Mittwoch, 29. Juni 2016

Grüne Revolution: Deutschland bleibt zurück

Es war eine grüne Revolution, als die Einwohner des Rocky-Mountain-Staates Colorado im November 2012 bei einer Volksabstimmung über das sogenannte „Amendment 64“ für die Legalisierung von Hanfsamen und die Zulassung zum Verkauf stimmten. Eine Mehrheit von 55,3 Prozent holte eine Droge, die im Jahr 1937 verboten worden war, weil sie als „in den Wahnsinn und Tod führendes Rauschgift“ galt, zurück in den öffentlichen Raum.

Und löste zumindest in Colorado einen Boom an sogenannten grünen Geschäften aus. 80 Millionen Dollar kassiert allein der Bundesstaat jährlich an Steuern, hinzu kommen lokale Sondersteuer für den Cannabisverkauf.Experten haben ausgerechnet, dass von jedem Dollar, der für Pot ausgegeben wird, 37 Cent in die Staatskasse fließen.

Die Situation in den Vereinigten Staaten insgesamt ist dennoch bizarr. Was in Colorado - wie auch dem im Bundesstaat Washington und einer Handvoll anderer Staaten – legal ist, bezeichnet die Bundesebene nach wie vor als illegal. Besitz und Konsum von Cannabis sind so zwar in Colorado erlaubt erlaubt. Staatlich zugelassene Händler vertreiben den Stoff nach festen Kriterien, sie zahlen Steuern und Abgaben. Doch nach Bundesrecht dürfen sie ihre Einnahmen nicht wie jeder Burgerladen zur Bank bringen. Kreditkartenunternehmen oder Banken müssten eine Strafverfolgung durch Bundesbehörden fürchten, arbeiteten sie mit einem in Colorado lizensierten Cannabis-Verkäufer zusammen.

Das aber sind nur die Mühen des Übergangs von einem fast acht Jahrzehnte heiligen Bann zu einer neuen Rechtslage, wie sie nach erfolgreichen Volksabstimmungen demnächst auch in Alaska, Oregon und der Hauptstadt Washington D.C. gelten wird. Zehntausend neue Jobs schafft der Rausch, gleichzeitig kam der illegale Handel mit der Droge, den Politik, Polizei, Staatsanwälte und Gerichte über Jahrzehnte erfolglos zu bekämpfen versucht hatten, nahezu völlig zum Erliegen. Auch die Zahl der Überfälle und Gewaltverbrechen ist nach einem Bericht der „New York Times“ im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 4,8 Prozent gesunken.

Beispielgebend für Deutschland aber ist das noch lange nicht. Hier hält die Politik am Konzept fest, dass nur erlaubt sein kann, was immer schon erlaubt gewesen ist. Alles andere aber verboten bleiben muss.

Das Ergebnis sind rund 145 000 Ermittlungsverfahren pro Jahr im Zusammenhang mit Cannabis, von denen die Behörden zwischen 40 und 90 Prozent ohne Auflage oder Gerichtsverfahren wiedereinstellen. Und ein Flickenteppich an Rechtsanwendung, der das grundgesetzliche Gebot der Gleichbehandlung zu einem Witz macht. Jedes Bundesland verfolgt seine Kiffer nach Gusto: Wer in Berlin mit 15 Gramm noch problemlos straffrei davonkommt, steht in Sachsen-Anhalt schon dreimal vor dem Richter.

Das kostet, und nicht nur Vertrauen. Eine Studie der britischen South Bank University beziffert die durchschnittlichen polizeilichen Personalkosten pro Cannabisfall für Großbritannien auf etwa 800 Euro. Umgerechnet auf Deutschland ergäbe allein das jährlich eine Summe von etwa 116 Millionen Euro, die sich der Staat seinen völlig ergebnislosen Kampf gegen Cannabis kosten lässt. Noch nicht einmal mitgerechnet sind hier die Kosten für Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte, weil die ohnehin anfallen würden.



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