Montag, 19. Februar 2018

Vibrierend vor Energie: Noch mehr Schwung in der EU


Jung, dynamisch und unwiderstehlich, so präsentiert sich das vereinigte Europa im Jahre 18 nach Verabschiedung der wegweisenden Lissabon-Strategie, die aus der EU bis 2010 die Weltwirtschaftmacht Nummer 1 machen sollte. Mit den damals von Gerhard Schröder vorangetriebenen Plänen wurde die EU "zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum in der Welt" (Strategiepapier vom 24. März 2000) und sie erwarb nachhaltig die Möglichkeit, "ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“.

Aus Politikerträumen wird ein Staatsvolk


Ein Triumph einer Gemeinsamkeit von Staaten, die beschlossen hatten, aus zwei Dutzend Völkern, die zwanzig Generationen lang mehr neben- und gegeneinander gelebt hatten, innerhalb von zwei Jahrzehnten ein Staatsvolk mit eigener Identität zu schmieden. Ein bisschen Schwund war immer, irgendwer musste das auch bezahlen, aber nachdem beschlossen worden war, über die Weigerung des Internationalen Währungsfonds (IWV), sich an der weiteren Finanzierung der sogenannten Griechenland-Rettung zu beteiligen, einfach nicht mehr zu berichten, ist das größte Problem des Kontinent abgeräumt. Zuvor konnte Deutschland nur weiterretten, wenn der IWV mitzieht. Nun aber geben amtierende Finanzminister Geld frei, weil der IWF nun schon im dritten Jahr nicht endgültig abgesagt hat, sich an diesem laufenden Kreditprogramm zu beteiligen. Muss ja, weil Griechenland sonst nach all den Jahren ständiger Rettung doch verloren wäre.

Die Lüge als europäischer Alltag


Die Lüge wird zum europäischen Alltag, sie allein hält zusammen, was eine allein von monetären Interessen vereinigte Gemeinschaft von Staaten überhaupt veranlasst hat, eine Gemeinschaft aus Entitäten zu bilden, die selbst Staatscharakter haben, zugleich aber als Staatengemeinschaft wie ein Einzelstaat wahrgenommen werden wollen. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz ließ der scheidende Außenminister Sigmar Gabriel, ehemals Umwelt- und Wirtschaftspolitiker, nun Weltsicherheitsspezialist, erkennen, wie das geht: Europa sei der Vegetarier unter den Weltmächten, klagte der Niedersachse. Und lenkte damit halbwegs geschickt vom Umstand ab, dass nicht Europa ein Vegetarier inmitten der Fleischfresser weltweit ist, sondern vor allem Deutschland ein
ein Vegetarier inmmitten Europas.

Dort nämlich regiert der Dissenz, reden alle aneinander vorbei, ist jeder der Ansicht, alle müssten doch letztlich einsehen, dass nur er die Lösung aller Probleme zum Patent angemeldet habe. Wenn Frankreich, Polen, Ungarn, Deutschland und Österreich nacheinander ans Rednerpult treten, klingt es, als redeten Vertreter aus verschiedenen Welten über verschiedene Wirklichkeiten.

Der beste Weg, um den Zusammenhalt des Kontinents zu stärken und die ganze Welt sicherer und schöner zu machen, ist jeweils der des Mannes oder seltener der Frau, der am Pult steht: Die Deutschen lehnen es ab, ihre Nato-Verpflichtung einzuhalten, zwei Prozent des BIP für ihre marode Bundeswehr auszugeben, wegen Hitler. Frankreich ist fest entschlossen, mindestens das Minimalziel zu erreichen, wegen Hitler. Polen setzt auf die Amerikaner, eine Garantiemacht gegen Hitler. Ungarn will Freundschaft mit Russland, wegen Hitler. Österreich warnt davor, auf diese Art auseinanderzulaufen. Die EU-Chefetage will Mazedonien, Albanien und perspektivisch wohl auch die Türkei aufnehmen. Großbritannien betont, dass es die EU verlasse, nicht aber Europa.

Abgesehen von Hitler


So viel negative Dialektik auf dem europäischen Festland sei nur schwer vermittelbar, heißt es in der NZZ. Deshalb wird nicht weiter darüber geredet. Sigmar Gabriel betont lieber, dass die EU "ein Instrument der europäischen Selbstbehauptung in der Welt" sei - eine EU, der augenscheinlich - abgesehen von Hitler - jede gemeinsame Vorstellung davon fehlt, was eine Gemeinschaft ist, was Europa, was ein Instrument und wie groß die Welt.

Stattdessen wird der Spuk weiter aufgeführt, in dem eine "größere Gemeinsamkeit" durch die Lande gespenstert. "Ich sage ausdrücklich", sagt die Kanzlerin ohne rot zu werden, "mit der Wahl des französischen Präsidenten Emmanuel Macron ist noch einmal zusätzlich Schwung in die Europäische Union gekommen; und das wird uns stärken." "Schwung" und "EU", das sind nun eigentlich zwei Dinge, die zusammenpassen wie "Merkel" und "Leidenschaft" oder "Spiegel" und "Journalismus". Doch knappe zwei Jahrzehnte nach der europäischen Einigung auf die "Lissabon-Strategie", die Europa schon bis zum Jahr 2010 zum "wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt" machen sollte, haben sich die Vegetarier wie die Fleischfresser, die Amtierenden wie die Demonstrierenden daran gewöhnt, dass es besser ist, nicht zu widersprechen.

Jeder macht einfach, was er will, mit Schwung. Der Rest ist eine Illussion.

2 Kommentare:

  1. Tolles Europa der Regionen ist das auf dem Bild! Hat man das geographisch oder nach "Standorten" sortiert? Und nach welcher Geographie, wenn so viel Kleinasien dabei ist?
    Regionen ohne Franken, Schwaben und Westphalen sind keine, und ob man z.B. die Liven berücksichtigt hat, kann ich nicht erkennen, dazu ist das Bild zu klein.
    Völker und Stämme spielen wie immer keine Rolle.

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  2. Bei Schotten und Iren punkte ich allweil mit: My tribe is Hermundure - Anglo-Saxons are my enemies. Deren folgende Huld ist unbezahlbar ...
    Meiner Gunst den Serben gegenüber verdanke ich beim Griechen daumendicke Schnitzel vom Durchmesser einer Langspielplatte, sowie 5-8 Ouzo für lau.
    Aber es gibt EIN Volk - da kann ich weder Wohlwollen empfinden, noch heucheln ...

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