Donnerstag, 30. Juni 2016

Brexit-Reue: Von gewissenlosen, gefährlichen Clowns



Eine Schauspielerin, schwer überschminkt, gekrönt unter einem wuchernden Haarteil Modell Trump und gehüllt in tuffige Brokatkleider in wildem Muster und von türkisener Farbe - das ist die letzte, die schärfste Waffe der öffentlich-rechtlichen Medien gegen die Brexit-Seuche. Die "Tagesthemen" haben die an den leider viel zu früh verstorbenen Dr. Best erinnernde Figur der "Annette Dittert" in die Schlacht um die Köpfe geworfen, mit der der EU-Austritt der Briten wenigstens im Nachhinein zu einem Triumph der europäischen Gemeinschaft über die rassistischen, fremdenfeindlichen und ihrer Sinne nicht mächtigen Briten erklärt werden soll.

Die vermeintliche Dittert, im ARD-Studio London vor europablauem Hintergrund gefangen wie in einer Blase aus Angst vor der Ausweisung, wenn das Böse Britannien übernimmt, glaubt in ihrere Rolle nicht, dass es einen Austritt wirklich geben wird. "Die Lügen und Propaganda der Brexit-Befürworter werden immer stärker sichtbar", sagt sie, "das schrille Bühnenbild von üblen Lügen und Propaganda ist längst zusammengebrochen." Boris Johnson, Ex-Bürgermeister von London, sei "seit Freitag von der Bühne verschwunden." Beim großen Gewinner, so die Analytikerin des NDR, handele es sich sowieso um einen "gewissenlosen, gefährlichen Clown". Das begriffen nun auch immer mehr der Menschen, die verführt worden waren, "gegen ihre Regierung" und damit rein irrtümlich auch gegen die EU zu stimmen.

Das ist meinungsstark, das erinnert an die ganz Großen, die Charakterköpfe des Kanonenboot-Journalismus, denen die eigene Ideologie stets sicherere Richtschnur war als die Wirrnis der Fakten.

Geht es nach dem, was die Figur der "Dittert" glaubt und glauben machen will, dann fegt eine Welle an Brexit-Reue über die "Regeninsel" (n-tv), die von "Trotteln" (n-tv) bewohnt wird. Keiner, dem es nicht leid tut. Niemand, der die Zeit nicht lieber zurückdrehen würde, um sich bei Schulz, Juncker und all den anderen Männern zu entschuldigen, die es doch immer nur gut meinen.

Die Frau, die in den Tagesthemen die "Annette Dittert" spielt, - die echte Dittert hatte bereits im Anfang Dezember 2014 das Ende ihrer Tätigkeit als London-Korrespondentin für die ARD bekanntgegeben - weiß nun allerdings einen Ausweg. "Mit Hilfe von Neuwahlen könnten die Briten den Brexit noch abwenden", versichert sie.

Ein guter Rat aus Deutschland, den die Einwohner des Vereinigten Königreiches sicherlich gern und mit Freuden beherzigen werden.

EM: Finanziert vom Bösen

Es war als besonderer Witz gedacht, als der Deutsche Fußballbund im letzten Vorbereitungsspiel ein John-Heartfield-Zitat an einer Traverse anbringen ließ: "Millionen stehen hinter uns", ließen die Funktionärer plakatieren - ein gar nicht mal so subtiler Bezug auf eine hitlerkritische Heartfield-Fotomontage für die Arbeiter Illustrierte Zeitung aus dem Jahr 1932. Und wahr: Der DFB hat bei seinem Generalsponsor Mercedes Benz den Begriff "Nationalmannschaft" gegen einige Millionen Euro den neuen Namen "Die Mannschaft" eingetauscht. Mit Henkel, Commerzbank, Rewe und anderen konnten weitere Partner gewonnen werden, denen ein Abglanz des positiven Images der Kicker Millionen wert ist.

Die Deutschland AG findet ihre Entsprechung in der Uefa, die sich für ihre Europameisterschaft gleich eine ganze Reihe von finanzstarken Unternehmen aus quicklebendigen Beispieldemokratien gesucht hat. Neben Turkish Airlines, der staatlichen Fluglinie des Meisterdemokraten Recep Erdogan, dürfen auch der staatliche aserbaidschanische Energiekonzern Socar (State Oil Company of Azerbaijan Republic) und das chinesische Staatsunternehmen Hisense die fröhlichen Ballwechsel der Fußballjugend des Kontinents mit guten Gaben unterstützen.

Drei lupenreine Demokratien als Finanziers des sportlichen Spektakels im Herzen des Friedensnobelpreiskontinents, dazu auch noch der Hyundai&Kia-Konzern von Chung Mong-koo, den die Fifa-Ethikkommission letzten Oktober  für sechs Jahre gesperrt hat.

Neben den beiden unerlässlichen Gesundheitskonzernen Coca Cola und McDonalds und dem VW-Manipulationssoftwarezulieferer Continental stehen der Adidas-Konzern, dessen Verstrickung in die Hoeneß-Affäre bis heute ungeklärt ist, und die Carlsberg-Brauerei, die 2014 vom Kartellamt zu einer Millionenstrafe wegen verbotener Preisabsprachen verurteilt wurde, auf der Liste der sogenannten internationale Sponsoren.

Ein Kreis, der ebenso schillernd wie beeindruckend ist und nur noch übertroffen wird von der Auswahl an nationalen Nebensponsoren. Neben einer Zeitarbeitsfirma, der französischen Post und der gerade streikenden französischen Eisenbahn findet sich unter denen - traditionell auf blauem Grund werbend - auch die gute alte FDJ.

Aber nein, das ist nicht die DDR-Jugendorganisation, obwohl die schon lange nicht mehr verboten ist. Sondern die staatliche französische Lottogesellschaft Française des Jeux, ein Anbieter von Sportwetten. Dessen Werbung in Deutschland verboten ist.



Mittwoch, 29. Juni 2016

Grüne Revolution: Deutschland bleibt zurück

Es war eine grüne Revolution, als die Einwohner des Rocky-Mountain-Staates Colorado im November 2012 bei einer Volksabstimmung über das sogenannte „Amendment 64“ für die Legalisierung von Hanfsamen und die Zulassung zum Verkauf stimmten. Eine Mehrheit von 55,3 Prozent holte eine Droge, die im Jahr 1937 verboten worden war, weil sie als „in den Wahnsinn und Tod führendes Rauschgift“ galt, zurück in den öffentlichen Raum.

Und löste zumindest in Colorado einen Boom an sogenannten grünen Geschäften aus. 80 Millionen Dollar kassiert allein der Bundesstaat jährlich an Steuern, hinzu kommen lokale Sondersteuer für den Cannabisverkauf.Experten haben ausgerechnet, dass von jedem Dollar, der für Pot ausgegeben wird, 37 Cent in die Staatskasse fließen.

Die Situation in den Vereinigten Staaten insgesamt ist dennoch bizarr. Was in Colorado - wie auch dem im Bundesstaat Washington und einer Handvoll anderer Staaten – legal ist, bezeichnet die Bundesebene nach wie vor als illegal. Besitz und Konsum von Cannabis sind so zwar in Colorado erlaubt erlaubt. Staatlich zugelassene Händler vertreiben den Stoff nach festen Kriterien, sie zahlen Steuern und Abgaben. Doch nach Bundesrecht dürfen sie ihre Einnahmen nicht wie jeder Burgerladen zur Bank bringen. Kreditkartenunternehmen oder Banken müssten eine Strafverfolgung durch Bundesbehörden fürchten, arbeiteten sie mit einem in Colorado lizensierten Cannabis-Verkäufer zusammen.

Das aber sind nur die Mühen des Übergangs von einem fast acht Jahrzehnte heiligen Bann zu einer neuen Rechtslage, wie sie nach erfolgreichen Volksabstimmungen demnächst auch in Alaska, Oregon und der Hauptstadt Washington D.C. gelten wird. Zehntausend neue Jobs schafft der Rausch, gleichzeitig kam der illegale Handel mit der Droge, den Politik, Polizei, Staatsanwälte und Gerichte über Jahrzehnte erfolglos zu bekämpfen versucht hatten, nahezu völlig zum Erliegen. Auch die Zahl der Überfälle und Gewaltverbrechen ist nach einem Bericht der „New York Times“ im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 4,8 Prozent gesunken.

Beispielgebend für Deutschland aber ist das noch lange nicht. Hier hält die Politik am Konzept fest, dass nur erlaubt sein kann, was immer schon erlaubt gewesen ist. Alles andere aber verboten bleiben muss.

Das Ergebnis sind rund 145 000 Ermittlungsverfahren pro Jahr im Zusammenhang mit Cannabis, von denen die Behörden zwischen 40 und 90 Prozent ohne Auflage oder Gerichtsverfahren wiedereinstellen. Und ein Flickenteppich an Rechtsanwendung, der das grundgesetzliche Gebot der Gleichbehandlung zu einem Witz macht. Jedes Bundesland verfolgt seine Kiffer nach Gusto: Wer in Berlin mit 15 Gramm noch problemlos straffrei davonkommt, steht in Sachsen-Anhalt schon dreimal vor dem Richter.

