Es sind dieselben Bilder, seit Jahren. Brennende Tribünen, gestürmte Ränge, vermummte junge Männer, die sich einen Spaß daraus machen, den Staat vorzuführen. Hinetr dem Mikrophon der Sender, die die Ausschreitungen live übertragen, überforderte Kommentatoren, die klingen wie Martin Schulz. Draufhauen, wegsperren, sich das nicht mehr bieten lassen.
So geht der Sermon seit Jahren, Jahren und Jahren. Ohne dass sich je etwas ändert. Die selbsternannten Ultra-Gruppen - junge Männer mit einem aus Langeweile geborenen Hang zur Selbstdarstellung - halten den Fußball in Geiselhaft. Der Staat, der seine Grenzen nicht schützen, seine Bürger nicht selbst auswählen und seine Firmen nicht zur Einhaltung geltender Gesetze zwingen kann, steht ratlos daneben und bestaunt die Anarchie, die die sich beim Pokalspiel des FC Hansa Rostock gegen Hertha BSC nicht sehr unterscheidet von den Ausschreitungen beim G-20-Gipfel in Hamburg.
Hände hoch!
Hände hoch! Ich ergebe mich. Das ist die Botschaft, die aus dem Ostseestadion in die Wohnzimmer flimmerte. Während ein paar Vermummte Fahnen, Schals und Sitzschalen in Brand setzen, steht die Staatsmacht fünf Meter entfernt und schaut zu, schwer gepanzert, bewaffnet und einsatzbereit. Die Ausschreitungen waren angekündigt, die Einsatzleitung der Polizei, die Vereinsführungen, der DFB, die Innenministerin wussten, was passieren wird.
Aber irgendetwas hindert sie seit Jahren, gegen die kriminelle Szene der selbsternannten Fußball-Taliban vorzugehen. Die fühlt sich ermutigt von der fehlenden Gegenwehr eines Staatswesens, das wie paralysiert wirkt. Der Fußball, das Milliardengeschäft, liegt in den Händen einer Kamarilla aus egomanischen Kriminellen, die Spiele durchführen lassen, oder auch Abbrüche provozieren können, wie sie wollen. Grüppchen von krankhaft um Aufmerksamkeit buhlenden Möchtegern-Fans protestieren gegen "Kommerzialisierung", gegen "Retortenvereine" und die "Fußballmafia DFB" - und sie agieren dabei selbst wie eine mafiaähnliche Organisation: Clandestin, bewaffnet und aufgrund der Angst des Staates vor einer Auseinandersetzung weitgehend vor Strafverfolgung geschützt.
Dresche für die Säcke
Danach kommt immer der Katzenjammer. Die Vereine, die nicht wissen, was sie gegen den gewalttätigen eigenen Anhang mit zu viel Tagesfreizeit machen sollen, heben die Hände. Jahrelang schon ließen Staat und mächtiger Fußballverband kleine Klubs wie den Halleschen FC allein mit der Aufgabe, eine Bande von Durchgedrehten einzufangen, die in den letzten anderthalb Jahrzehnten hatte lernen dürfen, dass es keinen Grund mehr gibt,Respekt vor staatlichen Institutionen zu haben.
Das erinnert an die Situation in den Wendejahren der DDR, als jeder sich die Straße und die Kurve nehmen konnte, der nur bereit war, die Faust aus der Tasche zu ziehen und notfalls auch einem Uniformierten auf die Nase zu schlagen. Ratlos standen damals die grünuniformierten Volkspolizisten vor den außer Rand und Band geratenen Fußball-Fans, ebenso ratlos stehen heute die gepanzerten Einsatzkommandos der BFE in ihren schwarzen Kostümen vor den entfesselten Jungmännern mit ihren Balaklavas in Vereinsfarben.
Der DFB, größter Sportverband der Welt, demokratisch wie Nordkorea und politisch bis ins Kanzleramt vernetzt, ist stets bemüht, Schuldige außerhalb seiner Bürofluchten zu finden. Sportgerichte treten zusammen und dreschen konzentriert auf Säcke ein, aus denen die Täter längst entwichen sind.
Der Staat aber, an dem es wäre, dem kriminellen Treiben auf den Rängen Einhalt zu gebieten, duldet die rechtsfreien Zonen in den Kurven. Der Innenminister schweigt. Medien gehen auf die Suche nach denen, die vorher etwas wussten. Und szenekundige Berichterstatter, die normalerweise hinter jedem hirntoten Aufmarsch von zwölf Jack-Wolfskin-Nazis die Wiedergeburt Hitlers wittern, loben den Terror als "feuriges Spiel" (Sören Kohlhuber).
Fans, die Pyro zünden, sind nämlich "mehr Fans, als die Hoschis, die bei einer anbahnenden Niederlage vor dem Ende das Stadion verlassen".
https://www.welt.de/sport/article167717884/DFB-schafft-Kollektivstrafen-fuer-Fussballfans-ab.html
AntwortenLöschenÜberraschende Wende DFB schafft Kollektivstrafen für Fußballfans ab
Stand: 13:25 Uhr | Lesedauer: 2 Minuten
„Der DFB empfiehlt seinem Kontrollausschuss, bis auf Weiteres darauf zu verzichten, Strafen zu beantragen, die unmittelbare Wirkung auf Fans haben, deren Beteiligung an Verstößen gegen die Stadionordnung nicht nachgewiesen ist“, sagte Grindel am Mittwoch. Damit kommt der DFB einer der zentralen Forderungen der Ultraszene nach, der Kontrollausschuss dürfte der Empfehlung zustimmen.
Im alten Rom musste das Volk noch durch Brot und Spiele ruhig gehalten werden. Heute genügen nur noch Spiele.
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