Mit der Erklärung von Jerusalem zur israelischen Hauptstadt schafft der „irre“ (FR) US-Präsident Donald Trump einen gefährlichen Präzedenzfall, urteilt der Völkerrechtler Isidor Eisemann. Im Grunde, sagt er, habe sich der Nahost-Konflikt zuletzt nur noch darum gedreht, das Existenzrecht Israels gegen die Forderung nach einem eigenen Palästinenserstaat auf demselben Grundstück zu behaupten, die die Nachkommen der Bewohner des früheren britischen Mandatsgebietes erheben. "Alles war auf einem guten Weg, bis Trump kam."
Das sei gelungen, weil die Palästinenser nicht so können, wie sie wollen, und die Israelis nicht so machen, wie sie könnten. Nun aber grätscht der notorische Unruhestifter Trump in den Friedensprozess, der seit fast 80 Jahren so viele Hoffnungen weckt. Kurz bevor sich der schon so lange hervorragend entwickelnde Prozess in einem endlosen Frieden niederschlagen konnte, sorgt diese Entscheidung für neuen Streit.
Professor Isidor Eisemann, Jahrgang 1911, ist ein deutsch-japanischer Völkerrechtler an der Hochschule für gemeines Recht in Palau. Er berät Regierungen, staatliche Einrichtungen und internationale Unternehmen in völkerrechtlichen Fragen, warnt aber immer auch vor den Folgen - etwa für die Zukunft, den geplanten EU-Staat und den Fortgang der Verhandlungen über das deutsche Glyphosat-Verbot. PPQ befragte den Experten zu aktuellen Fragen zur Zulässigkeit der Hauptstadtproblematik im Nahen Osten.
PPQ: Herr Professor Eisemann, verstößt US-Präsident Donald Trump mit der Verlegung der US-Botschaft in Israels Hauptstadt Jerusalems gegen das Völkerrecht?
Eisemann: Ja, ganz eindeutig. Präsident Trump verstößt zum einen gegen die Uno-Resolutionen zum Status von Ostjerusalem, die die arabischen Staaten nie anerkannt haben. Und er verstößt zum anderen gegen das Völkergewohnheitsrecht, nach dem eine übereinstimmende gemeinsame Rechtsüberzeugung genauso gut ist wie geschriebenes Recht. Das es an dieser gemeinsamen Überzeugung hier sei 1945 mangelt, weil Jordanien einen Teil Jerusalems eroberte, während Israel den anderen besetzte, ehe es dann auch den jordanisch besetzten annektierte, ändert daran nichts. Indem der US-Präsident diese Realitäten anerkennt, stellt es sich gegen die allgemeine Überzeugung, dass eines Tages alles gut werden wird, wenn man nun weiter auf den Tag wartet, an dem es passiert.
PPQ: Die Kanzlerin hat sich diese Haltung ausdrücklich nicht zu eigen gemacht. Wird Trump nun umsteuern?
Eisemann: Ob er das tut, das ändert nichts daran, dass er durch seine Kumpanei mit Israel Völkerrechtsbrüche anerkannt hat. Nur weil die arabischen Staaten die UN-Resolution, die Jerusalem unter internationale Verwaltung stellen wollte, nie anerkannt haben, meint Israel, sie nun seinerseits nicht anerkennen zu müssen. Die USA übernehmen jetzt diese Position. Deutscher Druck, auch Druck der EU, kann da helfen.
PPQ: Trump argumentiert, er erkenne nur die Fakten an. Schließlich sitzen Israels Regierung und Parlament seit Jahrzehnten in Jerusalem.
Eisemann: Das ist ein ganz schwaches Argument. Fakten schaffen kein Recht. Als Deutschland damals Slowenien und Kroatien anerkannte, weil die sich von Jugoslawien losgesagt hatten, entstanden dadurch zwei neue Staaten. Aber ob das rechtens war? Man stelle sich nur vor, die EU würde die Türkei in die Nato aufnehmen oder Geschäfte mit der Türkei machen, obwohl das Land seit 1974 einen Teil des EU-Landes Zypern widerrechtlich besetzt hält! Unvorstellbar. So etwas müssen Verträge regeln, wie im Fall der Gründung des Staates Kosovo in beiderseitigem Einvernehmen.
PPQ: Aber haben souveräne Staaten nicht das Recht, selbst über ihre Hauptstadt zu bestimmen?
Eisemann: Ein Staat kann nur über das Gebiet entscheiden, das ihm völkerrechtlich zusteht oder über das er wie etwa der Kosovo die Verfügungsgewalt hat, ohne dass die EU etwas dagegen einzuwenden hat. Deshalb wurde Pristina völlig zurecht Hauptstadt des Kosovo und Jerusalem nicht die von Israel, aus europäischer völkerrechtlicher Sicht. Nur Frankreich, Großbritannien und die Niederlande konnten die Reste ihrer mit Feuer und Schwert eroberten einstigen Kolonialreiche zu sogenannten "Überseegebieten" erklären, ohne jemanden zu fragen. Für Israel ist das nicht möglich.
PPQ: Israel behauptet, sie seien damals zuerst dort gewesen, hätten die Stadt sogar gebaut.
Eisemann: Völkerrechtlich ist das irrelevant. Halb Deutschland hat bis zu den Massenmorden von Heinrich I. irgendwelchen slawischen Stämmen gehört. Den Opfern und ihren Familien hat der Bund bis heute nicht einmal eine Entschädigung für die damals zerstörten Knüppelburgen gezahlt.
