Abenddämmerung über der freiheitlichen Gesellschaft, Sonnenuntergang bei Meinungsfreiheit und dem Recht eines jeden, zu sagen, was immer er denkt. Der Sommer 2016, erst lau, dann heiß, wird nicht wegen des Wetters, sondern wegen der über Monate sorgfältig herbeiorchestierten Notwendigkeit der Abschaffung eines konstitutiven Grundrechtes in Erinnerung bleiben.
Ausgehend von Zahlen, die genaugenommen nicht einmal den Einsatz einer Polizeirevierstelle rechtfertigen, hat es eine interessierte Koalition aus SPD-, CDU- und Grünen-Politikern geschafft, den ehemals vor allem aus Gründen der Geschlossenheit vor einem gemeinsamen Feind geführten "Kampf gegen rechts" auszuweiten zu einem Kampf gegen alles, was nicht streng links ist.
Ein Wunder der Aufwallung, das sich so nicht ankündigte, nachdem die NPD als identitätsstiftendes Vehikel für bürgerschaftliches Engagement wegen nachgewiesener Irrelevanz spätestens mit Beginn des Verbotsverfahrens ausgedient hatte. Ersatunlicherweise gelang es genau dann, "Hetze, Hass und Zweifel" (Klaus Kleber) sogar unterhalb der Strafbarkeitsschwelle als Ersatz zu etablieren. Mit millionenteuren Kampagnen gehen Bundesministerien gegen "Hatespeech" vor - mit Bedacht wurde ein englischprachiger Begriff für den Gegenstand gewählt, der so unscharf und unklar ist wie das Ziel des Kampfes selbst.. Ziel sei es, "sich offensiv gegen Hetze zu positionieren, Gegenstrategien zu entwickeln und Betroffene zu unterstützen", heißt es offiziell, ohne dass die zu bekämpfenden "Hass und Diskriminierung im Internet" irgendwo definiert wären.
Alles, was für irgendwen - und sei er Angestellter einer vom Hass lebenden Hilfspolizeieinheit - nach Hass, Hetze und Zweifel aussehen kann, kann zu Hass, Hetze und Zweifel erklärt werden. Hassrede ist, nach allem, was sich aus den wolkigen Vorgaben der Maas, Kahane und Schwesig herauslesen lässt, ein Ding, das unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegt, also in früherer Zeit zulässig gewesen wäre. Heute ist es das im Grunde immer noch, denn statt absehbar wirkungsloser Kampagnen könnte sonst einfach der Staatsanwalt übernehmen. Aber eine neue Schwelle des "Wollen wir nicht" bestimmt, wo der Äußerer einer nicht-strafbaren Ansicht sich irgendwie doch schuldig macht.
Es gibt kein rechtliches Gehör, kein Einspruchsverfahren, keine zweite Instanz. Der Rechtsstaat arbeitet hier mit Hilfe Vorfeldorganisationen, die die ihm selbst verbotene Zensur auf privater Basis, gestützt auf das Hausrecht, durchprügeln. Wo diese offene Drohung nicht verfängt, hilft die Exekutive, die demonstrativ die Unverletzlichkeit von Wohnungen missachtet, um vermeintliche oder mutmaßliche Urheber von "Hass und Hetze im Netz" (Ruhrnachrichten) vor aller Augen mit den Mitteln des Ermittlungsverfahrens abzustrafen. Während von den billigen Plätzen im Politzirkus ein noch härteres Vorgehen gefordert wird.
Später wird aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder von der richterlich abgesegneten Nutzung strafprozessualer Möglichkeiten zur demonstrativen Einschüchterung breiter Bevölkerungskreise zu hören sein. Aber spüren wird man die Nachwirkungen: Im Nachdenken vor jedem "Like"-Klick. Im Zögern, ob die Äußerung einer bestimmter Ansicht nicht vielleicht der Karriere schadet. Oder sogar zum kompletten Ende als bürgerlicher Figur führt.
