"Unsre Heimat, das sind nicht nur die Städte und Dörfer,
unsre Heimat sind auch all die Bäume im Wald.
Unsre Heimat ist das Gras auf der Wiese,
das Korn auf dem Feld und die Vögel in der Luft
und die Tiere der Erde
und die Fische im Fluss sind die Heimat.
Und wir lieben die Heimat, die schöne
und wir schützen sie,
weil sie dem Volke gehört,
weil sie unserem Volke gehört."
So sangen die Kinder im Kommunismus, der keiner war und niemandem ein Zuhause. Das war immer nur der Ort, die Gegend, das, was der Amerikaner "home" nennt, ein ungleich runderes Wort, das selbstverständlicher klingt als der deutsche Begriff Heimat. Dabei wurzeln beide Begriffe im selben gotischen Wort "Haims".
Die verletzte Unschuld
Wenn Amerikaner also ein Ministerium für "Homeland Security" gründen, ist das okay. Wenn eine Band aus Island ein Album "Heima" nennt, darf auch der aufgeklärte und durchglobalisierte Weltmensch das hören. Wenn aber im Namen eines deutschen Bundesministeriums das Wort "Heimat" auftraucht, geht die Internationale der Engstirnigen und Vorurteilsbeladenen steil: "Heimat" sei "kein politisch unschuldiger Begriff", man solle ihn deshalb doch besser "dem rechten Rand überlassen", schreibt Daniel Schreiber in der Hamburger "Zeit", einem Blatt, das sich mit der in Ostpreußen geborenen Marion Gräfin Dönhoff jahrelang eine Heimatvertriebene als Herausgeberin hielt.
Bei Schreiber, in Mecklenburg geboren und nach dem Verlust der Heimat erst in New York und dann in Berlin heimisch geworden, ist Heimat nun "eine Chiffre für Ausgrenzung". Wer eine Heimat hat, fühlt sich besser als der, der keine besitzt. Weshalb keine Rede davon sein könne, allen eine zu geben. Sondern sie besser allen zu nehmen.
Die Logik eines Heimatlosen, der voller Neid auf die schaut, die das haben was das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm 1877 definierte als „das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat“. Home is where the heart ist, wherever I hang my head, Heimat sind auch all die Bäume im Wald und die Fische im Fluß sind die Heimat. All das ist, singt es nicht eine Südstaatenrockband als "Sweet home Alabama", aus Sicht des polyglotten Tumblewee eine "unbestimmten Pathosformel", mit der "man wieder prima Kochbücher, Musik, Backmischungen, Getränke und Fernsehsendungen verkaufen" könne.
Die Heimatflucht der Tumbleweeds
Dabei sei "Heimat" nur ein "irrealer Sehnsuchtsort", so Schreiber, keine notwendige Beschreibung des „hämatli“ (gotisch haim-oÞli) als dem Ort, von dem weggegangen, aber auch zurückgekehrt werden kann, der aber immer „Heimat“ bleibt, weil er im Unterschied zu unzähligen anderen Orten der der eigenen Geburt, des eigenen Heranwachsens, des Verliebens, der Partnerfindung, des Hausbaus und der Nachwuchspflege ist. Heimat bedeutete im historischen Sinne auch, stets einen Anspruch auf Versorgung durch öffentliche Kassen zu behalten - wer in seiner Heimat alt wird oder krank wurde, der konnte sich darauf verlassen, sein Altenteil zu erhalten.
Daniel Schreiber nun ist zwischen italienischem Latte, norwegischem Zuchtlachs und mexikanischem Pique Macho aufgefallen, dass "Menschen immer dann über Heimat reden, wenn sie glauben, so etwas wie Heimat verloren zu haben". Das Sprechen über Heimat sei ein Symptom – ein Symptom für kollektive Entwurzelungsgefühle und für den vermeintlichen Verlust kultureller und regionaler Identitäten, die der "Zeit"-Autor für eine "Begleiterscheinung des Nationalgedankens, der im damals zersplitterten Kleinstaatendeutschland aufkeimte", als habe es regionale Identitäten als Franke, Bajuware, Sachse, Preuße oder Schwabe nicht schon unendlich viel länger gegeben.
