazu dienen, die Notwendigkeit höherer Zahlungen der großen Mitglieder zu begründen. Die EU ist - wie jede existierenden Institution - fest entschlossen, sich auf weitere Lebensbereiche auszudehnen: Nur so, das spüren Entitäten jeder Art, ist das eigene Überleben dauerhaft sicherzustellen.
Unterstützung kommt von Frankreichs neuem Präsidenten Emmanuel Macron, der die EU wie sein Vorgänger Mitterand als Werkzeug sieht, mit dem sich Deutschland an der Kandare halten lässt. Macron hat zur Finanzierung der mit hanebüchenen Berechnungen begründeten Etatlücke einmal mehr eine erste eigene EU-Steuer ins Spiel gebracht, die für Brüssel der Einstieg in die eigene Staatswerdung bedeuten würde. Deutschland wird sich noch eine Weile lang rituell gegen die Abgabe eines weiteren Stückes Souveränität wehren, dann aber zustimmen. Ein große EU, von Berlin aus ein bisschen dominiert, wie es der Hades-Plan vorsah, ist besser als keine EU, in der jedes Land tut, was es will.
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