Die Angst ist da, die Bereitschaft, sich an einer offenen Diskussion zu beteiligen, die doch einst die Basis sein sollte für Entscheidungen, die die Gesellschaft an ihrem Ende mehrheitlich trifft, schwindet. Wie einst in der DDR zieht sich die Debatte ins Private und in die abgesicherten Räume Gleichgesinnter zurück.
Es hat gerade erst begonnen. Und viel zu verlieren ist schon nicht mehr.
Niels-Arne Münch zum notwendigen Versuch, die Meinungsfreiheit zu verteidigen
Ausgehend von Zahlen, die genaugenommen nicht einmal den Einsatz einer Polizeirevierstelle rechtfertigen, hat es eine interessierte Koalition aus SPD-, CDU- und Grünen-Politikern geschafft, den ehemals vor allem aus Gründen der Geschlossenheit vor einem gemeinsamen Feind geführten "Kampf gegen rechts" auszuweiten zu einem Kampf gegen alles, was nicht streng links ist.
Ein Wunder der Aufwallung, das sich so nicht ankündigte, nachdem die NPD als identitätsstiftendes Vehikel für bürgerschaftliches Engagement wegen nachgewiesener Irrelevanz spätestens mit Beginn des Verbotsverfahrens ausgedient hatte. Ersatunlicherweise gelang es genau dann, "Hetze, Hass und Zweifel" (Klaus Kleber) sogar unterhalb der Strafbarkeitsschwelle als Ersatz zu etablieren. Mit millionenteuren Kampagnen gehen Bundesministerien gegen "Hatespeech" vor - mit Bedacht wurde ein englischprachiger Begriff für den Gegenstand gewählt, der so unscharf und unklar ist wie das Ziel des Kampfes selbst.. Ziel sei es, "sich offensiv gegen Hetze zu positionieren, Gegenstrategien zu entwickeln und Betroffene zu unterstützen", heißt es offiziell, ohne dass die zu bekämpfenden "Hass und Diskriminierung im Internet" irgendwo definiert wären.
Alles, was für irgendwen - und sei er Angestellter einer vom Hass lebenden Hilfspolizeieinheit - nach Hass, Hetze und Zweifel aussehen kann, kann zu Hass, Hetze und Zweifel erklärt werden. Hassrede ist, nach allem, was sich aus den wolkigen Vorgaben der Maas, Kahane und Schwesig herauslesen lässt, ein Ding, das unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit liegt, also in früherer Zeit zulässig gewesen wäre. Heute ist es das im Grunde immer noch, denn statt absehbar wirkungsloser Kampagnen könnte sonst einfach der Staatsanwalt übernehmen. Aber eine neue Schwelle des "Wollen wir nicht" bestimmt, wo der Äußerer einer nicht-strafbaren Ansicht sich irgendwie doch schuldig macht.
Es gibt kein rechtliches Gehör, kein Einspruchsverfahren, keine zweite Instanz. Der Rechtsstaat arbeitet hier mit Hilfe Vorfeldorganisationen, die die ihm selbst verbotene Zensur auf privater Basis, gestützt auf das Hausrecht, durchprügeln. Wo diese offene Drohung nicht verfängt, hilft die Exekutive, die demonstrativ die Unverletzlichkeit von Wohnungen missachtet, um vermeintliche oder mutmaßliche Urheber von "Hass und Hetze im Netz" (Ruhrnachrichten) vor aller Augen mit den Mitteln des Ermittlungsverfahrens abzustrafen. Während von den billigen Plätzen im Politzirkus ein noch härteres Vorgehen gefordert wird.
Später wird aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder von der richterlich abgesegneten Nutzung strafprozessualer Möglichkeiten zur demonstrativen Einschüchterung breiter Bevölkerungskreise zu hören sein. Aber spüren wird man die Nachwirkungen: Im Nachdenken vor jedem "Like"-Klick. Im Zögern, ob die Äußerung einer bestimmter Ansicht nicht vielleicht der Karriere schadet. Oder sogar zum kompletten Ende als bürgerlicher Figur führt.