Aber was nicht zur These des rechtsextremen Gehalt des Wortes "Heimat" passt, wird hier zielgerichtet passend gemacht. Schreiber hält das Wort Heimat für einen Ausdruck von "vor- und antimodernen Ideen", einen Begriff, der "den Ort einer rückwärtsgewandten Sehnsucht" bezeichnet.
Heimat - schuldig nur auf Deutsch
Überraschend daran ist, dass das offenbar exklusiv nur geschieht, wenn er auf Deutsch benutzt wird. Das luxemburgisch "doheem", das rumänische Acasa, das kroatisch Dom oder das hawaiianische i ka hale, sie erscheinen unverdächtig und unrechtsextrem, weil sie weder Auschwitz noch Hitler, weder den 2. noch den 1. Weltkrieg ausschwitzen können.
Im Deutschen aber ist der Begriff so giftig wie "Vaterland" oder jenes "Volk", auf das Minister, Bundespräsidenten und Kanzler schwören und dem im Kommunistenlied noch die ganze "Heimat" gehörte. Heute tritt an seine Stelle die "Bevölkerung", deren "Vaterlandsliebe" auf akrobatische Art beweglich ist. "Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort", das alte Hannes-Wader-Lied beschreibt das Ideal der Tumbleweed-Welt, die den Kämpfern an der Heimatfront vorschwebt: der Wind weht, der Mensch kommt und geht, er hat "keine Heimat" (Annette Humpe) außer der, sich überall ebenso schnell zurechtfinden wie verschwinden zu können.
"Zuhause" ist das neue Heimat
Dabei ist dem Syrer allerdings Heimat zu gönnen und dem Afrikaner als solchem darf die Heimat auch nicht durch diversifizierte Heimatfilme fortgenommen werden. Für Deutschland hingegen stellt sich die Lage, von Hamburg aus gesehen, anders dar. Weil Heimat "der zentrale begriffliche Baustein der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie" war, so Daniel Schreiber, und die DDR als zweite deutsche Diktatur den "Heimatkunde"-Unterricht zur ideologischen Indoktrination nutzte, darf von Deutschland nie wieder eine Heimat ausgehen. "Heimat hat noch nie existiert, ohne dass sie politisch instrumentalisiert worden wäre", instrumentalisiert der 40-Jährige die Heimatdiskussion zur unverhohlenen Werbung für sein Buch "Zuhause: Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen".
Zuhause passt. Es ist schließlich ein Wort, von dem die Bevölkerung mehrheitlich nicht weiß, ob es klein und auseinander oder groß und zusammen oder klein und zusammen oder groß und auseinander geschrieben wird.
Der Au-Tor kennt also jemanden, der im Kommunismus lebte und Lieder sang.
AntwortenLöschenWo und Wann war das?
@teu: ich hätte gerade bei dir nicht gedacht, dass da nachhilfe notwendig ist. nach lenin war der sozialismus die erste, niedere phase der kommunistischen gesellschaft, gekennzeichnet durch die sogenannte diktatur des proletariats. die zweite, höhere war dann der kommunismus, gekennzeichnet durch die klassenlose gesellschaft. oder für kinderzeitungsleser: die übergangszeit zwischen kapitalismus und kommunismus wird als sozialismus bezeichnet, ist aber nach marx nicht mehr dem kapitalismus zugehörig, sondern bereits dem kommunismus
AntwortenLöschenVerehrter Blogwart, einer Zecke mit Vernunftargumenten, oder auch und erst recht feiner Ironie, beizukommen, gleicht dem Versuch, einem Frosch die vier Grundrechenarten beizubringen.
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