Rudolf Seiters trat damals in den Hinterhof des Innenministeriums in Bonn. Er sagte ein paar karge Worte über Verantwortung. Und als er ging, war er zwar nicht mehr Innenminister, aber um einige Zentimeter gewachsen.
Es war Juni 1993, die GSG9 hatte im Bahnhof von Bad Kleinen gerade einen RAF-Terroristen erschossen. Hans Leyendecker, damals beim "Spiegel", nutzte die Gelegenheit, eine rundum schlüssige Fake-News-Geschichte zu verbreiten, nach der GSG9-Beamte den RAF-Mann Wolfgang Grams - wehrlos im Gleisbett liegend - mit Absicht erschossen hätten. Leyendecker hatte sich die Story samt der von ihm angeführten Zeugen ausgedacht. Seiters aber wartete nicht ab, ob es wahr war. Er trat zurück, weil er der Ansicht war, es könnte wahr sein. Und dann, so schloss der CDU-Mann, müsse er es sein, der die Verantwortung übernehme. Eher würde, das wusste Seiters, weder der "Spiegel" noch die Opposition Ruhe geben.
Ein knappes Vierteljahrhundert danach eine unvorstellbare Situation. Rücktritte gibt es in dieser späten Phase der bundesrepublikanischen Demokratie nur noch bei nachgewiesenen persönlichen Verfehlungen wie im Fall Guttenberg oder beim korruptionsverdächtigen Bundespräsidenten Christian Wulff. Nicht aber bei politischem Versagen, wie es sich in Folge des selbstgemachten Flüchtlingszustroms überall im Lande zeigt.Nicht einmal, wenn sich das Versagen über Monate fortsetzt und endemische Ausmaße annimmt. Wie festgetackert sitzen die, die seit 2008 einen ganzen Kontinent vor die Wand gefahren haben, auch noch auf ihren Sesseln, nachdem sich die Folgen ihrer Entscheidung zur Aufgabe der staatlichen Souveränität überall zeigen. Als seien sie selbst nicht dabei gewesen, fordern dieselben Figuren plötzlich das Gegenteil dessen, was bis hierher ihre Linie war.
Ein Mord, ein Attentat und ein paar gewalttätige Übergriffe, über Monate als bedauerliche, aber unvermeidbare Einzelfälle beiseitegeschoben, reichen plötzlich als Tipping Point, um eine komplette Regierungskoalition zu Positionen wechseln zu lassen, die dieselben Personen bis dahin als rassistisch, nazistisch und menschenverachtend gebrandmarkt hatten.
Es herrscht Prinzipienlosigkeit als oberster Grundsatz, einziges Ziel der Koalition ist der Machterhalt. Bei der Wahl der Mittel sind Merkel, Gabriel, Schulz, Altmaier, Maas und der Rest der ruinösen Truppe auf keine Moral, keinen Anstand und keine Schamgrenze festgelegt. Das Scheitern der eigenen Illusionen an der Wirklichkeit wird nicht eingestanden, die eigene Kehrtwende nicht so genannt, der längst überfällige Offenbarungseid weiter verschoben.
Und wirklich, sie kommen damit durch. Weil es nicht nur an einer Opposition fehlt, die diesen Namen nicht nur aus traditionellen Gründen trägt, sondern weil es auch keine Medienhäuser mehr gibt, die das Komplettversagen der Regierungsmaschine beschreiben und benennen. Eine Bevölkerung in Duldungsstarre lässt sich mit atemberaubend irrsinnigen Kampagnen gegen bestimmte Worte, gegen bestimmte Buchstaben und ausgedachte Phänomene beschäftigen.
Der Politik ist das große Kunststück gelungen, Verhältnisse zu schaffen, in denen niemand mehr verantwortlich ist. Die Länder schauen auf den Bund, der Bund verweist nach Brüssel, die EU nimmt die Staaten in die Pflicht, die aber versichert, sie könnten ja nicht. Eine Pflicht zu gemeinsamen Lösungen steht Lösungen im Weg, statt Handeln zu können, müssen multinationale Konferenzen Kompromisse Mal um Mal finden, die nur mühsam bemänteln, welche Verhältnisse tatsächlich herrschen: Frankreich seit Monaten im Ausnahmezustand, Deutschland mit europarechtswidrigen Grenzkontrollen, die Türkei unter Terror, Russland als Feind, die USA unter Bewährung.
Ein Desaster ohne Auslöser. Politik als Naturkatastrophe, die nur erduldet und durchbangt werden kann.
Es war Juni 1993, die GSG9 hatte im Bahnhof von Bad Kleinen gerade einen RAF-Terroristen erschossen. Hans Leyendecker, damals beim "Spiegel", nutzte die Gelegenheit, eine rundum schlüssige Fake-News-Geschichte zu verbreiten, nach der GSG9-Beamte den RAF-Mann Wolfgang Grams - wehrlos im Gleisbett liegend - mit Absicht erschossen hätten. Leyendecker hatte sich die Story samt der von ihm angeführten Zeugen ausgedacht. Seiters aber wartete nicht ab, ob es wahr war. Er trat zurück, weil er der Ansicht war, es könnte wahr sein. Und dann, so schloss der CDU-Mann, müsse er es sein, der die Verantwortung übernehme. Eher würde, das wusste Seiters, weder der "Spiegel" noch die Opposition Ruhe geben.
Es gibt keine Rücktritte mehr
Das Votum ist eindeutig, aber sinnlos. |
Ein Mord, ein Attentat und ein paar gewalttätige Übergriffe, über Monate als bedauerliche, aber unvermeidbare Einzelfälle beiseitegeschoben, reichen plötzlich als Tipping Point, um eine komplette Regierungskoalition zu Positionen wechseln zu lassen, die dieselben Personen bis dahin als rassistisch, nazistisch und menschenverachtend gebrandmarkt hatten.