Das kostet, und nicht nur Vertrauen. Eine Studie der britischen South Bank University beziffert die durchschnittlichen polizeilichen Personalkosten pro Cannabisfall für Großbritannien auf etwa 800 Euro. Umgerechnet auf Deutschland ergäbe allein das jährlich eine Summe von etwa 116 Millionen Euro, die sich der Staat seinen völlig ergebnislosen Kampf gegen Cannabis kosten lässt. Noch nicht einmal mitgerechnet sind hier die Kosten für Staatsanwälte, Richter und Rechtsanwälte, weil die ohnehin anfallen würden.



Sandy Schulze: Warum ich aus Großbritannien weggezogen bin

Sandy Schulze wollte eigentlich in England bleiben, hat aber nach dem Brexit die Koffer gepackt, um ins sichere Sachsen zu ziehen.
Sandy Schulze ist süße 27, geboren in Treuenbrietzen als Sohn eines Postbeamten und einer Verkäuferin. Aus Brandenburg ging die hübsche junge Frau schon mit 14 nach Großbritannien, um dort ein Austauschjahr zu absolvieren. Weil es ihr so gefiel und sie mit Bob, genannt Jimbo, einen fröhlichen jungen Engländer kennengelernt hatte, blieb sie danach als Au Pair im Land, jobbte dann an einer Tankstelle, studierte Internationale Wirtschaftsstudien am privaten Stembex-College in Devorshire und begann schließlich als Busfahrerin im beschaulichen Hemel Hempstead zu arbeiten.

Schulze fühlte sich stets als deutsche Engländerin, noch besser, sagt sie, als lupenreine Europäerin. Ein Gefühl, dass sie in den vergangenen Tagen verloren hat.z

Für PPQ beschreibt sie ihren Blick auf das neuen, nationalistische Großbritannien der menschenfeindlichen Brexiter.

Watford, Anfang der 2000er Jahre: Ich war gerade aufs Gymnasium gekommen, Deutschland gewann eine Fußballmeisterschaft und meine Nachbarn feierten Adolf Hitler. Meine Nachbarn, das waren Engländer wie alle hier in England. Und sie hatten viel Spaß als verkleidete Nazis. selbst ein Prinz machte mit, in Uniform.

Weil sie aber Briten waren und keine echten Nazis, schauten wir alle zu, gespannt, aber nicht nervös. Sie tranken unfassbare Mengen Bier und riefen Sieg Heil mit komischem Akzent. Wenn 50 Männer gemeinsam singen, kann man das sehr weit hören. Manchmal kletterte ich auf das Vordach unseres Hauses, ich drückte mich an die Hauswand und beobachtete sie.

Meine Gasteltern, eine nettes Paar mit Uni-Hintergrund, rief die Polizei. Sie meinten, das könnten sie dem Au Pair aus Deutschland doch nicht zumuten. Aber die Polizei sagte, man wisse schon Bescheid. Man könne aber nichts machen - man habe nicht genug Leute, sich um Sachen zu kümmern, die nicht verboten seien. Meine Gasteltern schrieben dem Ordnungsamt - der Ordnungsamtsleiter rief zurück und sagte: Das sind nur Dumme-Jungs-Streiche und er habe Wichtigeres zu tun.

Aber es waren nicht nur Dumme-Jungs-Streiche, wie sich 20 Jahre später zeigte, als eine Mehrheit der Briten für einen Austritt aus der EU, für eine Rückkehr zu Rassismus, Nationalismus, Nazismus und Fremdenfeindlichkeit stimmte. Das hätte man damals schon wissen können. Heute muss man es wissen - das Ergebnis der Brexit-Abstimmung spricht Bände.

Ich bin damals trotz der schlimmen Erlebnisse in Großbritannien geblieben, um eine multikulturelle, weltoffene Gesellschaft mitaufzubauen. Nazis, Hetzer, Europafeinde und Verteidiger von Linksverkehr und Pfund gab es hier schon immer. Das wussten alle außer den Leuten in Brüssel und Berlin. Aber was musste geschehen, dass sie die Überhand gewinnen? Was haben wir - ich und die anderen, die sich für die Guten hielten - falsch gemacht?

Nun sind wir aufgewacht in einem Land, in dem wir nie sein wollten. Linksverkehr, Pfundnoten, mieses Essen, dickes Bier - das alles lässt sich ertragen, ja, über die Jahre habe ich all diese absonderlichen Eigenheiten sogar in mein weltoffenes Heimatgefühl integriert. Aber nun, ohne EU-Mitgliedschaft?

Nein, ich werde nicht warten, bis die neue nationalistische Regierung uns Ausländer interniert und deportiert, bis sie uns unsere Häuser wegnehmen und unsere Kinder. Wir haben den Möbelwagen bestellt. Noch sind wir Unionsbürger, noch können wir gehen.

Sachsen soll auch schön sein.

Dienstag, 28. Juni 2016

Migration im Menschenpark

Die angebliche Verteilung von Rothaarigen in Europa - Rassetheoretiker schieben es auf "Gene", die EU-Kommission ist entschlossen, dagegen mit einem Gen-Verbot vorzugehen.
Es ist womöglich der erhellendste Text des laufenden Jahres, den die für gewöhnlich jede helle Stelle weiträumig umgehende Frankfurter Rundschau da veröffentlicht hat. Schuld ist allerdings nicht die Redaktion der Taz light, sondern der Peter Sloterdijk, vermutlich der letzte eigenständige Denker auf dem Karussell der staatlich alimentierten Philosophen. Sloterdijk fällt seit Jahren mit ebenso scharfen wie zutreffenden Analysen des laufenden Wahnsinns auf, erreicht im Gespräch mit Michael Hesse aber noch einmal ein neues Niveau an Durchzitierbarkeit.

Der 68-jährige Denker reitet hier im Galopp durch die Gegenwart, er analysiert den Trend vom "herkömmlichen Loyalitätswähler zu den Stimmungs- und Ausdruckswählern", den Niedergang der traditionellen Sozialdemokratie als Ausdruck eines Trends zu politischen Generika und ein Europa, das ringsum "mit Initiativen zu neuen Reichsbildungen konfrontiert" ist und seinen mächtigsten Politiker in Recep Erdogan hat.

Sloterdijk, vom toleranten Lager zu einem der Hauptfeindbilder der Gegenwart erklärt, spricht auch über sich selbst als einen Linken, bei dem "im Laufe der Jahrzehnte einige tiefere konservative Klangfarben hinzugekommen" seien. Der einsame Denker sieht sich hier im Zug der Zeit. "Bei Menschen, die über ihre Erfahrungen nachdenken, gibt es unvermeidlich so etwas wie Nachdunkelungen jugendlicher Helligkeitsübertreibungen", sagt er, "dann kommt man ungefähr in dem Spektrum an, in dem ich mich heute bewege."

 Wie andere von der schieren Macht der blödsinnigsten Behauptungen faszinierte Zeitgenossen beobachtet Sloterdijk seitdem „den Wirbel aus sich selbst zitierenden Zitaten, wie er wochenlang durch die Medien kreist“, er hört „die Wildbäche der trüben Meinung gurgeln“ und registriert „die sich täglich verlängernden Sequenzen aus Kommentaren und Kommentarskommentaren“.

Die Mediendynamik, niedergeschrieben in wenigen kompakten Grundgesetzen, ist immerdar. „Der Nonsens entwickelte ein wunderliches Eigenleben in immer kleineren, selbstähnlichen Abbildungen“, beschreibt Sloterdijk anhand seines eigenen Falles. Was bei „Spiegel“ und „Stern“ noch dröhnend und herrisch, großformatig und großinquisitorisch begonnen hatte, wiederholte sich in den „possierlichen Verkleinerungen der späteren Abschreiber immer wieder und immer wieder, bis zuletzt auch der ,Entenhausen Daily´die Botschaft weitergegeben hatte“.

Es lohnt, das ganze Gespräch nachzulesen

Martin Schulz: Der Brexit-Triumphator

Der Tag, an dem er seinen größten Triumph feiern sollte, begann gut für Martin Schulz. Es sehe nach einem Sieg für das "Remain"-Lager aus, beruhigte der Chef des Europaparlaments Anhänger der europäischen Einheit noch in der Nacht zu Freitag. Um Mitternacht sah eine Nachwahlumfrage die EU-Befürworter 52 zu 48 Prozent vorne, andere Demoskopen prophezeiten sogar eine heftige Niederlage für das Brexit-Lager. Schulz schmunzelte. Der große EU-Routinier wusste Bescheid. Er hat schon aufregendere Tage erlebt. Und immer Spaß gehabt.

Dann kam alles ganz anders, wie geplant. 17,4 Millionen Briten stimmten für den EU-Ausstieg, nur 16,1 Millionen dagegen. Und der Mann hinter diesem Votum, der große, kaum jemandem bekannte Gewinner ist Martin Schulz. Der Brexit ist sein Erfolg, der Aufstieg der europafeindlichen, rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa hat er über Jahre mit Warnungen, offenen Nationalismus und selbstherrlicher Kritik an europäischen Institutionen befördert. Seit Jahren bestimmt der frühere Würselenser Bürgermeister den Ton mit aggressiven, belehrenden und bevormundenden Botschaften an die Bürger der EU.

Der Sozialdemokrat schaffte es damit, der von den anderen EU-Mitgliedsnationen im Stillen immer noch gehegten Furcht vor einer deutschen Dominanz ein Gesicht zu geben: Seines. Zerfurcht ist das, vom Stress vieler Machtkämpfe in Hiterzimmern gezeichnet. Zerklüftet von ausgelebtem Hass auf Andersdenkende. Mit einem schütteren Bart bewachsen, der seinem Träger Erwachsenheit bescheinigen soll, aber dennoch wirkt wie die Kinnfusseln eines Teenagers.