PPQ: Was ändert sich denn rechtlich für die Palästinenser in Ostjerusalem?
Eisemann: Praktisch müssen sie jetzt aufgeregt sein, protestieren und erklären, dass sie sich niemals damit abfinden werden. Eigentlich aber geht es dabei um Rituale, die schon so abgeschliffen sind, dass sie niemand mehr ernst nimmt.
PPQ: Welche Möglichkeiten haben denn die Palästinenser oder andere Staaten, gegen die Anerkennung vorzugehen?
Eisemann: Sie können den Fall zum Beispiel vor die Uno-Generalversammlung bringen. Der Versuch, die arabischen Länder zu mobilisieren und in den Krieg gegen Israel zu ziehen, ist ja bisher immer schiefgegangen. Viele Gebietsverluste entstanden erst dadurch, aber das darf gerade im arabischen Raum niemand anerkennen, dabei würde er sein Gesicht verlieren.
PPQ: Woher nimmt denn Trump die Frechheit, gegen den Willen aller anderen Länder eine solche Entscheidung zu treffen? Wenn Israel sein Recht auf Jerusalem nur daraus ableitet, dass die arabischen Länder zuerst angegriffen haben und als Kriegsverlierer eben auch Gebietsverluste hinnehmen müssen?
Eisemann: Die USA haben das selbst häufiger so gemacht, etwa im Krieg mit Mexiko. Aber auch Frankreich hat seinerzeit um 1680 herum aus der deutschen Stadt Straßburg, die Mitglied in beiden Rheinischen Städtebünden war, eine französische Stadt. Alle Versuche, sie zurückzuerobern, waren nicht dauerhaft erfolgreich. Das zeigt, dass ein Staat sein Herrschaftsgebiet gewaltsam erweitern kann und damit durchkommt, weil Realitäten irgendwann anerkannt werden. Angesichts dessen ist es lächerlich, dagegen zu argumentieren, dass andere Staaten nach einem gewissen Zeitablauf dasselbe recht für sich fordern.
Scharfzüngig wie immer........ ;-)
AntwortenLöschen".... der Friedensprozess, der seit fast 80 Jahren so viele Hoffnungen weckt!"
"... eines Tages [wird] alles gut werden, wenn man nur weiter auf den Tag wartet, an dem es passiert."
Ja - der heißgeliebte Nahostkonflikt. Eine Konstante in unserem Leben.
Und dass nun mittlerweile seit 79 Jahren (seit Israels Staatsgründung 1948) bzw. seit 100 Jahren (seit Balfour-Deklaration 1917 als Garantieerklärung an die zionistische Bewegung, in Palästina eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ zu errichten u.a. durch massive jüdische Einwanderung von 80000 bis 90000 jährlich; seit 1920 Ausschreitungen, seit 1921 Kriegsrecht).
Der Nahostkonflikt - ist einfach nicht mehr wegzudenken, oder?
Er ist inzwischen eines der wichtigsten Denkmäler der Menschheit für konsequenzlose 'Friedensbemühungen' und die erfolglose Suche nach einer Konfliktlösung.
Und somit hat die UNESCO den Nahostkonflikt einstimmig zum Weltkulturerbe erklärt:
> http://www.der-postillon.com/2013/08/unesco-erklart-nahostkonflikt-zum.html
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AntwortenLöschenIch habe hier schon so manches mal (ungerechterweise, aber wir sind ja hier auf dem Satire-Board) negative Bemerkungen über Professoren abgelassen.
AntwortenLöschenHeute muss ich diese Spezies mal loben. Zumindest das Individuum „Stefan Talmon“
„Seit 1945 ist Konsens, dass ein Gebiet, das gewaltsam erobert wurde, nicht annektiert werden darf.“
Königsberg, Breslau, Danzig, Oppeln werden wieder deutsch. Dass ich das noch erleben darf ...
er ist auch satiriker, der meint das nicht so. als professor kommst du ja kaum dazu, mal über das nachzudenken, was du sagst
AntwortenLöschenIsidor, Isidor - heißt der nicht eigentlich Hans-Georg? Und vom bloßen Anblick dieser Flappe wachsen einem glatt Bejkeles.
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Die Hauptstadt des Heiligen Landes ist Reykjavik, von Ingolf Arason gegründet.
AntwortenLöschenDa können Lisa und David oyvey schrayjen, soviel sie mögen.
Die Existenz von Staaten, hat man mich gelehrt, ist nicht von "Anerkennungen" abhängig, sondern von der normativen Kraft des Faktischen. Als Beispiele wurden Kroatien, die RSI, die Münchener Räterepublik, für lange Zeit die DDR und sogar das Principal of Sealand angeführt.
AntwortenLöschenVon der Anerkennung von Hauptstädten habe ich jetzt zum ersten Mal gehört.
Als souveräner Staat hätte ich eine Hauptstadt, so ich eine haben will, und würde mich wenig darum scheren, ob andere sie anerkennen, ernennen oder ihre Botschaften nach Kyritz an der Knatter verlegen.
An Volker: Ich dachte, die wurden befreit.
AntwortenLöschenabchasien, bergkarabach, südossetien und transnistrien existieren nicht nur ohne anerkennung der hauptstadt, sondern faktisch sogar, ohne dass es sie gibt
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