Donnerstag, 13. Juli 2017

Neue Terrorwelt: Mehrheit lebt weiter in der alten

Klatschnass, aber total trocken: Die Hälfte der Deutschen hat keine Angst.

Terror, Tote, Angst: Haben die Terroristen in Deutschland ihr Ziel erreicht, die Menschen in Verunsicherung zu stürzen und gar Einfluss auf ihr Leben zu nehmen? Viele machen sich Sorgen, doch erstaunlicherweise hat mancher bisher überhaupt nicht mitbekommen, wie sich unsere Welt verändert hat. Eine Verdrängungsleistung, die an aufgestellte deutsche Ignoranz-Weltrekorde erinnert.


Nach den Terroranschlägen der vergangenen zwei Jahre fühlt sich nicht einmal jeder Zweite in Deutschland unsicherer als zuvor. Das ergab eine Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der staatlichen Deutschen Presse-Agentur. Tendenziell ist die Furcht im Osten etwas größer, hier sind immerhin 53 Prozent der Bürger beunruhigt. Im Westen dagegen hat nur jeder Zweite überhaupt bemerkt, dass Deutschland ein ganz anderes Land geworden ist. Frauen reagierten hier sensibler als Männer. 57 Prozent fühlen sich etwas oder deutlich unsicherer, bei den Männern ist es nur eine Minderheit von 44 Prozent.

Realität kann  Menschen nicht erschüttern


Volksfeste, die mit Betonpollern terrordicht abgesperrt werden, Hass auf vermeintlich hasserfüllte Meinungsäußerungen im Internet, Facebook-Löschungen, Bombenanschläge, erhöhte Überwachung aller Lebensäußerungen - 40 Prozent der Befragten - 46 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen - kann das alles nicht erschüttern. Ihr Sicherheitsgefühl ist unverändert, als habe es die Anschläge von Paris, Brüssel und Nizza nicht gegeben, als hätten sich nicht zahlreiche Parameter des öffentlichen Lebens geändert, als habe der Terror im vergangenen Jahr nicht auch Deutschland erreicht.

Keine Panik! Aber was sind das für Leute, die Veränderungen in ihrer Umgebung überhaupt nicht wahrnehmen? Und warum sind es so viele? Wieso glaubt mehr als die Hälfte der Bundesbürger (56 Prozent), dass es zwar Veränderungen gibt, man aber eben gezwungen sei, zu lernen, "mit Terroranschlägen in Deutschland zu leben" (YouGov)?


Ein Rätsel. Zwar schätzen vier von fünf Befragten die künftige Anschlagsgefahr als hoch ein. 84 Prozent sehen eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass islamistische Extremisten in den nächsten zwölf Monaten in Deutschland ein Attentat verüben. Jeder Zweite rechnet mit rechtsextremen Anschlägen. 43 Prozent halten Gewalttaten seitens Linksextremer für möglich, womit vermutlich Taten von sogenannten Protestterroristen und Protestterroristinnen gemeint sind. 

Die Furcht wohnt im Osten


Die nacheinander von Nazidiktatur und sozialistischer Peitsche verheerten und intellektuell weitgehend entleerten Ostgebiete sind dabei noch weitaus optimistischer als der durchdemokratisierte Westen: Während im Osten 47 Prozent mit rechten Anschlägen rechnen, sind es im Westen 51 Prozent. Die Furcht vor einer Rückkehr der SED als autonomes Krawallkommando hingegen sieht der Osten dramatischer: 47 Prozent hier erwarten auch künftig Terrortourismus wie in Hamburg. In den alten Bundesländern dagegen rechnen nur 43 Prozent mit "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" (Bild) wie beim G20-Gipfel in Hamburg.

Auffallend: Immer ist es nur eine Minderheit, die mit einer Wiederholung dessen rechnet, was in den letzten zwölf Monaten immer mal wieder geschah. Analog zu diesem höchstoptimistischen Blick auf die Realität wünschen sich zwar 70 Prozent "mehr Maßnahmen gegen islamistische Gewalt". 30 Prozent aber sind der Meinung, die Bundesregierung tue allemal genug gegen den Islamismus. 43 Prozent finden, es reiche auch aus, was an Plakatkampagnen und Facebook-Löschungen gegen Gewalt von rechten Extremisten getan werde. Und 49 Prozent erachten sogar die bundesweit "völlig fehlenden" (Welt) Maßnahmen gegen Gewalt von Links ("Protestterroristen") als ausreichend an.

Aus so viel Vertrauen in eine Regierung, die bisher noch jedes Mal vollkommen überrascht war, wenn etwas passierte, was im vergangenen Jahr alleweil geschah, resultiert ein Verhalten, das nach Kräften versucht, die neue Wirklichkeit zu ignorieren. 62 Prozent aller Befragten gaben an, dass sie die gestiegene Terrorgefahr bei ihrer Urlaubsplanung nicht berücksichtigen. 71 Prozent gehen weiter wie früher auf Veranstaltungen mit vielen Menschen. Und 87 Prozent verlassen die Wohnung nach wie vor ohne Abwehrspray oder andere Verteidigungsmittel.

Erstaunlich, denn nur ein Viertel bewertet die eigene Wohngegend als sehr sicher, drei Viertel hingegen haben da so ihre Zweifel.



3 Kommentare:

  1. Sich zu wundern, dass die Deutschen weniger als erwartet Angst vor irgendwelchen Anschlägen haben, kann auch nur jemand, der den Hassbotschaften aus dem Netz anheim fällt. Hr. Maas tut gut daran, wenn er mittels gerechter Gesetzesregelung erwähnte Botschaften zurechtstutzt. Um die Realitätsverzerrung im www ein wenig geradezubiegen.

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  2. Angst? Nein, WUT!! Wut, die sich eines Tages vielleicht in ZORN entladen könnte.

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