Von de Maiziere nicht erwähnt: Das Stehklo als integraler Bestandteil deutscher Toilettenkultur. |
Kaum hatte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere seine kruden Thesen zur angeblichen "Leitkultur" öffentlich gemacht, um vom erneuten Totalversagen der Sicherheitsbehörden im Fall des ersten bekanntgewordenen Falles eines falschen Syrers mit Bundeswehr-Offizierspatent abzulenken, schlägt dem CDU-Wahlkämpfer harsche Kritik aus dem In- und Ausland entgegen. de Maizieres Pläne, zusammengefasst unter der Überschrift "Wir sind nicht Burka", stoßen in Sachsen und anderen fremdenfeindlichen Ostgebieten weitgehend auf Zustimmung. Im demokratisch entwickelteren Westdeutschland jedoch reicht die Bandbreite von Entsetzen bis strikter Ablehnung.
Einige sind nur verärgert. Denn de Maiziere hat sie nicht vorab informiert. Das hat der Bundesinnenminister, der als das Gehirn der deutschen Terrorabwehrpolitik gilt nicht getan, damit der Plan nicht vor seiner Präsentation zerredet werden konnte.
In de Maizieres eigener Partei, die angesichts der bevorstehenden Wahl gezwungen sein wird, zumindest zeitweise am rechten Rand nach Wählern zu fischen, begrüßen die meisten Strategen de Maizieres Bekenntnis zu alten deutschen Werten wie dem Handschlag und dem Gesicht zeigen.
Ganz anders die Reaktion in den anderen Parteien des demokratischen Blocks: Die neue „Richtschnur des Zusammenlebens in Deutschland“, deren Einhaltung im Alltagsleben künftig von speziellen Sittengerichten in den Landkreisen überwacht werden soll, trifft bei SPD, Grünen, Linken und FDP auf Ablehnung. Die SPD möchte stattdessen lieber einen "Umbau Europas" (Schulz), die Grünen lehnen kein Rollback von Doppelpass und staatlicher Ditib-Förderung ab.
Sie wollen eine "Politik der individuellen Lebensentwürfe". Die FDP ist irritiert, weil der Innenminister nicht einmal den frischgebackenen Parteivorsitzenden der Liberalen vorab informiert hat, obwohl alle Vorhaben nach der Wahl gemeinsam umgesetzt werden müssen. Inhaltlich erheben die Liberalen jedoch nur den Einwand, dass de Maiziere auch auf den Begriff Stehklo verzichtet, um deutsche Identität zu beschreiben. Gerade in einer alternden Gesellschaft sei der Verweis auf Sitztoiletten, wie sie der Deutsche nun mal gewohnt sei, unumgänglich. "Diese Auslassung ist oberflächlich und unverzeihlich."
Verheerender aber noch fällt das Echo in der Regierungspresse aus. Der mächtige "Tagesspiegel" aus Berlin, der täglich von fast 100.000 Deutschen weltweit gelesen wird, macht nicht viel Federlesens mit de Maizieres Versuch, in billigem Populismus zu baden. "Die Zuwanderung hat das Land verändert – eine Debatte von vorgestern ist darauf der falsche Reflex" schreibt von Friedhard Teuffel, demzufolge der richtige Reflex vielmehr in der Überlegung liege: "Was muss die Gesellschaft künftig aushalten?"
Auch der Triersche Volksfreund macht Front gegen den Versuch der AfDisierung der CDU. Einiges laufe schief in der Gedankenwelt des Ministers, der "Benimmregeln, die unabdingbar sind für ein gutes Miteinander in einer Gesellschaft" als deutsche Leitkultur ausgebe. So nicht, denn das sei durchschaubar, weil jede europäische Dimension fehle - etwa der Verweis auf die finnische Saunakultur, die längst Teil deutscher Lebensweise sei. Oder die Einbettung Deutschland als Reiseland in den internationalen Austausch.
