Donnerstag, 2. November 2017

Verwertungskette: Der Kapitalismus frisst seine Kritiker


Der kapitalismuskritische Anarcho-Film im kapitalistischen Sondeangebot: Humor hat er, der Kapitalismus.
Wenn es ums Überleben geht, ist jedes Mittel recht. Ein waidwunder SPD-Chef, ein leben lang genährt vom kapitalistischen System, das ihm ein Leben ohne Arbeit sichert, wird plötzlich zum Kritiker der Verhältnisse. "Wir müssen wieder Mut zur Kapitalismuskritik fassen", versucht der Mann aus Würselen den Schritt zurück zum Arbeiterführer. Sinn oder nicht Sinn, egal. Hauptsache ist jetzt, von vorn zu führen, niemanden mit Kritik an Ausrichtung und Strategie zu Wort kommen lassen, indem man jede denkbare Taktik und jede mögliche Strategie einfach selbst ins Spiel bringt.

Auf den Kapitalismus, früher von der SPD auch gern "gierige Manager" (Müntefering) genannt, ist das immer gut dreinschlagen. Der Kapitalismus, nach 2000 Jahren Zeitrechnung weltweit einziges nicht endgültig gescheitertes ökonomisches System, wehrt sich nicht. Er hat das nicht nötig, weil er weiß, dass sie alle in ihm leben müssen: 13.000 Unternehmen allein im Besitz der Bundesländer und mehrere tausend Unternehmensbeteiligungen des Bundes, die SPD mit ihrer Medienholding Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft und ihrer hongkonger Offshorefirma Cavete Global Ltd., das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das mit privaten Sendern kooperiert und ein großer Mitspieler auf dem Markt der Sportrechte ist.

Niemand kommt ohne Kapitalismus aus, nicht einmal Anarchos wie Martin Schulz, der im Kampf um seinen Platz an der Parteispitze zum Maschinensturm ruft. Und nicht anarchistische Filmprojekte, die "Chancen für selbstbestimmte Lebensweisen in der realen Welt ausloten", wie die Macher des Filmes "Projekt A" ihre "Reise zu anarchistischen Projekten in Europa" selbst beschreiben.

Wo Schulz im Jahr 100 nach der großen sozialistischen Oktoberrevolution noch die Abkehr vom kapitalistischen Wirtschaften predigt, ohne zu wagen, den Sozialismus als einzige Alternative zu nennen, sind die Dokumentarfilmer Marcel Seehuber und Moritz Springer schon einen Schritt weiter. Anarchismus als Versuch kollektiven Handelns außerhalb der Verwertungsketten des Systems wird hier als Ausweg gepredigt. Alles ist "selbstbestimmt" und "nachbarschaftlich", "anarchosyndikalistisch", "antimilitaristisch", "antiatom" und "kooperativ".

Nichts davon könnte seinen Mann ernähren, auch nicht seine Frau, schwämme es nicht wie ein flockiger Schaum auf den tiefen Wassern der kapitalistischen Wirtschaft mit ihrer Tausch-gegen-Geld-Mechanik, dem universellen Ansatz, dass jede Nachfrage einen Markt und jeder Markt einen Anbieter schafft. Selbst das anarchistische Gebet vom Kapitalismusssterbendamitwirlebenkönnen landet in der gnadenlosen Verwertungskette des Wirtschaftssystems, das Martin Schulz so gern abschaffen würde.


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