Dienstag, 4. Juli 2017

Axt an der Wurzel: Macron zielt auf Europas Elite

Abschied vom Berufspolitiker: Frankreichs Emmanuel Macron will lebenslange Karrieren als Parlamentarier unmöglich machen.
Noch klingt das Klirren der Sektgläser nach, mit denen das alte Europa der eingesessenen Eliten den Wahlsieg des neuen französischen Präsidenten Emmanuel Macron gefeiert hat. Jung und smart und überaus gutaussehend war der Gründer der Partei En Marche gekommen, als die Nacht um die EU am tiefsten zu werden drohte: Marine Le Pen vor dem Sprung auf den Präsidentensessel. Unruhen in den Vorstädten, seit Jahren Ausnahmezustand und immer das Gejammer über die deutsche Dominanz. Macron machte dem ein Ende, er begeisterte alles in allem 7,5 der 66 Millionen Franzosen und zog triumphal in den Elyseé-Palast ein.

Endlich hat Deutschland wieder einen Verbündeten, einen starken Mann, mit dem man Europa umbauen kann, so jubelte es in deutschen Zeitungen. "Das Duo Merkel-Macron wirkt bereits", freuten sich Kommentatoren auf ein Doppel, das den gerade von Deutschen stets ersehnten starken Mann an der Spitze vielleicht zu vier Händen und mit zwei Köpfen ersetzen kann. Angela Merkel hat das Sitzfleisch und das gelegentlich auch flexible Beharrungsvermögen, wie sie gerade erst mit ihrer Entscheidung zu Abschaffung der Diskriminierungsehe gezeigt hat. Emmanuel Macron aber hat Ideen, wie sich das in gordischen Knoten verstrickte Europa schnell zu einem funktionalen Zentralstaat ohne übertriebene Konsensdiktatur umbauen lässt. Eine gemeinsame Armee, ein gemeinsames Wahlrecht, eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und gemeinsame Schulden sollen richten, was die gemeinsame Währung nicht zustandebrachte.

Dass Macron zugleich plant, die Zahl der Abgeordneten im französischen Parlament um ein Drittel zu senken, scheint Berichterstattern nur eine Petitesse zu sein. Dabei verlören, käme er mit dieser populistischen Reform durch, immerhin 190 Parlamentarier ihrer Job. Und für die übrigen würde das Leben auch nicht leichter, denn Macron will auch ihnen an die Pfründe: Künftig solle "die Anzahl der aufeinanderfolgenden Mandate der Parlamentarier"Falls nötig werde er für diesen Umbau der Institutionen auch eine Volksabstimmung ansetzen, begrenzt werden, kündigte er an. Wer eine, zwei oder drei Legislaturperioden im Parlament abgesessen hat, dürfte danach, ähnlich wie der amerikanische oder russische Präsident, nicht noch einmal kandidieren.

Ein Vorhaben, das die Axt an die Wurzel der Parlamentarismus in Europa und damit auch an die Basis der EU legt. Die war stets ein Elitenprojekt, das von oben geplant und nach unten durchregiert wurde, sie lebte von der engen Vernetzung ihrer führenden Köpfe, die alleweil in alter Gestalt, aber in immer neuen Funktionen kamen, um zu bleiben. Männer wie Jean-Claude Juncker, Martin Schulz oder Elmar Brok wurden über Jahrzehnte selbst zu europäischen Institutionen, wie Soap-Sternchen bekannt dafür, dass sie bekannt waren. Und an der Heimatfront gelang es den Merkels, Schäubles, Gysis, Kühnasts,  Oppermanns, Gabriels, Becks und Ströbeles, über alle Zeitläufte hinweg immerdar zu sein.

Sie etablierten den Stand des Berufspolitikers, den die Väter des Grundgesetzes so nie vorgesehen hatten. Und nun kommt Emmanuel Macron und will ihn abschaffen, falls nötig per Volksabstimmung.