Auch der gefürchtete SZ-Kolumnist Heribert Prantl lässt de Maiziere durchfallen. "Gesellschaftsschädigend", nennt der Terror- und Wasserpreis-Experte de Maizieres Versuch, die europäische Stabilität durch einen symbolischen Rechtsruck zu erhalten. Der "Wünsch-dir-was-Katalog des Ministers" sei ein "albernes Sammelsurium von Nichtigkeiten und Wichtigkeiten", analysiert Prantl. Und wird zum Wutbürger, der den CDU-Politiker im Stile eines Dresdner Pegida-Pöblers als "Alberich" abkanzelt.
Denn so nicht! "Leitkultur ist kein integrierender, sondern ein polarisierender Begriff, ein spaltendes Kampfwort, ein Wort der Überhebung und der Überheblichkeit; es ist ein Wort, das rechtsaußen zu Juchzern führt", schreibt Heribert Prantl, dessen unter dem Titel "Im Namen der Menschlichkeit" vor zwei Jahren veröffentlichtes Forderungspapier für das Begreifen der "Migration als zivilisatorische Notwendigkeit" mittlerweile in der Diskussion keine Rolle mehr spielt.
Heribert Prant ist darob traurig. Auch im vergangenen Jahr hat sein langsam dahinschwindendes Blatt wieder mehr als drei Prozent ihrer Leser verloren. Das ist mehr, als der CDU an Wählern von der Fahne gingen. Prantl ist also berufen, zu raten: Es dürfe "in diesem Land nicht darum gehen, eine Leitkultur zu propagieren, es muss darum gehen, eine Kultur des Zusammenlebens zu etablieren".
Die Leitkultur stehe nicht auf der Agenda, schließt er, denn sie spalte und entzweie.
Damit erteilt Prantl auch der Kanzlerin eine glatte Absage, die dem Konzept von de Maiziere vorab zugestimmt haben dürfte. Beobachter sehen hier ein ernstes Zerwürfnis, hatte der als Edelfeder geltende Vizechef der SZ doch bislang von München aus dafür gesorgt, dass Angela Merkels alternativlose Politik Leserinnen und Lesern gerade in Bayern und überregional noch besser erklärt wurde.
Viel Zustimmung, aber auch Ablehnung und Bedenken
Einige sind nur verärgert. Denn de Maiziere hat sie nicht vorab informiert. Das hat der Bundesinnenminister, der als das Gehirn der deutschen Terrorabwehrpolitik gilt nicht getan, damit der Plan nicht vor seiner Präsentation zerredet werden konnte.
In de Maizieres eigener Partei, die angesichts der bevorstehenden Wahl gezwungen sein wird, zumindest zeitweise am rechten Rand nach Wählern zu fischen, begrüßen die meisten Strategen de Maizieres Bekenntnis zu alten deutschen Werten wie dem Handschlag und dem Gesicht zeigen.
Ganz anders die Reaktion in den anderen Parteien des demokratischen Blocks: Die neue „Richtschnur des Zusammenlebens in Deutschland“, deren Einhaltung im Alltagsleben künftig von speziellen Sittengerichten in den Landkreisen überwacht werden soll, trifft bei SPD, Grünen, Linken und FDP auf Ablehnung. Die SPD möchte stattdessen lieber einen "Umbau Europas" (Schulz), die Grünen lehnen kein Rollback von Doppelpass und staatlicher Ditib-Förderung ab.
Sie wollen eine "Politik der individuellen Lebensentwürfe". Die FDP ist irritiert, weil der Innenminister nicht einmal den frischgebackenen Parteivorsitzenden der Liberalen vorab informiert hat, obwohl alle Vorhaben nach der Wahl gemeinsam umgesetzt werden müssen. Inhaltlich erheben die Liberalen jedoch nur den Einwand, dass de Maiziere auch auf den Begriff Stehklo verzichtet, um deutsche Identität zu beschreiben. Gerade in einer alternden Gesellschaft sei der Verweis auf Sitztoiletten, wie sie der Deutsche nun mal gewohnt sei, unumgänglich. "Diese Auslassung ist oberflächlich und unverzeihlich."
Verheerender aber noch fällt das Echo in der Regierungspresse aus. Der mächtige "Tagesspiegel" aus Berlin, der täglich von fast 100.000 Deutschen weltweit gelesen wird, macht nicht viel Federlesens mit de Maizieres Versuch, in billigem Populismus zu baden. "Die Zuwanderung hat das Land verändert – eine Debatte von vorgestern ist darauf der falsche Reflex" schreibt von Friedhard Teuffel, demzufolge der richtige Reflex vielmehr in der Überlegung liege: "Was muss die Gesellschaft künftig aushalten?"