Schulz stört sich nicht an seiner Erscheinung. Er liebt das Scheinwerferlicht. Als die Zuwanderung zum entscheidenden Thema wurde, brandmarkte er die Positionen der meisten Partnerländer als ewiggestrig und nationalistisch. Nur die deutsche Position sei gut, richtig und beispielgebend. "Wir schaffen das", versprach er - und dann, so Schulz, "wird Europa eine Weltmacht sein".

Mit dieser Parole befeuerte der frühere Buchhändler die Phantasien aller Nostalgiker und Nationalisten. Dabei ist der 61-Jährige ist kein dumpfer Hetzer, sondern ein geschickter Manipulator. Im Gegensatz zur Brüsseler Elite, die viele Europäer als unsichtbar und weltfremd wahrnehmen, gilt Schulz in seiner Partei als der Mann aus Brüssel. Er hat nicht studiert, war Alkoholiker und bei den Jusos. Schulz ist Bart- und Brillenträger, er ist Karlspreisträger, hat mehrere Bundesverdienstkreuze und Ehrendoktorwürden und er hält den Europarekord im Talkshowsitzen.

Ein traumhafter Aufstieg, mit dem der früh als Schulversager gebrandmarkte Polizistensohn ohne Abitur nicht rechnen konnte. Der Durchbruch gelang ihm 1994, als er sich entschied, die in der SPD ungeliebte Europapolitik zu seinem Feld zu machen. Schulz zog ins Europaparlament ein, wurde Chef der deutschen SPD-Landesgruppe. In Brüssel und Straßburg fällt er anfangs nicht auf, kein Mensch kennt ihn. Erst 2003 beginnt er, Politikerkollegen wie den Italiener Berlusconi fremdenfeindlich zu beleidigen, indem er Anspielungen auf Italiens Mafia-Tradition macht. Schulz provoziert mit Antisemitismus, er wärmt hanebüchene Verschwörungstheorien auf und verbündet sich mit der Hamas gegen Israel, um Punkte bei rechten und linken Antisemiten zu machen.

Es gelingt. Von früheren Versprechungen, die große Europa-Krise irgendwann zu beenden, ist nichts geblieben. Schulz spricht nicht mehr über Griechenland, nicht mehr über Finanzmarktregulierung, den Kampf gegen Spekulanten oder ein Ende der Hilfszahlungen. Er kennt nur noch eine Botschaft: Schuld sind immer die anderen. Schulz`oft als "überheblich und abgehoben empfundenes Brüsseler Verhalten", so der Tagesspiegel, befeuere "die Anti-Europa-Hetzer". Die, zerfressen vom Hass auf den strahlenden Parlamentspräsidenten, fragen sich neidisch, "mit welchem Recht Martin Schulz irgendwelche Ultimaten stellt". Ist er nicht nur Parlamentspräsident? Eine Art Frühstücksdirektor in einer Symbolversammlung?

Schulz entscheiden anmaßendes Auftreten kommt in Europa an wie eine Emser Depesche. Die dreiste Art des Deutschen, nichts geleistet zu haben, anderen aber fortwährend Anweisungen zu geben, macht ihn in seiner Heimat zum Liebling der Premiumpresse. Dort durfte er auch im EU-Wahlkampf deutschnationale, europafeindliche Botschaften verbreiten. Der SPD-Politiker ist vielleicht kein Rassist, aber wie alle Populisten nutzt er rassistische und nationalistische Botschaften, um seine politischen Ziele zu erreichen.

Schulz` Beliebtheit bei den Medien leidet trotz aller Grenzüberschreitungen nicht. Im Gegenteil. Seine Anhänger lieben ihn als jemanden, der für jeden Fall eine Warnung parat hat, wenn alles schon längst passiert ist. Schulz trägt den Beinamen "Schulzomat" - und er trägt ihn mit Stolz. Direkt nach dem britischen Brexit-Votum stellte der Deutsche den Engländern ein Ultimatum: Bis Dienstag müsse ein Austrittsantrag in Brüssel eingegangen sein, der dann zeitnah entschieden werde. Geschehe das nicht, sei "die Aberkennung der EU-Staatsbürgerschaft die logische Konsequenz", hieß es. Es gelte nun, "den Plan der EU-Gegner und die von ihnen erstrebten Auswirkungen auf das Innenleben der Rest-Gemeinschaft entschieden zu durchkreuzen.“

Schulz auf dem Gipfel seiner Macht. Er bewegt Europa, er lenkt und leitet, bremst und beschleunigt. Mit niemandem muss er sich mehr besprechen, er ist frei in seinen Entscheidungen, wer kommt und wer gehen muss.

Auch, was ihn selbst betrifft. Was kommt nun, wie geht es für Martin Schulz nach seinem Triumph weiter? Beobachter gehen davon aus, dass sich die politische Karriere des Brexit-Kämpfers in Brüssel dem Ende zuneigt. Mit seinem Erfolg beim Referendum, das eine Warnung ist an alle unbotmäßigen Hasser, Hetzer und Zweifler, habe er im Ausland alles erreicht. Die Ein-Mann-Partei Schulz ist am Ziel. Sie wird sich im kommenden Jahr neuen Aufgaben stellen - im Kampf ums Kanzleramt, von dem Europa in den kommenden Jahren direkt geleitet werden soll.

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Zusammengefasst: Die politische Karriere von Martin Schulz war einzig und allein auf die Förderung der eigenen Zukunftsaussichten ausgelegt. Er gibt sich gern als Mann des Volkes - und war damit erfolgreich. In Brüssel ist er mit seinem rauen, manchmal unverschämten Ton oft angeeckt, doch auch dafür feiern ihn die SPD-Anhänger. Nach dem Brexit dürfte sich seine Laufbahn nun dem Ende zuneigen, Schulz wird wohl nach brlin wechseln und Angela Merkel im Bundeskanzeramt beerben.

Montag, 27. Juni 2016

Brexit: Ausbruch aus der Planwirtschaft

Der Abriss Europas, von Brüssel vorangetrieben.
Am Beispiel Griechenlands beschreiben Medienwissenschaftler ihren Studenten bereits seit Jahren das Phänomen des öffentlichen Themensterbens, das durch fortlaufende Informationsverdünnung dazu führt, dass eben noch weltbewegende Nachrichten binnen weniger Wochen, Tagen oder Stunden völlig aus der Berichterstattung verschwinden.

Dieses Phänomen zeigt sich auch beim Brexit, einem in deutschen Redaktionsstuben bis zum Abend der Abstimmung für erledigt gehaltenem folkoristischen Ereignis. Überall hatten Reporter und Redakteure großes Vertrauen in die Fähigkeit Europas gesetzt, eine Mehrheit für einen von niemandem erwünschten Austritt schon irgendwie zu verhindern.

Dann die Überraschung, der Ausbruch aus der Planwirtschaft einer ausschließlich von oben organisierten fortschreitenden Integration abseits demokratischer Entscheidungsprozesse. Und seitdem der Versuch, den Eindruck zu erwecken, als seien alle schuld. Nur nicht die Armee der Medienameisen, die zuvor selbst nicht davor zurückgeschreckt war, den Mord an einer Abgeordneten zu instrumentalisieren, um Stimmung für ein genehmes Ergebnis zu machen.

Für den Abriss Europas, so wie wir es kennen, werden nun Veranwortliche gesucht. Schulz, Merkel, Brok, Hollande, Juncker und der Rest des Keulungskommandos, seit sieben Jahren damit beschäftig, die europäischen Verträge zu dehnen, zu strecken und im Stil von Hofzauberern je nach Bedarf zu interpretieren, kann es nicht gewesen sein. So müssen nun die Alten ran, die falsch gewählt haben. Die Ungebildeten, die die Tragweite ihrer Entscheidung nicht zu übersehen vermochten. Und die Armen, die von Neid und Hass getrieben waren und nun schon gern zurückrudern würden. Von "Spiegel" bis "Welt" sind alle stolz auf die, die ihrer Meinung sind: Der Schotte, ehedem ein mieser Separatist, ist nun die Fackel der Freiheit. Die jungen Leute, klug und gut gebildet, sind Opfer der alten, hässlichen Europa-Hasser.

Ein Sturm aus Hetze fegt durch die Medienlandschaft, kein Sturm aus Selbstkritik. Kein Wort dazu, dass alle Umfragen falsch waren, kein Augenblick des Innehaltens und Nachdenkens darüber, wie es schon wieder passieren konnte, dass veröffentlichte Meinung und das Abstimmungsverhalten der Öffentlichkeit völlig entgegengesetzte Stimmungsbilder zeigen.

Darüber zu schreiben, wäre fast, als würde man zum Thema Griechenland zurückkehren.



Sonntag, 26. Juni 2016

EU-Ausstrittsgeschichten: Der Inout der Inuit

Seit dem EU-Austritt 1985  versuchen immer wieder kleine Gruppen von Flüchtlingen, Grönland über den gefährlichen Landweg zu verlassen. Es gelingt niemandem.
Die dänische Kolonie war sauer. Schiffe aus der EU, zumeist mit Heimathafen in Deutschland, fischten den ganzen grönländischen Fisch weg. Konzerne aus der EU gruben den grönländischen Boden um. Alle hatten etwas dazu zu sagen. Nur die Grönländer nicht. Es kam, wie es 34 Jahre später wieder kommen würde: In einer Volksabstimmung entschieden die zumeist dem Volk der Inuit angehörenden Inselbewohner, dass Grönland kein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft mehr sein wollte.