Ein Horrorgemälde für viele der derzeit noch 630 Abgeordneten im Bundestag, aber auch für zahlreiche Landesparlamentarier. Seit 1949, als der erste Bundes mit 421 Abgeordneten zusammentrat, war die Zahl der Mandatsträger immer nur gewachsen. Auch bei der letzten Wahl im Jahr 2013 stieg die Zahl der vergebenen Mandate noch einmal um neun, für die Wahl im Herbst sind jetzt schon weitere 60 Überhang- oder Ausgleichsmandate angekündigt, die das beständige Wachstum der Volksvertretung im Namen von mehr Demokratie durch mehr Mandatsgerechtigkeit expotentialisieren könnten.

Und nun Macron und seine Schrumpfungspläne, die so verblüffend und radikal sind, dass sie deutschlandweit kein Politiker, aber auch kein professioneller Weltbilderklärer bei den Leitmedien kommentiert. Zu sehr geht das ans Eingemachte, zu deutlich verstößt es gegen den Konsens der hauptberuflichen Demokraten, dass die Welt da draußen sich immer ändern muss, und sei es nur, um dem Parlament vor der nächsten Wahl einen Betätigungnachweis zu liefern. Dass aber der Kosmos im Hohen Haus unberührt zu bleiben hat.

Macrons Pläne sind so ein Angriff auf die, die Europa im Innersten zusammenhalten, die Kungelrunden aus den Hinterzimmern,  in denen teilweise seit der Ära Breshnew immer wieder dieselben Männer und Frauen entscheiden, wer zu welchem Preis gerettet, wer sanktioniert und wer mit einem warnenden Bann belegt wird. Niemand wird, was Macron da vormacht, nachmachen, weil zwar schon Parlamente auf eigene Rechte, noch nie aber Abgeordnete auf eigene Pfründe verzichtet haben. Deshalb ist der Jubel über Macrons "Revolution", der eben noch so laut brauste, plötzlich so lasch.

Es wird spannend sein, zu sehen, wie weit er mit der Verwirklichung seiner Pläne kommt.




5 Kommentare:

  1. Für Präsidenten, Minister, Staatssekretäre vielleicht noch, wäre der Vorschlag vielleicht nicht schlecht. Die Verringerung der Abgeordnetenzahlen wäre auch durchführbar.
    Aber das Wahlrecht einzuschränken (es gibt nämlich auch ein passives) fände ich rein "demokratietheoretisch" nicht richtig.
    Es bräuchte ja keiner die Kanididaten zu wählen, die zur fünften Legislaturperiode antreten - oder er wählt sie doch, weil er sich durch sie vertreten fühlt - was er dann im Verbotsfalle nicht mehr könnte; ein Dilemma.
    Die Aberkennung des passiven Wahlrechts widerspräche daher möglicherweise sogar dem "Grundsatz der Volkssouveränität" als Bestandteil der fdGo. Das wäre interessant für Verfasssungsrichter.

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  2. Im Deutschen Bundestag geht so eine Reform schon deshalb nicht, weil man sich dann ja eine neue Bestimmungsmethode zum Auffinden des Alterspräsidenten suchen müsste.
    Und die darf - bekanntermaßen - nur alle 169 Jahre einmal geändert werden.

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  3. Hamburg : das ganze Dorf is fol mit Kackzecken .

    Reichsmaßnahmenwart Kongo Sepp : " wir treten die Zecken zu Brei ; ösi Cobra kommpt mit dicken Knüppeln und wird hart durchgreifen"


    meer auf krautchan.net/hamburg.ist.kotig.html

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  4. @gernot: das sind bedenken, die ich teile. aber in frankreich spielen sie offenbar keine rolle

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  5. Schaun Sie da bitte nach:

    Und für die übrigen würde das Leben auch nicht leichter, denn Macron will auch ihnen an die Pfründe: Künftig solle "die Anzahl der aufeinanderfolgenden Mandate der Parlamentarier"

    Da ist der Satzbau durcheinander gekommen.

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