Dienstag, 14. Februar 2017

Alternative Fakten: Wie aus Martin Schulz ein Fast-Fußballprofi wurde

Martin Schulz inszeniert sich bis heute gern als früherer Fast-Fußballprofi, war aber eigentlich nie talentiert genug.

"In seiner Jugend interessierte sich Martin Schulz wenig für die Schule und viel für Fußball", so beginnen die typischen Tellerwäscher-zum-Millionär-Geschichten über Martin Schulz. Der neue starke Mann der SPD erzählt dann gern, wie er in seiner Jugend "mit seiner Mannschaft mehrere wichtige Turniere" gewann  und dann eigentlich "Profispieler bei Alemannia Aachen werden" wollte. Erst eine Verletzung, so geht Schulz' Standardgeschichte, "beendete den Traum vorzeitig".


Doch Schulz ist ein Medienprofi, immer gewesen. Was er erzählt, muss nicht stimmen, es darf nur nicht direkt widerlegbar sein. Als Schulz sich direkt nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten zu Anne Will einlud, versuchte er deshalb auch prompt, eine der brüchigen Stellen seiner bisher erzählten Biografie zu flicken: Die vom Fußballprofi, der er beinahe geworden wäre, wenn nicht eine "schwere Knieverletzung" ihn daran gehindert hätte. 

Links? Rechts? Alkoholiker?


Das Verblüffende an Schulz ist ja: Bis heute weiß niemand, ob er Linker oder Rechter ist, denn im Zweifel nennt er sich einen glühenden Europäer. Was die Leute glauben sollen, das gibt er ihnen – etwa, dass er früher Alkoholiker war. Eine Fake News, die Schulz selbst nie bestätigt hat. Er sprach ausschließlich davon, zeitweise "viel getrunken" zu haben, regelmäßig und gern. Dann habe er gesehen, wo das hinführe. Und aufgehört. Doch dass er "Alkoholiker" genannt wird, das gefällt ihm offenbar gut. Er hat es nie dementiert. Aber sich auch nie selbst so bezeichnet. Der kommende Spitzenkandidat der SPD pflegt damit den Nimbus des willenstarken Machers. Er raucht nicht, er trinkt nicht mehr. Er kann alles schaffen.

Und er hat - das gehört zur Geschichte - auch das Trauma überwunden, als junger Fußballer seines Heimatvereins Rhenania 05 Würselen davon geträumt zu haben, Profifußballer werden zu wollen - und dabei gescheitert zu sein. Schulz` Geschichte erzählen Medien nach seinem Diktat seit Jahren am liebsten so: Eben noch war er linker (sic!) Verteidiger bei Rhenania 05 Würselen, B-Jugend, ein Mitreißer und Macher und mit seinem Team „Deutscher B-Jugend-Meister“. Doch Millimeter vor der ersehnten Karriere bei der Alemannia, die damals Regional- und 2. Liga spielte, zog sich Schulz eine Knie-Verletzung zu, die alle Träume platzen ließ.

Nicht alles davon hat Schulz selbst so zusammengeflunkert. Aber er hat auch nie widersprochen, wenn aus einem 17-Jährigen, den seine damaligen Mitspieler als „nicht gerade ein Filigrantechniker“ erinnern, ein Riesentalent wird, das nur durch jene „schwere Knieverletzung“ gestoppt werden konnte. 2012, Schulz war Mitte 50, datierte er die Verletzung noch auf „vor über 20 Jahren“. Da muss er Ende 30 gewesen sein, nicht 16. Und kein Profiverein hätte mehr nach ihm gefragt.

"Knapp" war einen Kosmos weit entfernt


Hat aber ohnehin nie einer. Denn das „so knapp“ vor einer Profikarriere, das Schulz zum integralen Bestandteil seiner biografischen Erzählung gemacht hat, kann so knapp nicht gewesen sein. Denn die „deutsche Vizemeisterschaft der B-Jugend“, von der Zeitungen und Magazine immer wieder berichten, war in Wirklichkeit nur eine westdeutsche Vizemeisterschaft der B-Junioren. Eine deutsche Meisterschaft wurde bei der B-Jugend erst ein halbes Jahrzehnt später erstmals ausgespielt.