Der Volksfreund sagt nein
Auch der Triersche Volksfreund macht Front gegen den Versuch der AfDisierung der CDU. Einiges laufe schief in der Gedankenwelt des Ministers, der "Benimmregeln, die unabdingbar sind für ein gutes Miteinander in einer Gesellschaft" als deutsche Leitkultur ausgebe. So nicht, denn das sei durchschaubar, weil jede europäische Dimension fehle - etwa der Verweis auf die finnische Saunakultur, die längst Teil deutscher Lebensweise sei. Oder die Einbettung Deutschland als Reiseland in den internationalen Austausch.
Auch der gefürchtete SZ-Kolumnist Heribert Prantl lässt de Maiziere durchfallen. "Gesellschaftsschädigend", nennt der Terror- und Wasserpreis-Experte de Maizieres Versuch, die europäische Stabilität durch einen symbolischen Rechtsruck zu erhalten. Der "Wünsch-dir-was-Katalog des Ministers" sei ein "albernes Sammelsurium von Nichtigkeiten und Wichtigkeiten", analysiert Prantl. Und wird zum Wutbürger, der den CDU-Politiker im Stile eines Dresdner Pegida-Pöblers als "Alberich" abkanzelt.
Prantl spricht im Namen der Menschlichkeit
Denn so nicht! "Leitkultur ist kein integrierender, sondern ein polarisierender Begriff, ein spaltendes Kampfwort, ein Wort der Überhebung und der Überheblichkeit; es ist ein Wort, das rechtsaußen zu Juchzern führt", schreibt Heribert Prantl, dessen unter dem Titel "Im Namen der Menschlichkeit" vor zwei Jahren veröffentlichtes Forderungspapier für das Begreifen der "Migration als zivilisatorische Notwendigkeit" mittlerweile in der Diskussion keine Rolle mehr spielt.
Heribert Prant ist darob traurig. Auch im vergangenen Jahr hat sein langsam dahinschwindendes Blatt wieder mehr als drei Prozent ihrer Leser verloren. Das ist mehr, als der CDU an Wählern von der Fahne gingen. Prantl ist also berufen, zu raten: Es dürfe "in diesem Land nicht darum gehen, eine Leitkultur zu propagieren, es muss darum gehen, eine Kultur des Zusammenlebens zu etablieren".
Die Leitkultur stehe nicht auf der Agenda, schließt er, denn sie spalte und entzweie.
Damit erteilt Prantl auch der Kanzlerin eine glatte Absage, die dem Konzept von de Maiziere vorab zugestimmt haben dürfte. Beobachter sehen hier ein ernstes Zerwürfnis, hatte der als Edelfeder geltende Vizechef der SZ doch bislang von München aus dafür gesorgt, dass Angela Merkels alternativlose Politik Leserinnen und Lesern gerade in Bayern und überregional noch besser erklärt wurde.
Ob die wirklich alle ihre Rollen in diesem ewig repetierenden Kaschpertheater nicht kennen und aus ehrlichem Herzen so uninformiert sind?
AntwortenLöschenDie Antithese wäre ja bekanntlich, dass alles nach Drehbuch läuft, aber, nach meiner bescheidenen Meinung, steht dafür zuwenig Hirn zur Verfügung.
Prantl von München aus...?
AntwortenLöschenEher aus Münchhausen.
Gesichtzeigen? Als Türke mit türkischer, als Araber mit seiner arabischen Kultur, als Schwarzafrikaner mit seiner schwarzafrikanischen und als Deutscher ... ?
AntwortenLöschenEuer Eingottglaube als "Kitt der Gesellschaft" gehört nicht dazu, die Religionsfreiheit schon. Und ob man jemandem die Hand gibt oder nur den Hut lüpft oder grüßend die Hand an die Mütze legt, wie einst gelernt, oder ihn unhöflich ignoriert, bleibt Menschenrecht.
So viel schöne Vielfalt trägt die Welt.