Prinzipienlosigkeit als oberster Grundsatz
Es herrscht Prinzipienlosigkeit als oberster Grundsatz, einziges Ziel der Koalition ist der Machterhalt. Bei der Wahl der Mittel sind Merkel, Gabriel, Schulz, Altmaier, Maas und der Rest der ruinösen Truppe auf keine Moral, keinen Anstand und keine Schamgrenze festgelegt. Das Scheitern der eigenen Illusionen an der Wirklichkeit wird nicht eingestanden, die eigene Kehrtwende nicht so genannt, der längst überfällige Offenbarungseid weiter verschoben.
Und wirklich, sie kommen damit durch. Weil es nicht nur an einer Opposition fehlt, die diesen Namen nicht nur aus traditionellen Gründen trägt, sondern weil es auch keine Medienhäuser mehr gibt, die das Komplettversagen der Regierungsmaschine beschreiben und benennen. Eine Bevölkerung in Duldungsstarre lässt sich mit atemberaubend irrsinnigen Kampagnen gegen bestimmte Worte, gegen bestimmte Buchstaben und ausgedachte Phänomene beschäftigen.
Der Politik ist das große Kunststück gelungen, Verhältnisse zu schaffen, in denen niemand mehr verantwortlich ist. Die Länder schauen auf den Bund, der Bund verweist nach Brüssel, die EU nimmt die Staaten in die Pflicht, die aber versichert, sie könnten ja nicht. Eine Pflicht zu gemeinsamen Lösungen steht Lösungen im Weg, statt Handeln zu können, müssen multinationale Konferenzen Kompromisse Mal um Mal finden, die nur mühsam bemänteln, welche Verhältnisse tatsächlich herrschen: Frankreich seit Monaten im Ausnahmezustand, Deutschland mit europarechtswidrigen Grenzkontrollen, die Türkei unter Terror, Russland als Feind, die USA unter Bewährung.
Ein Desaster ohne Auslöser. Politik als Naturkatastrophe, die nur erduldet und durchbangt werden kann.
Meine 2 ct
AntwortenLöschenWenn man bedenkt, wofür der Friedrich z.B. ans Messer geliefert wurde, für ein bißchen Plauderei, und die Merkel hat 12 Tote auf dem Kerbholz... Da läuft was gewaltig schief bei de Maiziere. Der gehört in die Zelle neben Wohlleben.
mit dem beispiel kann man es auch illustrieren. der grund liegt wohl in einer gewissen wagenburg-mentalität, die da inzwischen in der obersten etage herrscht. mitgehangen, mitgefangen, wenn da jetzt einer zum gehen gezwungen wird, bricht die gnaze statik auseinander. kurz vor der bundestagswahl unmöglich zu akzeptieren, für keine der beiden seiten.
AntwortenLöschenich hatte es neulich mal als warten auf wenck beschrieben, merkels altes konzept, das darauf vertraut, dass schon irgendwas passieren wird, das einen raushaut. so lange sagst du eben, dass du dem pferd sprechen beibringen wirst. kann ja immer sein, das pferd stirbt vorher oder der, dem dus versprochen hast, oder du selbst..
imponierend ist aber wirklich, wie schnell die ganze medienlandschaft sich nach dem, was eben noch das deutsche 911 war, von ein paar hundeschnauzekalten demagogen zur tagesordnung mit nafri-diskussion und sonstigem budenzauber hat zurückleiten lassen. mensch, drei wochen und es wirkt, als sei gar nichts geschehen.
das hätte der alte joachim herrmann in der ddr nicht so blickdicht anweisen können
Wegen der Symbiose von Blockparteien und Medien gibt es keine Opposition, die aus dem Medienspektakel um Rücktritte politisches Kleingeld herausholen könnte.
AntwortenLöschenDie AfD könnte, aber hat die Medien gegen sich, bekommt also bei keinem Thema Unterstützung. Außerdem dürfte denen klar sein, dass sich nichts ändern wird, wenn irgendein Posten durch einen anderen Platzhalter der Blockparteien neu besetzt wird.
AntwortenLöschen"Der Politik ist das große Kunststück gelungen, Verhältnisse zu schaffen, in denen niemand mehr verantwortlich ist."
Doch, doch, irgendjemand muss immer seinen Kopf hinhalten. Nur eben nie die Richtige. Wieviele Sündenböcke mussten für Merkel schon zurücktreten? Da gibt es schon eine Arbeitsteilung. Derzeit übernimmt de Maiziere die Drecksarbeit. Ohne dass an Merkel auch nur ein Haar kleben bleiben dürfte.
Sie übernehmen nicht die Verantwortung, aber sie fühlen sie, z.B. Göring-Eckardt:
AntwortenLöschen"Wir fühlen eine hohe Verantwortung für das Geschehen in Afghanistan. Das zeigt sich auch daran, dass bei uns nicht einer Vorgaben macht und dann so abgestimmt wird. Wir haben Abgeordnete, die zugestimmt haben, andere haben sich enthalten oder dagegen gestimmt. Das zeigt, dass es bei uns nach wie vor eine große Diskussion darüber gibt, die unsere Verantwortung wiederspiegelt."
Ist zwar schon etwas älter, zeigt aber: Vor lauter Gefühlsdusseligkeit wissen sie nicht, was Verantwortung heißt. Die Gefühle unterdrücken jede Verstandsregung. Ich sach mal, vom Gefühl her haben sie ein gutes Feeling.