Schulz' märchenhafte Geschichte, wie sie am liebsten erzählt wird, stimmt nicht. Bisher machte das nichts aus, niemand interessierte sich wirklich für die Einzelheiten der Biografie des EU-Bürokraten Schulz. Die Geschichte vom hart ackernden B-Jugendmeister aus der Provinz, der seinen Leuten eingebläut, man dürfe keine Angst vor den großen Vereinen haben, und der das Ziel, Profi zu werden, zum Greifen nahe vor sich sieht, passte einfach perfekt zu Schulzens Rolle als ehrlicher Malocher und Kopf einer legendären Elf, die von ihrem Trainer Joe Suleja so hervorragend eingestellt war, dass sie sich 1972 erst nach mehr als 100 Spielen ohne Niederlage dem Endspiel-Gegner Schalke 04 geschlagen geben musste.

Bei Anne Will aber zog Schulz nun unversehens die Notbremse. In einem Nebensatz räumte er ein, in Wirklichkeit nie so talentiert gewesen zu sein, dass es hätte zum Fußballprofi reichen können. Ehe jemand anders fragt, und die fragwürdige Geschichte eines strauchelnden Helden mitten im Wahlkampf auffliegt.

9 Kommentare:

  1. Auch der hallesche OB war ein schlechter Schüler und wäre fast Fussballprofi geworden.

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  2. Also ich war ein guter Schüler und habe in der Jugend mit späteren Fußballprofis gespielt.

    ... und außerdem habe wir mit unserer Kreisligaverein-C-Jugend RWO geschlagen und ich habe den entscheidenden Elfmeter verwandelt. Daraufhin hat uns RWO ausgeladen von einem Vorspiel einer Zweitligabegegnung.

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  3. dann waren wir ja alle soooooo nah dran

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  4. Also "nah dran" kann ich bei mit nicht behaupten, dazu fehlte mir die Grundschnelligkeit.

    Wir hatten im Westen den Vorteil, daß die Nachwuchsarbeit (im Fußball) bis in die 90iger blutig amateurhaft war und tatsächlich (spätere) Klassefußballer auch uns in den Niederungen "auf Asche" die Aufwartung machten.

    P.S. Ein nicht ganz unbekannter Fußballer aus Halle (nein, weder Tretschok noch EisenKarl) hatte dereinst eine meiner Azubinen angegraben.

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  5. Perfide, den "trockenen Alkoholiker" unwidersprochen zu lassen in der Absicht, damit Punkte zu sammeln ...

    In Fachkreisen wird unterschieden zwischen Alkoholkranken, von denen einige nach harten Kämpfen die Nüchternheit erlangen und auf der anderen Seite den Säufern, die einige Zeit "viel trinken", es dann aber wieder schlicht sein lassen, wenn es nicht mehr "in" ist.

    Ähnlich ist der Unterschied zwischen Hautkrebs und einem harmlosen Pickel ...

    Aber wenn sonst halt keine große Geschichte da ist ...

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  6. Wenn schon Huftechniken, dann Tritte in das Chakra der Liebeslust. The small guy has to fight dirty: Alles andere ist eitel und Haschen nach dem Wind.

    Halbgott in Weiß

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  7. Carl GustafFebruar 14, 2017

    Nunja, Merkel hätte ja auch fast den Nobelpreis bekommen (früher den für Physik und später den für den Frieden). Nur leider ist auch bei ihr immer was dazwischen gekommen.

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  8. Martin vor,
    Deutschland sucht 'nen Tor.

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  9. Warum "perfide"? Diese Saubrut ist auch alles andere denn zimperlich. Alles, was denen schadet, ist erlaubt. Und als vom Fach und ehemaliger akademischer Kampftrinker behaupte ich: Der ist entweder gar nicht trocken, oder, wenn doch, hat sich die Knolle gründlich mürbegesoffen, aber sowas von. Auf gelehrt: Prima-vista-Diagnose.

    Halbgott in Weiß

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