Die Angst ist da, die Bereitschaft, sich an einer offenen Diskussion zu beteiligen, die doch einst die Basis sein sollte für Entscheidungen, die die Gesellschaft an ihrem Ende mehrheitlich trifft, schwindet. Wie einst in der DDR zieht sich die Debatte ins Private und in die abgesicherten Räume Gleichgesinnter zurück.
Es hat gerade erst begonnen. Und viel zu verlieren ist schon nicht mehr.
Niels-Arne Münch zum notwendigen Versuch, die Meinungsfreiheit zu verteidigen
Großartig. Leider, möchte man sagen.
AntwortenLöschenschrecklich. finde ich
AntwortenLöschenGemessen an ihrer Dimension ist diese Anti-Hatespeech-Kampagne am Ende nichts anderes als eine (sehr teure) Nebelkerze (die Bezeichnung als Nebelbombe wäre schon nicht mehr angemessen). Es sollen damit wohl ein paar linke Kritiker und "social justice warriors" auf der einen Seite bedient und beruhigt werden (Schaut! Die Regeierung macht was). Auf der anderen Seite werden die Pawlowschen Reflexe des konservativ kritischen Klientels bedient. Am Ende bleibt es eine Scheindeabatte die geführt wird.
AntwortenLöschenDie Meinungsfreiheit geht deswegen auch nicht den Bach runter. Ganz im Gegenteil! Wenn man das Kahane'sche Objekt der Begierde, Facebook, als Referenz nimmt, so war Facebook niemals ein Hort der Meinungsfreiheit. Facebook ist vielmehr ein Produkt, ein Geschäftmodell, dass gegen viel Geld Beiträge löscht und User sperrt, wie es auf der anderen Seite viel Geld für Werbung nimmt. Das hat nichts mit Verhaltens- oder Benimm-Regeln zu tun, sondern einzig und allein mit dem Preis, den FB, Google und Co. für soviel staatliche Einflussnahme verlangen.
Zu Kahane wäre lediglich das zu sagen, was früher meine Oma bei solcherlei Treiben zu sagen pflegte: "Nur was ich selber denk und tu, das trau ich auch dem andern zu". Das sollte in Bezug auf diese Person schon reichen.
das sehe ich anders. die frage ist nicht, was leute tun, sondern was sie täten. aktionen wie das gespräch über sperrungen, die razzia neulich - all das bringt sie dazu, sich selbst zu zensieren. mehr ist gar nicht gewollt
AntwortenLöschen"das sehe ich anders. die frage ist nicht, was leute tun, sondern was sie täten. aktionen wie das gespräch über sperrungen, die razzia neulich - all das bringt sie dazu, sich selbst zu zensieren. mehr ist gar nicht gewollt"
AntwortenLöschenDas hätte ich bis Samstag vllt. noch so unterstrichen. Aber es gibt mehrere elementare Dinge zu beachten:
1. die Überschätzung von Facebook: Facebook ist kein sozialer Raum, sondern schlichtweg eine Webplattform, die scheinbar als soziales Netztwerk fungiert, aber in allererster Linie dazu dient, Geld zu verdienen. Soll heissen: FB machts vor allem fürs Geld, und erst danach fürs Soziale etc. (da gab es interessantweise auch mal so einen Merkel-Satz (nicht in Bezug auf FB)).
Ob FB einen Account löscht oder sperrt ist somit eine Frage des trade-offs: was verliere ich durch die Löschung/Sperrung und was zahlt mir mein Auftraggeber (hier scheinbar das BMJV). Nur so funktioniert das; alles andere ist rechtlich nicht haltbar.
2. Zensur/Selbstzensur vs. Anstand/Verstand: Das was einige Zeitgenossen so im Internet absondern, mag nun nicht unbedingt immer von strafrechtlicher Relevanz sein. Aber wenn man den Fokus Hass und Hetze einfach mal außen vorlässt, dann verstösst die eine oder andere Meinungsäußerung doch schon gehörig gegen die guten Sitten. Das ist dann wie mit Exhibitionismus: ich sollte mir dreimal überlegen, ob ich in der Öffentlichkeit die Hose runterlasse oder nicht.