Am 23. Februar 1982 gingen die Inuit zur Urne. Und stimmten für den Inout. Am 1. Januar 1985 trat der Austritt in Kraft.

Elmar Brok, damals ein blutjunger, fescher Polittruk, kommentierte streng: "Das war eine Fehlentscheidung, für die bitter bezahlt werden muss." Und der große alte Europäer mit dem traurigen Seehundsbart behielt Recht.

Im vierten Jahrzehnt nach dem Inout ist Grönland eine Weltgegend, die weitgehend unbewohnt ist. Eis bedeckt die von Investoren verlassenen Gebiete, die Bürger sind arm, es ist kalt, die riesige Insel ist weit weg gerückt von Europa, wo man heute kaum noch über sie spricht. Kahle Berge stehen hier, Gletscher haben sich die einst so vielversprechenden Bergbaugebiete zurückgeholt. Es gibt kaum vorschriftsmäßig gekrümmte Gurken, dafür aber klimaschädliche Glühbirnen, Dieselfahrzeuge und kaum Veganer.

Die Quittung für eine verheerende Entscheidung. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs nach dem Inout nur noch doppelt so schnell wie das deutsche, das Wohlstandsniveau liegt nur knapp über den EU-Durchschnitt, die Geburtenrate ist nur fast doppelt so wie die Deutsche.

Grönland hat bitter bezahlt dafür, dass in der EU nur noch den Status eines „assoziierten überseeischen Landes“ mit den Vorteilen einer Zollunion (vgl. Art. 188 EG-Vertrag) genießt und gemäß Art. 3 Abs. 1 Zollkodex nicht einmal zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehört. Kein Elmar Brok vertritt die Interessen der Inuit, nicht einmal irgendeijn anderer Politiker. Kein Martin Schulz kümmert sich rührend, kein Jean-Claude Juncker setzt sich für grönländische Steueroasen ein, kein EU-Flottenbesuch bringt Licht in die dunklen Zeiten, kein Schlepper-Abfangjägerverband feiert nach erfolgreich bestandenem Rotieren Ausstand.

Und alles wegen eines falschen fehlers. Sie bereuen es heute, jeden einzelnen Tag.

Brexit: Steigen jetzt alle überall aus?

Die Mörder des Weltfriedenskontinents: Separatisten wollen der Gemeinschaft ihr übles Messer in den Rücken stecken - die Klinge wurde womöglich im Kreml geschliffen.
Jetzt kommt es ganz dick für die verbliebenen Reste der Europäischen Union. Bereits wenige Stunden nach dem britischen Referendum, bei dem eine Mehrheit der Inselbewohner für einen Austritt Großbritannien aus der immerhin mit dem Friedennobelpreis gewürdigten Staatenfamilie befürwortete, meldeten sich schottische Separatisten zu Wort, um anzukündigen, dass sie ein erneutes Referendum zum Ausstieg aus dem Vereinigten Königreich anstreben. Parallel bereiten Separatisten in Nordirland ebenfalls eine Abtrennung von England und Wales vor, um - wie das Schottland plant - der EU nach dem britischen Austritt wieder beitreten zu können.

Bei der Brexit-Abstimmung hatte sowohl in Nordirland wie in Schottland eine Mehrheit der Bürger für den verbleib in der EU votiert. Auf Widerstand trifft die Ankündigung eines Austritts aus dem UK nun jedoch bei den Bewohnern der schottischen Grafschaften Dunbar und Edinburgh, in denen einen Mehrheit für den Austritt gestimmt hatte.

Sollte Schottland nach dem britischen Austritt aus der EU aus Großbritannien austreten, kündige der Bürgermeister von Peebles bereits an, werde seine Partei ein Referendum anstreben, damit die beiden abtrünnigen Grafschaften östlich von Glasgow dem UK unmittelbar wieder beitreten können.

EU-Kommissar Jean-Claude Juncker, der ehrgeizige Pläne zur Einführung einer gemeinsamen EU-Fußballnationalmannschaft zuletzt unter Hinweis auf die dann absehbar fehlenden Gegner bei einer möglichen nächsten EM abgelehnt hatte, machte sich inzwischen stark für eine schnelle Trennung von den schädlichen britischen Separatisten. Angesichts weiterer Abspaltungs- und Austrittswünsche in Spanien, Italien, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden brauche die verbliebene Gemeinschaft "schnell einen Überblick, auf wen wir uns noch verlassen können". Dann müsse hart, aber gerecht gegen die vorgegangen werden, "die immer noch nicht einsehen, wie die EU seit 1945 den Frieden in Europa gesichert hat".

Zwar hatten sich die Ministerpräsidenten der 27 EU-Staaten direkt nach dem Bekanntwerden des britischen Votum geschworen, "nie, niemals und unter keinen Umständen an einen Austritt auch nur zu denken". Entgegen bestimmter Verschwörungstheorien, die vor allem von russischen Trollen im Internet gestreut werden, wurde der entsprechende Vertrag jedoch nicht mit Blut unterschrieben.

Das gäbe den Separatisten, unter denen auch Italien, Spanien und Belgien seit Jahren leiden, die Chance, vielleicht unter der Ägide des Kreml eigene zerstörerische Referenden abzuhalten. Während das schottische Unabhängigkeitsbestreben, das vor zwei Jahren noch in ganz EU-Europa kritisch gesehen wurde, nunmehr als Aufstand der guten Briten gegen das böse Britannien der Johnsons und Farages gilt, werden Volksabstimmungen in anderen Regionen der EU von der leitenden Kommission aber vorerst weiter abgelehnt. "Bestimmendes Motiv" bei ihnen, so heißt es etwa in der "Rheinischen Post, "ist meist die Unlust, den eigenen Wohlstand mit dem Rest des Landes zu teilen".

Der Austritt der Briten aus der EU ist ganz klar ein solcher eruptiver Ausbruch von egoistischem Nationalismus. Der Austritt der Schotten aus dem UK wäre es nicht, der Austritt Dunbars aus Schottland hingegen doch wieder.

Europa wird unübersichtlicher. Schuld ist der Brite.

Samstag, 25. Juni 2016

Politikunterricht aus der Gaming-Welt

Deutschland, eine Weltmacht im virtuellen Ackerbau.
Eine der überraschendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist die Fähigkeit von  Smartphones, Menschen in Windeseile auf den neusten Stand in Sachen Politik zu bringen. Vom letzten Jan-Böhmermann-Skandal bis hin zum Twitter-Account der großen Politiker - die zahllosen Informationsquellen helfen, selbst bei penibel genau geschriebenen Presseberichten zwischen den Zeilen zu lesen.

Aber nicht nur soziale Netzwerke wie Twitter und Snapchat haben zu mehr gesellschaftlicher Ermächtigung geführt; auch Deutschlands Gaming-Trends zeigen, wie moderne Technologie immer öfter dazu führt, dass Spieler eigenverantwortlicher handeln.

Allerdings: Wie deutsche Dudelsackbauer und deutsche Sushi-Köche schneiden deutsche Spieleentwickler im internationalen Vergleich eher schlecht ab, wenn es darum geht, Spiele zu kreieren, die den mobilen Gaming-Boom ausnutzen. Ein Farming-Simulator, der es erlaubt, auf seinem heimischen Bürostuhl einen Bauernhof zu betreiben, ist einer der größten deutschen Gaming-Hits. Spiele-Deutschland ist damit etwa dort, wo Pop-Deutschland vor der letzten Eurovisions-Niederlage war. Kurz vor dem Abgrund. Und schon fast eine Furche weiter.

Viele Kritiker glauben, dass der mangelnde Erfolg auf die deutsche Sprache  zurückzuführen ist - dies sei einer der Hauptgründe dafür, dass Deutschland in der internationalen Gaming-Welt allerhöchstens ein Treckerrad auf den Boden bekommt. Deutsch und Spiele, das geht nicht zusammen.

Allerdings beweisen Websites wie Royal Vegas Casino mit einer großen Auswahl an Spielen wie Roulette, Slots und Poker in deutscher Sprache und mit einfacher Benutzerschnittstelle das Gegenteil: Deutsch geht, selbsterklärend geht auch. Und luxuriöse Spiele gehen, ohne die exklusiven Kasinos in Baden-Baden zu besuchen.

Der Erfolg von Seiten wie Royal Vegas Casino verdeutlicht darüber hinaus, dass sich der moderne Gamer vom typischen Teenager abhebt, der einfache Schießspiele bevorzugt. Stattdessen sind hier viele reifere Spieler unterwegs, die eher auf Kasinospiele zurückgreifen, die sie bequem auf ihrem Smartphone spielen können. Ein so unkomplizierte Form des Gaming, dass Konsolenspiele auf längere Sicht um ihre Existenz fürchten müssen.

In diesen Trend reihen sich unabhängige Spieleentwickler ein, die ganz einfach Spiele mit weltweiten Erfolgschancen kreieren können, ohne viel Geld für die Vermarktung oder den Vertrieb ausgeben zu müssen. Dank dessen entstehen momentan viele interessante Start-ups in Hamburg und geschäftstüchtige Firmen wie Royal Vegas Casino erreichen mit wenig Werbung Spieler in der ganzen Welt. So wird der Gewinn der potenziell lukrativen Spiele drastisch erhöht.

