Eben noch fast auf Augenhöhe mit dem richtigen Profifußball, so nah dran wie nie im letzten Vierteljahrhundert. Die zweite Liga nahezu in Sichtweite. Und dann statt eines letzten Feldaufschwungs in Fußballhöhen, die der Hallesche FC zuletzt Anfang der 90er Jahre erlebte, ein Absturz, wie ihn die meisten Fans des Klubs von der Saale noch nie erlebt haben.
Mit nur 14 geschossenen Toren und 18 geholten Punkten in der Rückrunde ist die Mannschaft von Trainer Rico Schmitt zwar weit weg vom Negativrekord der Bubi-Elf von 94/95, die in der gesamten Saison nur 17 Tore schoss und ganze drei Punkte holte. Aber nicht sehr weit.
In der Vereinsführung, die zwischen Januar und Mai Durchhalteparolen predigte, während sich das Stadion zusehends leerte, war die Botschaft irgendwann auch angekommen. Alles, was sich an Spielern loswerden ließ, weil Verträge endeten, durfte und musste gehen, um ausreichend Platz zu schaffen für die augenscheinlich dringend nötigen Verstärkungen. Selbst bewährte, beliebte und kaum je mit Fehlern glänzende Spieler wie Florian Brügmann und Sascha Pfeffer wurden aussortiert.
Zu klein. Zu alt.
Zu klein. Zu alt, so das Urteil. Gesucht würden nun stattdessen "junge", "wuchtige", "große", "willige", "spielintelligente" und zudem noch billige Spieler, so Sportdirektor Stefan Böger, der eine Mannschaft zusammenstellen will, die, das ist bierernst gemeint, im kommenden sechsten Jahr in der 3.Liga um Platz sechs, wenn nicht sogar um Platz 5 mitspielen will.
Zwei Wochen Vorsprung auf Konkurrenten wie Erfurt, Chemnitz und Paderborn hatte der HFC, weil die finanziell angeschlagenen Wettbewerber direkt nach Saisonschluss nicht wussten, für welche Liga sie am Ende eine Lizenz bekommen würden. Zudem löste RB Leipzig gerade seine Reservemannschaft auf, ein Sammelsurium talentierter Kicker, für die die 3. Liga eine Leitersprosse auf dem Weg nach oben sein würde. Dazu der gute Ruf der Hallenser: Gehälter immer pünktlich gezahlt, fairer Umgang mit Spielern und große Integrationskraft, was vorab anderswo Gescheiterte anbelangt.
Beste Voraussetzungen selbst angesichts der von der Vereinsführung vielbeschworenen knappen Kassen. Doch dann passierte: Nichts. Wie all die ganzen Jahre richtete der HFC keinen Blick Richtung Osten, nicht nach Rumänien, Bulgarien, Slowenien oder Polen, nicht nach Russland, nicht nach Griechenland oder in die Türkei, nach Korea, Spanien, Japan. Gefischt wird ausschließlich im heimischen Teich wie schon zu Oberliga-Zeiten: Kennste wen, holste den, willer nicht, haste Pech. Der Fokus der Bemühungen, über die Nachrichten nach außen dringen, zeigt eine Fantasie, deren Horizont konsequent am eigenen am Stadionzaun endet.
Kennste wen, holste den
Mit dem gebürtigen Chemnitzer Niklas Landgraf verpflichtete der HFC zwar einen - immerhin vier Zentimeter größeren - Ersatz für Florian Brügmann. Aber der aus Dresden kommende Verteidiger hat in seinem ganzen Leben bisher schmale zwölf Minuten 2. Liga gespielt. Und überschaubare 90 Minuten 3. Liga. Hoffnungsträger sehen sogar auf dem Papier anders aus.
Dennoch: Es ist keine Woche mehr bis zum Trainingsstart und der Hallesche FC hält sich weiter bedeckt, was neue Spieler für die anstehende Saison betrifft. Während die Konkurrenz je bis zu sieben neue Leute geholt hat, setzt der Klub von der Saale die Politik der ruhigen Hand fort, die ihn aus einer ausgezeichneten Position in der Winterpause beinahe noch in Abstiegsgefahr befördert hatte.
Die einzige Reaktion auf die schlimmste, weil unerwartetste Krise seit Aufstieg in die 3. Liga sind Ankündigungen, die auf Ankündigungen folgen, denen sie gern auch mal direkt widersprechen. Während der Sportdirektor an den jungen, großen und wuchtigen Spielern festhält, die sein Traumziel vom 6. Platz erreichen sollen, verlangt der Trainer offenbar weniger nach Rohmaterial, das unter seiner Hand langfristig verbessert werden kann. Sondern eher nach einigen fertigen Figuren, mit denen der Erfolg an die Saale geholt wird.
Komplettblockade 24 Stunden vor dem Start
Das Resultat ist eine komplette Blockade. Einen Tag vor Beginn der der Saisonvorbereitung ist der seit 2015 im Grunde dauerverletzte Niklas Landgraf einziger echter HFC-Neuzugang. Neben ihm verstärkt der im Winter wegen akuter Durchschlagsschwäche verliehene Petr Sliscovic die Mannschaft von Rico Schmitt, auch der zuletzt nach Merseburg ausgeborgte Nachwuchsstürmer Lukas Stagge kehrt zurück. Zudem wurde mit Justin Neumann und Pascal Pannier zwei U-19-Spieler mit Profiverträgen ausgestattet. Deren Funktion dürfte aber erfahrungsgemäß hauptsächlich darin bestehen, die allen EU-Gleichstellungsverordnungen wie der Charta der Menschenrechte Hohn sprechende altersdiskriminierende U23-Regel einhalten zu können.
Justin Neumann und Pascal Pannier – Quelle: http://www.mz-web.de/27759396 ©2017
Justin Neumann und Pascal Pannier – Quelle: http://www.mz-web.de/27759396 ©2017
Justin Neumann und Pascal Pannier – Quelle: http://www.mz-web.de/27759396 ©2017
24 Stunden vor Saisonstart war es das. Zweieinhalb Monate nach dem faktischen Ende der Saison 2016/2017 steht der HFC mit einem Minikader aus 15 Profis der vergangenen, völlig verkorksten Saison (davon drei Torleute) plus einem Leihe-Rückkehrer plus einem Neuzugang ohne Ligaerfahrung (Landgraf) plus drei Nachwuchsleuten für die U23-Regel da. Bis zum 31. August sei aber noch Zeit, Verstärkungen zu holen, heißt es jetzt aus der Vereinszentrale. Die richtig Guten würden jetzt auch immer günstiger. Und die ganz richtig Guten bräuchten die ganze Vorbereitung sowieso nicht. Die seien so gut, dass sie sofort groß einsteigen. Zielrichtung: Platz 6!
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