Donnerstag, 8. Februar 2018

Knallhart: Was aus Schulz` Wahlkampf-Forderungen geworden ist

Ich liebe mich, du liebst mich nicht, aha.
Damals, vor einem Jahr, war der heute als Verweser der SPD fungierende Martin Schulz noch ein Mann in der Blüte seiner Machtgier. Schulz, nach mehr als zwei Jahrzehnten auf diversen Pöstchen bei EU, war aus Brüssel zurückgekehrt und auf eine niedergeschlagene Partei getroffen, die niemanden mehr hatte, der auch nur bereit war, für sie die nächste Wahl zu verlieren. Gleichzeitig aber hatte diese Partei auch keinen Posten übrig für einen Mann, der nach seinem Scheitern in Brüssel fest überzeugt war, dass er es verdient habe, weiterhin ganz vorn und ganz oben für die Sozialdemokratie zu streiten.

Schulz bewirkte ein Wunder. Er bescherte der SPD steigende Umfragewerte. Und er trat auf, als habe er schon lange einen Plan, was als nächstes passieren sollte: Schulz fordere eine längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I, er kündigte die Einführung einer Vermögensteuer an und nötig sei auch eine grundlegende Korrektur der Sozialreform Agenda 2010, die Gerhard Schröder, der letzte SPD-Kanzler, gegen den Widerstand seiner Partei durchgedrückt hatte.

Vater aller Fehler



"Fehler zu machen ist nicht ehrenrührig. Wichtig ist: Wenn Fehler erkannt werden, müssen sie korrigiert werden", sagte Schulz in Richtung Schröder, der ihm als Vater aller Fehler der SPD gilt. Es sei „nicht richtig“, wenn man im Alter von 50 Jahren nach 15 Monaten Arbeitslosengeld I schon Hartz IV erhalte, zudem sei das „unerträgliche Lohngefälle zwischen Männern und Frauen“ zu beenden. Feuerwehrleute, Polizisten und Rettungskräfte müssten auch mehr verdienten und die Rente müsse im Alter zu einem würdevollen Leben reichen. Nicht mehr weiter hinnehmen wollte Schulz auch den „Missbrauch von Leiharbeit“, die „Befristung von Arbeitnehmerverträgen ohne sachlichen Grund“.

Lieber wollte er eine „kostenlose staatliche Bildung und Betreuung von der Kita bis zum Studium“ gewähren, Zeiten der Weiterbildung nicht mehr auf die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes anrechnen, ein „Arbeitslosengeld Q“ einführen und die Gleichstellung über eine neue „Familienarbeitszeit“ voranbringen. Außerdem würde unter ihm als Kanzler die betriebliche Mitbestimmung auf Firmen mit europäischer Rechtsform (SE) ausgeweitet, eine Reform der Erbschaftsteuer vorangetrieben und ein höherer Spitzensteuersatz eingeführt, versprach Schulz, ehe er – da schon geschlagen – nachlegte: Bis 2025 müsse es die Vereinigten Staaten von Europa geben, wer nicht mitmache, fliege raus aus der EU.

Ein Tiger, ein Löwe, ein deutscher Dominator, der springt und fliegt und schließlich als Bettvorleger aus Makramee endet. Martin Schulz ist es binnen eines Jahres gelungen, aus einer 150 Jahre alten Partei, die zwar ihren Zweck, nicht aber ihren Glauben an sich selbst verloren hatte, ein verbittertes, verkümmertes und innerlich zerstrittenes Genossengebilde zu machen,  dessen Führungsspitze nur noch vom Wunsch scheinbar friedlich beisammengehalten wird, noch nicht von der Macht lassen zu müssen.

Flüchtige Wahlkampf-Ideen


Und nun zeigt der Koalitionsvertrag auch noch eine klare sozialdemokratische Handschrift: Von Schulzens Forderungen hat die SPD genau keine in ihre nächste Mitregierungszeit gerettet. Das ist wenig verwunderlich, denn über die meisten seiner Wahlkampf-Ideen hat Martin Schulz schon während der quälenden Sondierungsgespräche nicht mehr gesprochen. Keine Rede war von der "kostenlosen staatlichen Bildung und Betreuung von der Kita bis zum Studium", vom Arbeitslosengeld Q, von höheren Löhnen für Feuerwehrleute, der Reform der Erbschaftssteuer, von einer Ausweitung der Mitbestimmung und den Vereinigten Staaten von Europa.