Brexit: Fünf grausame Lehren aus dem EU-Referendum

Erste Beschlüsse nach dem Brexit: Eigennutz vor Gemeinnutz!
Statt für Europa zu kämpfen, hat die europäische Elite sich in ihrer Brüsseler Wagenburg verschanzt und allein David Cameron den Kampf überlassen. "Wenn wir uns melden, entscheiden sich nur noch mehr Menschen für den Brexit", hieß es in der EU-Kommission. 

Die politische Kultur ist kaputt, weil die Führer Europas um ihre Unbeliebtheit wissen. Der Ruf nach Information statt Propaganda blieb ungerufen, die Medien setzten durchweg auf die Angstkarte. Und jetzt?


Von Heinz Heikel, London

Erstens: Lügen, verdammte Lügen … und Demokratie?

Es waren grauenhafte Wochen, verlogen und bösartig. Beide Seiten waren unaufrichtig und versuchten, den Menschen in Großbritannien und auf dem Kontinent Angst zu machen. Der Respekt vor den Wählern ging vollkommen verloren. Den wahrhaftigen Umgang mit Fakten schüttelten die Wahlkämpfer ab wie einen lästigen Mantel – es wurde unverfroren gelogen wie in allen Wahlkämpfen, nur dass hier die meisten Lügen nicht geglaubt werden mussten,  um zu wirken. Zahlenspiele, Türkeibeitritt, Gurkenkrümmung – das Image der EU ist so schlecht, dass ihr alles zugetraut wird, Hauptsache es ist unsinnig. Die Wähler bekamen einen Wahlkampf aus der Schule des populistischen Demagogen präsentiert, der an Instinkte appelliert und den kritischen Intellekt verbannt – deutsche Medien arbeitet in diesen Wochen, als seien sie berufen, den Briten Europaliebe beizubringen.

Zweitens: Irgendwas schadet immer dem Land

Der Grund für das Referendum war weder die EU noch das britische Volk, sondern die Zerstrittenheit der Konservativen Partei und die Unfähigkeit ihres Parteichefs, den Streit zu schlichten – so die Lesart der Europafreunde. David Cameron gilt hier als Schuldiger dafür, dass es überhaupt ein Referendum gab. Die EU hätte lieber mit einer Mehrheit EU-hassender Briten in der Union weitergemacht als mit einer EU ohne Briten. Wie konnte es kommen, dass der Plan scheiterte? Die EU wird regiert von Männern, die sich als Elite fühlen. Sie schieben sich gegenseitig Posten zu, besprechen selbst Postentausch in „Hinterzimmern“ (Gabriel), regieren mit Notverordnungen und schieben jede Pleite ihrer Versuche, sich noch mehr Macht von Bufett zu nehmen, den nationalen Regierungen zu.

Drittens: Gespalten, zerrissen, Brüssel

Europa ist sich nicht grün, leidet unter einer Wirtschaftskrise, die inzwischen länger dauert als der Zweite Weltkrieg. Grundschüler kennen ihren Heimatkontinent inzwischen nur so, so lange sie leben, war es nie anders. Großbritannien dagegen wuchs zuletzt, es hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Raumschiff entwickelt, das isoliert vom Rest der Union flog. Man fährt dort andersherum, wächst andersherum, hat Rabatte auf den EU-Beitrag ausgehandelt. Der materielle Graben korrespondiert mit einem Bildungsgraben. Sieben Prozent aller Schüler in Großbritannien besuchen eine Privatschule. In den hochbezahlten Jobs in der Londoner City, in den Spitzenmedien (von BBC bis Guardian) und mittlerweile auch in der Regierung sind die Absolventen von Privatschulen oft in der Mehrheit vertreten – das vertieft den Graben zum restlichen Europa, das auf staatliche Schulen und seine Parlamente am gern mit Berufsstudenten setzt.

Viertens: Die Feigheit vor dem Feind

Polterer wie Nigel Farage – ein von deutschen Medien früh als rechtspopulistischer Mistkerl gebrandmarkt – rissen den Mund auf. Die EU-Spitzen aber schwiegen. Weder der beliebte Deutschnationalist Martin Schulz noch Elmar Brok oder der von eigener Hand von jeder Schuld an nationalen Alleingängen freigesprochene EU-Kommissionschef Juncker wagten es, aus der Deckung zu kommen und für Europa in die Bütt zu gehen. Still und leise warteten sie in ihrer Brüsseler Wagenburg ab, ob es Cameron gelingen würde, mit einer großen Angstkampagne genug Wähler zu überzeugen, dass ein als lästig empfundener Verbleib in der Union immer noch besser sei als ein ungewisses Schicksal als souveräner Staat. Es war dieser Kleinmut, der auch als Feigheit vor dem Feind begriffen werden konnte, der den Wählern in Großbritannien klarmachte, dass nicht einmal mehr die Spitzen der EU an die gemeinsame Union glauben. Warum hätten es die Briten tun sollen?

Fünftens: Europa verzeiht nie

Die Menschen auf dem Kontinent sind es gewohnt, Briten als komische Gestalten wahrzunehmen, die zu viel trinken, schnell rot werden und nie braun, die glauben, sie hätten Hitler besiegt und deren Autos klappern und schnell kaputtgehen. Die Briten dagegen sehen den Kontinent als deutsches Projekt siehe: Der Hades-Plan, als einen erneuten Versuch der Deutschen, die Kontrolle über den Kontinent zu erlangen. In zwei Kriegen gelang das nicht, in einem EU-Frieden aber, so scheint es von London aus gesehen, droht die deutsche Dominanz für alle Zeiten. Die drolligen Außenseiter Europas mögen diese Zukunftsaussicht gar nicht, auch wenn sie verbrämt wird mit Versprechen, Rabatten und Zusicherungen, dass das alles nur gut gemeint sei. Während die Eliten auf dem Festland sich gegenseitig versichern, sie seien entschlossen, „kleingeistigen Nationalismus zu überwinden“, denken die Briten nicht im Traum daran, tausend Jahre eigener Geschichte auf dem Altar einer Verordnungsbürokratie von deutschen Gnaden zu opfern.

Freitag, 24. Juni 2016

Brexit: Das Groß ist zurück in Großbritannien

Allein zu Haus: Als nächstes kommt der Trotz - und die EU wird den Briten keine Träne nachweinen.
Aus, aus, das Spiel ist aus! Und gegen alle Gebete der demokratischen Medien, gegen das Schweigen von Kanzlerin und EU-Chefetage haben sich die Briten für eine neue Unabhängigkeit entschieden - und gegen ein Weiterso im Kreis der Völkerfamilie.

Es ist die ebenso unwahrscheinliche wie wahrscheinlich die beste Nachricht seit dem Mauerfall am 9. November 1989. Demokratie ist doch wieder machbar, sie lebt, sie kann sich durchsetzen. Nicht die Hinterzimmer haben gewonnen, nicht das Wunschdenken, nicht die Angstmache, nicht die neoliberalen Rechenkünstler, die den Pfundkurs gegen die Freiheit aufrechnen wollen und die Investitionsbereitschaft von Firmen gegen die Selbstbestimmung. Die kalte Überzeugungsarbeit des EU-Lagers hat verloren gegen das Gefühl der Mehrzahl der Briten, dass ein Ende mit Schrecken besser ist als eine EU-Mitgliedschaft ohne Ende.

Obwohl alle ideologischen Tricks vollführt und alle Angstkarten ausgespielt wurden, hat eine schweigende Mehrheit sich gegen den guten Rat aus Brüssel, gegen den Wunsch aus Berlin, gegen die Gebete der Industrie und für den eigenen, ungewissen Weg ins Freie entschieden. They just put the "great" back in Britain.

Die Umkehr der Verhältnisse ist plötzlich möglich, die "letzte Chance, aus dem Käfig des Erwartbaren herauszukommen", wurde genutzt. Nun entstehen wieder gesellschaftliche Alternativen jenseits dessen, was von der "Elite Unelected" - von den ungewählten Gemeinschaftschaftverwaltern - in Aktengebirgen eingemauert schien.

Die Brock, Schulz, Juncker, aber auch ihre nationalen Absender, sie sind nun gewarnt. Sie werden es Großbritannien so schwer wie möglich machen, um einen "Nachahmereffekt" (Elmar Brock) zu vermeiden. Was wäre schlimmer als dass Menschen in anderen Ländern sehen, dass Großbritannien nicht in Armut, Selbstmord, Krieg und Hunger fällt? Sondern eine zweite Schweiz wird, ein zweites Norwegen? Dass man allein nicht nur knapp 25 Prozent aller EM-Teilnehmer stellen. Sondern sie sogar alle durch die Vorrunde bringen kann?

Nun, EU-Europa ist gewarnt. Man darf das Volk nicht fragen, wenn man nicht Antworten bekommen möchte, die man nicht hören will.

Nikolaus Blome sagt dazu ganz sachlich, was es zu sagen gibt: "Die Briten sind irre. Sie haben mit Mehrheit beschlossen, die Europäische Union zu verlassen und sich damit allesamt selbst in den Kopf zu schießen."