Ich mag hier ein bißchen oldschoolmäßig unterwegs sein. Aber als ein hohes Gut der westlichen bzw. deutschen Zivilisation sehe ich immer noch ein gewisses Maß an Anstand an. Und das läßt die gegenwärte Diskussion beiderseits deutlich vermissen.
Ein bisschen mehr Reflexion täte schon gut.
3. Die Bedeutung der Kampagnen wird von beiden Seiten überschätz: Abgesehen vom Steuerzahlerbund würde sich kaum eine (ernstzunehmende) Sau für die ganzen Hatespeech-Kampagnen interessieren, wenn nicht die Gegner einem pawlowschen Reflex folgend sofort auf das Thema anspringen. Der Antagonist wirkt sozusagen als Trigger: Maas, Schwesig, Kahane und Co. erhalten ihre ersehnte Aufmerksamkeit.
@Carl, facebook arbeitet wie die Stasi ... es erforscht Personen und Netzwerke.
AntwortenLöschenWenn ich also bei facebook schriebe "Rumbalotte an die "Wand" und "Brennt das Haus von Pittiplatsch nieder ! Das ist Neger !" ... und es liken/kommentieren 55.723 facebook-Mitglieder, dann habe ich 55.723 für meine Stasi-Akte.
Selbt wenn ich im Auftrag von Amnesty International dies geschrieben hätte (um Hitler-Faschisten zu entlarven), hätte man 55.723 accounts für diese Stasi-Akten.
Apropos, die guten Sitten: Winfried K. war Maoist und seine alten (und aktuellen) Parteifreunde haben die Massenmörder der RotenKhmer unterstützt. Geschadet hat es ihnen nicht. ;-)
carl gustav: das ist zu kurz gedacht. facebooks monetäre interessen spielen bei der frage, wie das netzwerk diskussionen verändert, gar keine rolle. ich sehe die frage von anstand und respekt wie du, wer hier öfter ist, weiß, dass ich sepps geprolle nur mit spitzen fingern angefasst habe.
AntwortenLöschenaber. facebook ist soetwas wie der marktplatz unserer tage, der marktplatz und die flüsterkneipe aus ddr-zeiten. sobald facebook unterhalb der schwelle der strafbarkeit löscht, weil die politik eines landes druck macht, das so zu hanhaben, wird der willkür tür und tor geöffnet. wie ich schrieb: es gibt keinen rechtsweg, wo kahane grüßt, keine unabhängige prüfungsinstanz, kein rechtliches gehör. du bist, wozu sie dich erklären.
das verändert gespräche, jenseit von ansichten über anstand. menschen denken zweimal nach, ehe sie sagen (schreiben), was sie denken. wenn dann noch die exekutive genutzt wird um per medienwirksamer großrazzia "signale" in der form zu senden, dass die unverletzlichkeit der wohnung nichts mehr gilt, wo der verdacht aufkommt, jemand könnte gehetzt, gehasst oder gezweifelt haben, ist die freiheit am ende.
... ich meinte selbstverständlich nur den Text, nicht den beschriebenen Lebenssachverhalt. Mir fehlte da jede Ironiefähigkeit. Aber das weiß der Blogwart ja.
AntwortenLöschenironisch ist doch der fakt, dass unter dem banner der bewahrung der freiheit gerade die freiheit abgeschafft wird. also lustiger wird es nicht mehr
AntwortenLöschen@ ppq: Vermutlich ist unser grundsätzliches Verhältnis zu bzw. Verständnis von FB ein anderes. Das mag vllt. sogar das Internet insgesamt betreffen. FB und Internet sind für mich nicht der Raum, um großartig Unterhaltung oder Diskussionen zu führen. Auch deswegen, daß ich selber bestimmen und aussuchen möchte, mit wem und über was ich mich unterhalte. Das mag auch ein Stück weit aus meiner DDR Sozialisation herrühren.
AntwortenLöschen"ironisch ist doch der fakt, dass unter dem banner der bewahrung der freiheit gerade die freiheit abgeschafft wird. also lustiger wird es nicht mehr"
AntwortenLöschenUnd die Zensur wird unter dem Banner des Meinungspluralismus eingeführt.