In den Koalitionsverhandlungen hat es der Bettvorleger schließlich geschafft, auch noch den Rest ihrer Versprechungen abzuräumen: Kein Wahlalter ab 16, kein verbindlicher „Jugend-Check“ im Gesetzgebungsverfahren, keine Mindestausbildungsvergütung, keine Rede mehr von der Schaffung "digitaler Lern-Plattformen", von einer "Familienarbeitszeit für Pflegende", von der Einführung eines flächendeckenden Netzes aus Jugendberufsagenturen, von Schulzens "Berufsschulpakt", von einem vorgeschriebenen Frauenanteil von mindestens 40 Prozent in Führungspositionen auch staatlicher Firmen und Parteien, vom "Recht auf Nicht-Erreichbarkeit", vom stärkeren Kündigungsschutz für Betriebsräte, einer Weiterentwicklung der "Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsversicherung" (Schulz) und dem geplanten "Aufbau einer Batteriezellenfertigung in Deutschland".

Eine endlose Liste des Versagens, der leeren Versprechen. 355 mal steht „wollen wir“ im Koalitionspapier, 420 Mal „wir wollen“. Allein 189 mal wollen die Koalitionäre etwas "stärken", 173 mal reden sie von "Deutschland", nur schmale 71 mal hingegen von "Europa", einem Thema, das Schulz in seiner Abschiedsrede als Vorsitzender noch sagenhafte 43 mal zwischen den feuchten Lippen wälzte, während er "Deutschland" nur ein einziges Mal erwähnte. So ist der  "Stand" (168 mal erwähnt) laut  "KoaV" (167), auf den sich die "Menschen" (97) im "Rahmen" (96) der nächsten vier Jahren schon mal freuen dürfen, dass wir es "schaffen" (95).

Mister 100 Prozent von vor einem Jahr hat sich jetzt entschlossen, als Minister in Merkels Kabinett einzutreten, dem er eigener Aussage zufolge "nie" angehören wollte. Den SPD-Parteivorsitz hingegen wird er abgeben. In der Hitparade der kürzesten Amtszeiten aller Vorsitzenden langen seine zwölf desaströsen Monate hinter Hans-Jochen Vogel und Matthias Platzek auch nur zu Platz 3.

5 Kommentare:

  1. So ROT war SCHWARZ noch nie: Angela Merkel ist die beste Kanzlerin, die die SPD je hatte! Ein Kommentar von Claus Strunz.

    https://de-de.facebook.com/strunz.claus/posts/1921909547827785

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  2. Casper von MilzFebruar 08, 2018

    Ich hätte mir Chulz weiter als Parteivorsitzenden gewünscht. Mal sehen, was die Parteibasis der SPD so macht.

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  3. Ex-BDI-Präsident Henkel: „Als Außenminister kann Schulz nicht viel Schaden anrichten“

    https://de.sputniknews.com/politik/20180208319447426-hans-olaf-henkel-cdu-spd-martin-schulz-seehofer-aussenministerium-groko-ministerposten/

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  4. Carl GustafFebruar 08, 2018

    Früher wurden die Versager aus der Bundespolitik in die EU abgeschoben. Heute werden die EU-Versager in die Bundespolitik abgeschoben.

    @ Die Anmerkung: Mit Schulz hat Merkel wohl einen kleinen Antisemiten zum Außenminister gemacht. Wenn Henkel dann zu einer solchen Einschätzung kommt, scheint er den Bezug zur Wirklichkeit inzwischen auch verloren zu haben.

    Das werden dann keine Fettnäpfchen mehr sein, in die Schulz permanent treten wird, sondern schon ganze Ölwannen.

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  5. Die Dreierbande in Aktion.

    https://pbs.twimg.com/media/DVf8cCyW0AAGYK7.jpg

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