Meinungsfreiheitsschutz: Irrer Hassposter bekommt zweite Chance

Mit diesem einfachen Griff kann Hetzern der Hass abgedrückt werden. 
Konsequenter Kampf schon den Anfängen, harte Strafen für Ersttäter und eine scharfe Netz-Hygiene - während Europa in seiner schwersten Stunde steht, kommt die europaweite Kampagne zum erweiterten Meinungsfreiheitsschutz allmählich wirklich ins Laufen.

Das musste jetzt auch ein widerlicher, irrsinniger und mutmaßlich von Moskau gesteuerter Hassposter erfahren, der im Landkreis Regen versucht hatte, mit Hassartikeln voller Hetze, Gewalt und Zweifeln  in sozialen Netzwerken zu Zwist, Volksverhetzung und Protest anzustacheln.

Der Täter hatte offenbar nicht damit gerechnet, dass die neuen, hochmodernen Cyber-Jagdkommandos der Innenministerien inzwischen Tag und Nacht unterwegs sind, um den Meinungsfreiheitsschutz in Deutschland zu gewährleisten. Als der Hetzer aus Regen im Januar 2015 drei Kommentare beim sozialen Netzwerk Facebook drei Einträge verfasste, die Formulierungen enthielten wie "Wenn jemand versucht, meine Frau anzufassen, gibt es eine Neuverfilmung von Rambo" oder "Es kommen nur junge Männer. Wo bleiben die Frauen und Kinder? Fällt euch nichts auf?", waren die Netzaufseher des Bundesblogampelamtes im mecklenburgischen Warin sofort zur Stelle.

Bei einer nächtlichen Razzia gelang es Beamten der Facebook-Spezialabteilung der Meinungsfreiheitsschutzbehörde, den sich anonym wähnenden Hassposter und entmenschten Hetzer dingfest zu machen, vor Gericht zu stellen und ihn wegen Volksverhetzung anzuklagen.

In der Verhandlung am Amtsgericht räumte der Möchtegern-Regisseur und selbsternannte Frauenzähler seine Verfehlungen ein und er zeigte sich reumütig. "Es war mir auf jeden Fall eine Lehre", sagte er im offenkundigen Bemühen, sich erneut um eine Aufnahme in die Gemeinschaft der anständigen Menschen im Land zu bewerben.

So einfach aber konnten es ihm Staatsanwalt und Richterin aufgrund seiner schweren Verfehlungen nicht machen. Während der Verteidiger des Hetzers dreist behauptete, weder die Ankündigung einer Neuverfilmung von "Rambo" noch die Frage nach dem Geschlechterverhälnis unter Migranten erfüllten den Tatbestand der Volksverhetzung, boten die Behördenvertreter großherzig an, die Sache mit Zahlung einer Geldauflage von 2500 Euro aus der Welt zu schaffen.

Der Mann zeigte sich vom reibungslosen Funktionieren des Rechtsstaates begeistert und stimmte freudig zu. Er habe erkannt, was er falsch gemacht und wie sehr er die anständigen Kräfte in Bevölkerung udn Politik enttäuscht habe, sagte er in seinem Schlusswort, gewandt an die Vertreter von Rechtsstaat, Justiz und bürgerschaftlich engagierten Vertretern sozialer Gruppen: "Ich habe jetzt mein Facebook-Profil gelöscht."

Die Einstellung des Verfahrens gibt ihm nun die Chance, seine Schuld an unserer Gesellschaft durch fleißige Arbeit, gesellschaftliches Engagement und Höflichkeit abzutragen.

Gelingt ihm das, wird die vorläufige Verfahrenseinstellung zu einer dauerhaften.

Kommentar in der renommierten "Zeit": "Im vergangenen Jahr gab es einen sprunghaften Anstieg von Fällen, in denen Menschen allein auf Grundlage ihrer Äußerungen im Internet zur Verantwortung gezogen werden."

Donnerstag, 23. Juni 2016

EU: Aufbruch in den Absolutismus



Die Stunde der Entscheidung naht. Das Volk hat die Atmosphäre vergiftet, es braucht einen reinigenden Regen, der die führende Rolle der Elite bei der Verschweißung Europas zu einem gesamtdemokratischen Gebilde ohne Nationalstaaten herausstellt. Längst haben die "revolutionären Vordenkerinnen einer Europäischen Republik" (SZ) eine Idee, wie der Weg zur "nachnationalen Demokratie" aussehen muss: "Bürger, die sich entschließen, in ein gemeinsames politisches Abenteuer zu gehen, gründen eine Republik", sagt Ulrike Guérot, "das ist alles".

So einfach, man muss nur wollen. Und wenn die Mehrheit nicht will, sondern ihrer rückwärtsgewandten Sehnsucht folgt, im "Nationalstaat als einziges Gefäß einer Demokratie" (Guérot) leben zu wollen? Wenn anderen vielleicht nicht gefällt, dass eine europäische Demokratie zwangsläufig eine deutsch-französisch dominierte Gesellschaft wäre? Dann "muss gelten", sagt die Vordenkerin: "Entscheidungen von großer europäischer Tragweite müssen von allen Europäern getroffen werden". Das heißt ein Austritt ist nur möglich, wenn die, die verlassen werden sollen, der Trennung zustimmen.

Es ist ein Plädoyer für die Abschaffung der subsidiären Demokratie, ein Plädoyer für den Absolutismus einer EU, die alle Entscheidungen zentral und zentralistisch treffen will, ohne dass es in Europa auch nur den Ansatz eines gemeinsamen politischen Dialogs zwischen den nationalen Bevölkerungen gibt. "Über EU-Entscheidungen müssen alle europäischen Bürger abstimmen, da darf es keinen Unterschied machen, wes' Landes Kind ich bin, das ist das Problem", sagt die frühere Mitarbeiterin des EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors - eine Idee, die darauf hinausläuft, dass niemand mehr nichts aufhalten kann, was in Brüsseler Hinterzimmern ausbaldowert wird.

Checks und Balances waren gestern, in der Vorstellungswelt der EU-Profiteure soll sich das große Gemeinwesen so organisieren lassen, dass das alle Türen und Fenster nur nach innen aufgehen. Teile und herrsche, indem die Vergemeinschaftest, was überwiegend keine gemeinsamen Interessen, ja, nicht einmal gemeinsame Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsendungen oder irgendeine andere Art von Agora hat.

"Wenn wir es richtig aufziehen, kriegen wir immer eine große Mehrheit für das Zusammenbleiben", lässt Ulrike Guérot einen unverstellten Einblick in ihre totalitäre Vision eines Europas ohne Alternative zu.

Referenden in Nationalstaaten haben heute Veto-Charakter gegen Mehrheitsbeschlüsse in der EU, die müssen weg, weil sie Veto-Charakter haben. das Wahlvolk kann da noch zu viel bewegen.

Die ganzen Nationalstaaten ebenso, so orgelt die Verfechterin eines "anderen Europa" (Guérot), deren hehres Ziel einer "europäischen Republik" sich bei näherer Betrachtung als Versuch entpuppt, Wählerinnen und Wähler völlig zu entmachten, indem man ihnen ein für allemal die Chance nimmt, Mehrheiten gegen die Mehrheit der Männer in den Kungelrunden der Staatenlenker zusammenzubringen.

"It's always tease tease tease / You're happy when I'm on my knees", sang Joe Strummer von The Clash ahnungsvoll schon vor fast vier Jahrzehnten, "one day is fine and next is black / so if you want me off your back".

Der Clash-Sänger beantwortete die Frage "Should I stay or should I go now?" übrigens nicht wie die professionelle Europa-Propagandistin Guérot mit Erwägungen über eine demokratisch verbrämte Abschaffung von Möglichkeiten, eine Gemeinschaft zu verlassen, in der man nicht mehr leben will.

Sondern mit einer Ahnung, dass verdrängter Ärger immer nur größer wird: "If I go there will be trouble / and if I stay it will be double".

Elite Unelected: Scheiße-Schleudern für die Zweifler

Die EU im Röntgenbild: Im Inneren ein Skelett.
Seit dem Ende des Kalten Krieges wird der Westen geplant, designt und regiert wie jedes andere tausendjährige Reich. Die "politischen Rahmenbedingungen" (Merkel) sind gesetzt, das freie Spiel der gesellschaftlichen Kräfte ist für alle Zeiten eingehegt, Opposition existiert nur noch als systemimmanente Unruhe, die leise tickt, aber keine Zeiger mehr bewegen kann.

So war es gedacht, so sollte es für immer sein. Nur ein paar kleine Krisen ("Das kostet Deutschland keinen Cent - und Goldman Sachs verdient sogar noch daran") stören den Eindruck, in der letzten aller Welten zu leben, die mal so und mal, immer aber hervorragend regiert wird.

Es sind die Hetzer, Hasser und Zweifler, die die wenigen kleinen Geburtskrankheiten der fest verschworenen Völkergemeinschaft nutzen, um Zwietracht zu sähen. Womöglich wieder von Moskaus Trollen gelenkt und gesteuert, sind die von interessierter Seite lancierten Volksabstimmungen zum Brexit und über Donald Trump nach Ansicht von Radikalen, Extremen und Extremisten die letzte Gelegenheit, den langfristigen Plan zur Erreichung der CO2-losen, veganen, gendergerechten und grundeinkommensgestützen Gesellschaft der Zukunft zu sabotieren.

