Das zeigte der sogenannte Russenfilm: Helden, die mit bloßen Händen ganze Panzerarmeen stoppten. |
Nach der Nacht der langen Fressen an der SPD-Basis mehren sich die Zeichen, dass es den verbliebenen drei Parteien des demokratischen Blocks vielleicht doch nicht gelingen könnte, die nach einer Woche unter Schmerzen geborenen Ergebnisse der "Sondierungsverhandlungen" als Sieg aller Beteiligten zu verkaufen. Einerseits ruft sich die deutsche Sozialdemokratie zwar zum Gewinner aus, andererseits aber triumphieren auch die Funktionäre der Union.
Von außen betrachtet hat die Gesamterzählung ein Maß an Widersprüchlichkeit erreicht, das nur noch in der DDR sozialisierten Bürgern bekannt vorkommt. Dort gab es die berühmte Kunstform des sogenannten "Russenfilms", ein Metier, in dem Drehbuchautor, Regie und Schauspieler zumeist nicht einmal behaupteten, es gälte, einen inneren Zusammenhang, nachvollziehbare Motivlagen oder eine grob sinnvolle Handlung abzubilden. Stattdessen zeichneten sich echte Russenfilme durch eine zielstrebige Beliebigkeit der Handlung aus, die zugunsten der jeweils zu tätigenden Heldentaten auf jede Logik zu verzichten bereit war. Der politische Alltag mutet unterdessen ähnlich an, ein Russenfilm, wie ihn das Internetlexikon Wikipedia mit Hilfe von PPQ bereits vor Jahren grundsätzlich definierte.
Das gibt es in keinem Russenfilm
Danach stammt die zu DDR-Zeiten gebräuchliche Formulierung "das gibt es in keinem Russenfilm" - in der Regel gesprochen wie "das gibs in keim Russenfilm" - keineswegs aus dem Munitionsgurt eines Filmkritikers, sondern wurde im wirklichen Leben angewendet. Nämlich genau dann, wenn die Realität ein Maß an offenkundiger Inszenierung aufwies, das sie für jeden Besitzer von Resthirn völlig unglaubwürdig machte.
Mit dem Ende des Kalten Krieges verschwand die Formulierung aus dem Sprachgebrauch, weil es nun keinerlei Anlass mehr gab, behördliche Angaben anzuzweifeln. Niemand log, niemand betrog, es gab keine allmächtige Stasi mehr und keinen Grund, zu glauben, dass Macht nicht transparent ausgeübt werde.
Die Formulierung "das gibt es in keinem Russenfilm" wurde so zusehends selbst rätselhaft. Kaum eine Quelle verweist noch auf Ursprung und Bedeutung, kaum ein älterer Mensch vermag es noch, nachwachsenden Generationen den mittlerweile komplett sinnentleerten Begriff zu erklären, der einst verwendet wurde, wenn die Darstellung eines Ereignisses "um der propagandistischen Wirkung willen derart haarsträubend ist, dass sie an Geschehnisse in eben jenen komplett absurden Russenfilmen erinnert".
Kurz gesagt: Heute würde man vielleicht eher sagen "das gibt es in keinem Spiegel-Artikel", wenn denn noch ein Bedürfnis bestünde, die Realität zu verstehen.
Danke an Die Anmerkung für den Hinweis.
Zum Stichwort Russenfilm: ein Flüchtling, der 27jährig Syrien verlässt und 17jährig Deutschland erreicht. Das gibt es in keinem Russenfilm.
AntwortenLöschenUnd Pierre Vogel mag er auch (http://www.bild.de/politik/inland/kika/fluechtlingsdoku-was-gefaellt-mohammed-an-der-seite-eines-hasspredigers-54463916.bild.html)
@ Die Anmerkung: Ich mag die Käs'köppe wohl leiden, sogar mochte ich sie, als ich noch so vor 16 Jahren an den Sinterklaas glaubte, der 11 Millionen Büroklammern mit elektrischem Strom umgebracht haben soll.
AntwortenLöschenJa, es ist verstörend, daß es nur der Broiler, das Sandmännchen und Pittiplatsch in die Neuzeit geschafft haben, nicht aber farbige Metaphern, die heute keiner mehr versteht, weil kaum noch jemand Russenfilme schaut und deshalb auch niemand diese Metaphern nutzt, denn farbige Metaphern sind nur dann zu etwas nütze, wenn sie auch verstanden werden.
AntwortenLöschenObwohl auch in Hollywoodfilmen erstaunliche Leistungen vollbracht werden, habe ich lesen dürfen, dürch einen einzelnen Shermanpanzer, zum Beispiel.
Es ist aber eine anerkennenswerte Leistung, darum einen ganzen Artikel zu basteln, ungefähr wie jemand, der einen Aufsatz über Kolumbus schreiben soll, die Seiten aber damit füllt, über die Bordverpflegung zu berichten, weil er keine ahnung hat, was Kolumbus eigentlich verzapft hat.
"Schappi!", wie der intellektuelle Kommentator schreiben würde, zu denen ich aber nicht gehöre.