Montag, 28. August 2017

Doppeleinhorn: Der stille Tod eines unheilvollen Symbols

Schamlos: Wo eine Kamera ist, findet sich auch ein Politiker, der sich davorstellt - selbst mit einem Plüschtier.
Der Twitter-Account ist noch da. Er hat inzwischen stolze 313 Gefolgsleute, die zuschauen, wie das Doppeleinhorn "junge Menschen vor Hass und Hetze im Netz zu schützt". Oder schützte, denn seit dem 24. August ist gänzlich Stille eingezogen beim vielleicht irrsinnigsten Volkserziehungsprogramm der vergangenen Jahre. Mit 60.000 Euro aus dem Bundesprogramm „Stärkung der digitalen Zivilgesellschaft und der Demokratie“ - einem Geldtopf, der allein in diesem Jahr mit 100 Millionen Euro gefüllt wurde - schickte das „Mediennetzwerk SaarLorLux“ die hässliche Mischung aus Schwein und Stier aus, um "Menschen direkt anzusprechen und sie zu ermutigen, sich am Diskurs zu beteiligen".

Der klappte natürlich nicht, weil plumpe Propaganda höchstens bei vergnügungssüchtigen Hetzern auf fruchtbaren Boden fällt. Die folgen dann dem Doppeleinhorn und lesen dessen Internetseite, um darüber zu staunen, für wie blöd Initiatoren solcher Aktionen die Menschen halten, für die sie tätig zu sein vorgeben.

In der "Stunde der Profiteure des Kampfes gegen Fake News und Hate Speech" (Heise) stand das Doppeleinhorn als Symbol genau richtig. Es verkörperte die Verachtung selbsternannter Eliten gegenüber denen, die nicht dazugehören. Es belegte, dass Meinungsfreiheit manchen Politiker nichts gilt, weil viele das Konzept der frei zu äußernden Meinung nicht verstanden haben. Und die völlig fehlende Resonanz der anvisierten Zielgruppe auf die hilflosen Bemühungen der hauptamtlich Engagierten, sie umzuerziehen, bewies, dass mutmaßlich auch 500 Millionen, eine Milliarde oder zehn Trillionen Fördermittel keine "Stärkung" einer "Zivilgesellschaft" (Schwesig) bewirken können, so lange deren Verständnis von sich selbst anders aussieht als das, das die Geldverteiler in Wahlämtern gern hätten.

Das Doppeleinhorn verbreitete Fake News wie "es heißt Grundrecht auf Meinungsfreiheit und nicht Grundrecht auf Scheißelabern", behauptete bei Widerspruch aber trotzig, so stehe das im Grundgesetz. Bis nun, plötzlich, nach PPQ hatte heise.de kritisch über das bizarre Projekt berichtet, der Stecker gezogen wurde: Am 24. August verstummte das Doppeleinhorn auf Twitter, natürlich mit heißem Dank an eine Landtagsabgeordnete, die sich nicht zu schade war, sich mit einem Plüsch-Doppeleinhorn fotografieren zu lassen, um "junge Menschen vor Hass und Hetze im Netz zu schützen". Am 25. August präsentierte sich das "Doppeleinhorn" bei Facebook noch im Kreis des saarländischen Ministers Ulrich Commerçon und seiner Staatssekretärin Christine Streichert-Clivot. "Gemeinsam setzen wir ein Zeichen gegen Hass und Hetze im Netz", wurde ein Foto beschrieben, das zwei wohlgenährte Funktionäre mit einem wohlgenährten Plüschtier zeigt.

Am Tag danach war die doppeleinhorn.org-Seite verstorben, nicht mehr erreichbar, aus der Welt gerutscht. Obwohl die absolute Meinungsfreiheit noch lange nicht restlos durchgesetzt ist, scheint das Geld alle, um weiter Unsinn, Quatsch und Hetze ins Nichts hinauszusenden.

Weder bei Twitter, wo stolze 309 Follower auf ein Lebenszeichen der Fantasiefigur warten, die wie keine andere für das Ende einer offenen Debattenkultur steht, noch bei Facebook, hat das Doppeleinhorn seinen Abschied bislang kommentiert.


7 Kommentare:

  1. Wie verräterisch das alles ist - ob wohl das Unterbewusste für ein solches Symbol verantwortlich war? Ich meine, deutlich steht ein "Doppeleinhorn" doch für (verordnetes) Zwiedenken ("Doppeldenk"). Akzeptiere das offensichtlich Widersprüchliche, wenn es im Sinne der Partei ist!

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  2. Ömmm, nein, Stand jetzt (28.08.2017, 14.04 Uhr) ist die Seite online.
    Diesmal mit einer Bezugnahme auf § 5 GG.

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  3. neger und klippschülersymbol - kann in den müll

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  4. Es gab auch schon in der Vergangenheit Unterbrechungen von mehreren Tagen in der TL.

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  5. Es wäre ein ziemlich außergewöhnliches Ereignis, wenn Politiker Kampagnen zur Volkserziehung aufgäben. Derlei war meines Erinnerns nur 1945 und 1989 beobachtbar. Und selbst diese deutlichen Beweise katastrophalen Scheiterns wurden sehr schnell ausgeblendet.
    So lange Mitläufer hinter Fahnen und Parteisymbolen zu versammeln sind, funktioniert auch das Geschäft der Propaganda, die den Herdenimpuls als Heilsgeschichte verkauft. Davon leben inzwischen nicht nur Regierungen und Parteien sowie deren dienstbare Medien, sondern auch zahllose "NGO".
    Da gegen Schwarm-Dummheit erwiesenermaßen kein Kraut gewachsen ist, wird der Einhorn-Schwachsinn vielleicht vergessen, aber unweigerlich vom nächsten übertroffen werden.

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  6. Werter Immo Sennewald,

    die Herde schützt das Individuum. Es ist also keinesfalls falsch, dem Herdenimpuls zu folgen und beispielsweise zu fliehen, wenn Gefahr droht. Hingegen verreckt das Tier, das aus der Herde ausgestoßen oder zurückgelassen wurde oder sich abgesondert hat, recht schnell, denn es ist des Schutzes der Herde beraubt. Eine Herde wird aber auch immer geleitet. In der Natur ist es der, die, das Wesen, das am Stärksten, Zähesten, Klügsten und Erfahrensten geschafft hat, diesen Platz zu erobern. Also nichts gegen die Herde.

    Daß der Herde eingeredet wird, die Nullen an der Spitze wären wertvoll, wüßten den richtigen Weg und wollten für die Herde das beste, ist nicht die Schuld der Herde.

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  7. Der NS hat nicht versagt (ich sage nicht, daß ich ihn durch und durch zum Entzücken fände, und auch nicht, daß er nicht später hätte versagen können) - er wurde in einem aufgezwungenen unredlichem Streit zur Sau gemacht.

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