Sie nennen es die "letzte Chance, aus dem Käfig des Erwartbaren herauszukommen", also angebliche gesellschaftliche Alternativen jenseits dessen auszuprobieren, was derzeit geltenden Abkommen zufolge für die nächsten 1000 Jahre festgelegt ist. Kann es noch kleine Länder geben? Dürfen Nationalstaaten doch wieder nationale Politik machen? Lässt sich ein Konsens durch Verhandlungen von gewählten Politikern unterschiedlicher Staaten herstellen? Oder braucht es dazu zwingend eine EU - aus dem Englischen übersetzte "Elite Unelected"?

Joachim Gauck hat es kürzlich erst gesagt: "Die Eliten sind nicht das Problem, sondern die Bürger". Von denen weiß man nie. Und eigentlich nichts trotz all der Datensammlungen, Geheimdienste und Meinungsumfragen. Und so ist das Experiment ein Wagnis, es löst Angst aus bei denen, deren Geschäft es ist, Angst zu erzeugen, um Klicks zu generieren, die wiederum den Boden bereiten für Verbote, mit denen das gesellschaftliche Korsett fortwährend enger gezogen wird.

Grund genug, die große Prop-Maschine gegen beides gleichermaßen anschreiben zu lassen: Sowohl bei Donald Trump als auch beim Brexit gibt es in Deutschlands demokratischen Medien nur eine Ansicht, nur eine wahre Leere.

Trump, für dessen politische Angebote immerhin nahezu die Hälfte der US-Amerikaner empfänglich zu sein scheint, gilt als Teufel in Menschengestalt, ein irrer, gefährlicher Kerl, der alles zerstören wird, was wir uns mit Barack Obamas Hilfe und der selbstlosen Anleitung durch Martin Schulz mühsam aufgebaut haben. Und der Brexit, eine Idee, der nahezu die Hälfte der Briten Sympathien entgegenbringen, erscheint in deutscher Übersetzung als eine kollektive Harakiri-Tat, die droht, uns alle mit in den Abgrund zu ziehen.

Die Kampagne dagegen ist folglich geprägt vom selben Volkserziehungsstil, von derselben überbordende Feindlichkeit. Schimpfworte von "irre" bis "verrückt" ersetzen Fakten, Warnungen rücken an die Stelle sachlicher Erörterungen. Kurz: große Scheiße-Schleudern schießen auf alles, was sich außerhalb des genehmigten Meinungskorridors bewegt.

Mittwoch, 22. Juni 2016

Zitate zur Zeit: Mein Pack, dein Pack

Abdul und die Leute dort zählen zu jenem „Pack“, auf das die SPD herab sieht; das „Pack“, das die SPD erziehen will; das „Pack“, dem die SPD keine eigene Meinung mehr zutraut; das „Pack“, das sie verachtet – das „Pack“, das zur AfD abwandert, weil es dort wenigstens noch ernst genommen wird.

Monika Bittl analysiert die Entfremdung der deutschen Sozialdemokratie vom Alltag der deutschen Sozialdemokraten

SPD: Aufspaltung soll Parteienstatus retten

  • Mit überwältigender Mehrheit hat ein Sonderparteitag der SPD die Aufsplittung von Deutschlands zweitgrößter Partei in drei Teile beschlossen, um Parteiarbeit und wirtschaftliche Aktivitäten künftig klar zu trennen.
  • Die Dreiteilung soll der SPD nach einem Bericht der SZ den Status "Partei" sichern, der wegen der Wirtschaftstätigkeit in Frage gestellt wird.
  • Es ist eine wichtigsten Entscheidung, die die ehemalige Arbeiterpartei in ihrer 150-jährigen Geschichte getroffen hat.
  • Abgespalten sollen werden auch die Offshore-Firma in Hongkong, die als Renditeperle der deutschen Sozialdemokratie gilt.


Eigentlich sollte der SPD-Sonderparteitag im Dorfsaal der Thüringer Gemeinde Ziegenhals tagen, doch dort ging das Dach kaputt und solange die Schäden nicht repariert sind, bleibt die Halle geschlossen. Also wich die mit noch knapp 231.563 Mitgliedern zweigrößte deutsche Volkspartei für eine der wichtigsten Entscheidungen seiner 150-jährigen Geschichte in den Festsaal eines benachbarten Kurhotels aus.

Der Vorgang entbehrte nicht gewisser Symbolik, denn auch die SPD leidet an chronischen Erkrankungen. Das Bindegewebe ist schwach, das Hirn malade und vorwärts kommt die Partei schon seit Jahren nicht mehr. Nun aber drohte auch noch die Aberkennung des Parteienstatus – ein Finanzamt an der polnischen Grenze hatte die SPD erstmals als Wirtschaftsunternehmen eingestuft. Die Parteiführung schien wie immer lange ratlos, wie sie damit umgehen soll.

Zumindest aber gibt es für den Umbau jetzt einen konkreten Plan: Mit überwältigender Mehrheit hat der geheim tagende Sonderparteitag die Aufsplittung der SPD in drei Teile beschlossen. Parteiaktivitäten und wirtschaftliche Aktivitäten werden künftig klar getrennt. Als dritte Säule übernimmt eine gemeinnützige Stiftung unter anderem die gemeinnützige Forschung. Für dieses von Parteichef Gabriel monatelang im Hinterzimmer vorangetriebene Modell stimmten 188 Delegierte, 33 waren dagegen, elf enthielten sich.

Das klare Votum ist erstaunlich, gingen ihm doch monatelange, massive Kontroversen voraus. Bis zuletzt kämpften Kritiker um Gabriels Vorgänger Müntefering heftig gegen die nun beschlossene Dreiteilung. Sie soll der SPD den Status als "Partei" sichern, der angesichts der unübersichtlichen Vermischung von Parteiarbeit und profitorientierten Geschäften wie dem sozialdemokratischen Reiseservice in Frage gestellt war.

In den vergangenen Tagen eskalierte der Streit; sowohl Gabriel und das Präsidium, als auch die alte Garde im Ruhestand positionierten sich mit Schüssen aus der Deckung: Gabriel werde zurücktreten, schossen die einen auf den aktuellen Chef. Er sehe die Partei bedroht, konterte der frühere Pop-Beauftragte. Gabriel betonte dabei, er habe "keinen Plan B" sollte die Dreiteilung scheitern. Die alte Garde der Schröder-Getreuen wiederum lehnten sie als für den Erhalt des Parteienstatus unnötig ab. Zudem würden hunderte Millionen Euro Parteivermögen durch die Ausgliederung der Kontrolle durch die Mitglieder entzogen.

Nichts von alledem war mehr auf dem Parteitag zu hören. Viele Kritiker waren gar nicht erschienen, den übrigen blieb nur der Rückzug. Bei der überhaupt einzigen Wortmeldung bei der Aussprache zur Reform kündigte der Chef des Kleeheimer Kreises an, in dem sich die Kritiker organisiert hatten, an, jede Entscheidung der Partei zu akzeptieren und keine weitere Plattformbildung zu dulden. In den vergangenen Tagen hatte es Spekulationen gegeben, der Kreis könnte im Falle einer Abstimmungsniederlage vor Gericht ziehen. Vor den Delegierten gaben sich die Abweichler nun aber kleinlaut. Es sei ihnen nie um eine prinzipielle Ablehnung der Aufsplittung gegangen, sondern nur "um die Art der Umsetzung" kurz vor der Bundestagswahl.

Der Beschluss ist ein klarer Sieg für Parteichef Gabriel, der in Probeabstimmungen für sein Konzept geworben hatte. Vor der Abstimmung redete er den 221 Delegierten ins Gewissen und warb teilweise emotional für seine Reform. "Im Kern geht es um eine einfache Frage", sagte er, "nämlich ob Deutschlands älteste Partei eine Zukunft hat." Ohne die Reform sei diese "konkret gefährdet". Das hätten anwaltliche Warnungen unmissverständlich signalisiert. Behörden prüfen auf eine anonyme Anzeige – mutmaßlich erstattet vom politischen Gegner - hin seit Ende 2014, ob die SPD sich noch zu Recht "Partei" nennen darf.

Entscheiden will das Gericht erst nachdem klar ist, ob sich der SPD reformiert und wie stark. Gabriel sprach von einem "erheblichen Risiko", dem die SPD "aktiv begegnen" müsse. "Wenn wir nicht selbst über unsere Zukunft entscheiden, tun es andere", sagte er.

Der Parteitag unter dem Motto "In Drei nun die Hände" hatte am Morgen zäh begonnen. Ein witzig-eloquentes Grußwort des Pasewalker Bürgermeisters, eine Festrede von Kurt Beck, der "zwölfspurige digitale Autobahnen" verlangte und der SPD riet, "sich einfach mal zu Waschen und zu Rasieren". Danach die üblichen Regularien und die Berichte der einzelnen Präsidiumsmitglieder über ihre Fachgebiete.

Doch egal, ob das Thema gerade Tourismus, Motorsport, Technik oder Finanzen hieß - kein Präsidialer, der nicht den Wandel anmahnte. Den Takt gab von Anfang an Parteichef Gabriel vor. Schließlich wolle die SPD nach all ihren Affären und trüben Geschäften spätestens zur Bundestagswahl im kommenden Jahr wieder das werden, was sie vor der Krise gewesen sei: "Ein stabiler Mehrheitsbeschaffer für die CDU."

Zum SPD-Offshoreleak




Dienstag, 21. Juni 2016

Nur wegen eines kleinen Streichs: Neues vom Israel-Pranger der Zeitschrift "Zeit"


Es ist das sogenannte Drehrumbum-Prinzip, nach dem deutsche Leitmedien seit Jahrzehnten von der "Gewaltspirale im Nahen Osten" (dpa) erzählen. Immer ist der Jude schuld. Selbst wenn er nur zurückschießt, besetzt er zuverlässig die Täterrolle.

Diese große deutsche Tradition aufgeklärter und von keiner Spur Hass geleiteter Berichterstattungsweise führt auch die Hamburger Wochenzeitschrift Die Zeit stolz und unabhängig fort. Geschult am aufgeklärten, modernen und urbanen Antisemistismus eines Jakob Augstein, gelingt es dem Blatt sogar in einer Schreibtischreportage über einen Molotowcocktail-Angriff palästinensischer Jugendlicher auf den Highway 443, der Tel Aviv mit Jerusalem verbindet, israelische Soldaten als Täter, die Angreifer aber als bedauernswerte Opfer darzustellen.

Der Trick dabei ist stets derselbe: Das Prinzip von Actio und Reactio wird außen vor gelassen, die Reaktion tritt an den Anfang, das sie auslösende Ereignis hingegen ans Ende. Für den flüchtigen Leser wird die Reaktion so zum Auslöser, die ursprünglich reaktionsauslösende Aktion dagegen verschwindet in Nebensätzen.

"Soldaten erschießen Palästinenser nach Steinwurf", überschreibt die "Zeit" ihren Text, in dem dann "Soldaten der israelischen Armee sind eigenen Angaben zufolge an einer Autobahn mit Waffengewalt gegen zwei Palästinenser vorgegangen" sind. Dabei "wurde ein 20-Jähriger getötet und eine weitere Person verletzt", heißt es in der "Zeit", die nicht vergisst, mit leichtem Zweifel zu zitieren, dass "die israelische Armee" mitgeteilt habe, dass "die beiden Männer Steine auf vorbeifahrende Autos geworfen" hätten.

Ist das nicht ungerecht? Erschossen zu werden wegen eines übermütigen Streichs? haben wir nicht schon mal Münzen auf Schienen gelegt? Steinchen auf Züge geworfen? Oder von einer Autobahnbrücke gespuckt?

Münzen? Steine? Spucke? Der geduldige Leser, geschult in langen Jahren der Entschlüsselung von Meldungen wie "Gaza-Krieg: Israel erwidert trotz neuer Waffenruhe Beschuss aus Gaza" (Der Spiegel), wird hier belohnt. Im zweiten Absatz, Zeile zehn, kommen dann noch Molotow-Cocktails hinzu. In Zeile zwölf schließlich tauchen auch noch zwei verletzte Autofahrer auf.

Aber damit nicht der Eindruck hängenbleibt, hier seien ein paar Terroristen bei der Arbeit erwischt und niedergestreckt worden, hängt die Redaktion noch ein themenfremdes Stückchen über den Abriss eines Terroristenhauses an.

 "Die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen wird aber im In- und Ausland angezweifelt", heißt es da. Abschließend folgt eine Gesamtschau der israelischen Verbrechen mit einem unverkennbaren Zungenschlag, der an der Unverhältnismäßigkeit des Handelns der einzigen Demokratie im Nahen Osten keinen Zweifel lässt: "Seit acht Monaten gibt es Angriffe meist einzelner Palästinenser auf Israelis, dabei wurden 28 Israelis und zwei Amerikaner getötet". Einzelne Palästinenser, ermordet von einer augenscheinlich durchgeknallten Soldateska.

Kein Zweifel, dafür spricht schon der abschließende Zahlenvergleich: "Israelische Sicherheitskräfte töteten in dem Zeitraum rund 200 Palästinenser."

Palästinenser. Terroristen waren offenbar nicht darunter.



Brexit-Angst: Sterben mit dem EU-Austritt wirklich alle Briten?

Die Steuern werden steigen. Die Reisefreiheit ist zu Ende. Es gibt kaum noch etwas zu Essen, zu Trinken natürlich erst recht nicht. Britische Firmen stehen reihenweise vor dem Untergang, die Reichen wandern zu Millionen aus London ab. Die Immobilienpreise sinken, die Immobilienblase platzt. Der 23. Juni ist der 11. September für Europas Finanzzentrum, das am Tag danach nur noch eine leere Ruine sein wird.

Tritt Großbritannien wirklich aus der EU aus, dann, da kennen deutsche Leitmedien keine Zweifel, wird es das Ende der Insel sein, die den Normannen widerstand, den Römern, den Franzosen und den Deutschen. Die Brexit-Angst, ein Gefühl, das erstaunlicherweise vor allem außerhalb Großbritanniens gepflegt wird, hat die Propagandakolonnen in Hamburg, München und Berlin ergriffen, die also nach Kräften drauflosdichten, um den deutschen Wahlbürger noch rechtzeitig vor der Vernichtungsabstimmung vor den üblen Folgen einer falschen Entscheidung zu warnen.

Der Deutsche würde hören. Jahrzehntelang galt die Eroberung des perfiden Albion deutschen Staatsmännern als nationale Aufgabe. Als der große Traum vom deutschen Europa dann mit Hilfe eines cleveren Tricks aus der britischen Weltmacht-Schule zu gelingen schien, witterten Churchills Erben Verrat.

Der Brite als solcher will die EU seitdem verlassen, weil er mitbekommen hat, dass der Deutsche als solcher ihn gern drinbehalten würde. Je mehr also die deutschen Großmagazine für ein Stay trommeln, desto eher tendieren die Briten zum Leave.

EU-Kommissar Jean-Claude Juncker, der ehrgeizige Pläne zur Einführung einer gemeinsamen EU-Fußballnationalmannschaft zuletzt unter Hinweis auf die dann absehbar fehlenden Gegner bei einer möglichen nächsten EM abgelehnt hatte, machte sich inzwischen stark für eine schnelle Trennung von den schädlichen britischen Separatisten. Angesichts weiterer Abspaltungs- und Austrittswünsche in Spanien, Italien, Dänemark, Frankreich und den Niederlanden brauche die verbliebene Gemeinschaft "schnell einen Überblick, auf wen wir uns noch verlassen können". Dann müsse hart, aber gerecht gegen die vorgegangen werden, "die immer noch nicht einsehen, wie die EU seit 1945 den Frieden in Europa gesichert hat".

Zwar hatten sich die Ministerpräsidenten der 27 EU-Staaten direkt nach dem Bekanntwerden des britischen Votum geschworen, "nie, niemals und unter keinen Umständen an einen Austritt auch nur zu denken". Entgegen bestimmter Verschwörungstheorien, die vor allem von russischen Trollen im Internet gestreut werden, wurde der entsprechende Vertrag jedoch nicht mit Blut unterschrieben.

Montag, 20. Juni 2016

Verbot der Woche: Gefahr Genpflanze

Es ist der Wunsch einer überwältigenden Mehrheit der Deutschen, gefährliche Gene in menschlicher Nahrung zu verbieten. Deshalb lehnen Millionen den Abschluss des TTIP-Abkommens mit den USA ab, das als Hintertür für die weltweite Landwirtschaftsindustrie gilt, manipulierte oder gezielt gezüchtete DNA auf die heimischen Abendbrotsteller zu schmuggeln.

Lange hat die Bundesregierung gezögert, hier einschneidende Maßnahmen durchzusetzen. Doch jetzt, beunruhigt offenbar von anstehenden Wahlgängen, die auch zur Volksabstimmung über die Zulassung von Genmaterial im Essen zu werden drohen, prescht Umweltministerin Barbara Hendricks vor. Auf ihrer Facebook-Seite hat die beliebte Vorsorgepolitikerin nicht nur einen klara Absage an den chemischen Stoff Glyphosat formuliert. Sondern auch klargestellt, dass sie gegen "Genpflanzen auf deutschen Äckern" eintritt.

Stoffe und Gene, von denen nicht wie beiAlkohol, Fette, Teere, Nikotin und weißer Zucker zweifelsfrei nachgewiesen sei, dass dass sie für die Gesundheit unbedenklich sind, sollten nicht zugelassen werden. "Wir brauchen endlich ein Gesetz, das dem Bund die Möglichkeit gibt, den Anbau von Genpflanzen zu verbieten - und zwar bundesweit", fordert Hendricks beim Bundespresseportal. Gene seien vor allem in menschlicher Nahrung unkalkulierbar, Pflanzen, die aus Genen bestehen, bringen unübersehbare Gesundheitsgefahren mit sich.

Laut einer Umfrage des des Forsa-Instituts ist es für 79 Prozent der Verbraucher wichtig, dass Legehennen und Geflügel nicht mit Genpflanzen gefüttert werden. Gene gelten als krebserregend, fortpflanzungshemmend und allergieauslösend.

Die Mehrheit der Menschne hat das Vertrauen zu Genen längst verloren. 57 Prozent der Bürger würden keine Unterstützer von Gennahrung in ihren Freundeskreis aufnehmen, immerhin 37 Prozent weigern sich sogar, gemeinsam mit Genfreunden zu beten oder zu Friedensdemos zu gehen.

Wichtig seien beim Essen Frische und Regionalität von bäuerlichen Angeboten, aber auch eine Garantie, dass es sich um genfreie Pflanzen handelt, so 68 Prozent der Befragten.

Mehr Verbote der Wochein der zeitkritischen PPQ-Reihe