Samstag, 9. April 2016

PPQ: Im Zustand grundsätzlicher Gereiztheit

Zwei Jahre, drei Monate, länger dauerte es nicht, bis nach dem Europa-Analyseboard PPQ auch das Handelsblatt einen tiefgründigen Blick auf Deutschlands neue Rolle im ebenso mächtiger wie zerbrechlicher gewordenen Europa warf. In vielen Staaten werde Deutschland für seine Wirtschaftskraft geschätzt und seine Kanzlerin bewundert, heißt es dann. "Doch zu Hause drücken Zukunftsängste auf die Stimmung der Bürger".

Deutschland sei "ein Land im Zustand grundsätzlicher Gereiztheit“, kommentiert Torsten Riecke, der damit eine Analyse des Economist aus dem Jahr 2013 belehnt. Damals hatten die britischen Populärwirtschaftler Deutschland zum scheuen Hegemonen ernannt, beim Handelsblatt anno 2016 ist das Vaterland des Hades-Planes hingegen ein "widerwilliger Hegemon". Gutmütig, aber unwillens, seine Rolle zu spielen.

In den Jahren seit der ersten Aufarbeitung des Umsetzungstandes des Hades-Planes hat sich daran nicht viel geändert. Deutschland führt, indem es allein marschiert, es dominiert, indem es schmollt. Das Fazit im Economist seinerzeit: Deutschland demonstrierte „kleinstaatliche Zauderei“ und übe seine Rolle als europäische Führungsmacht nur hinter verschlossenen Türen aus.

Das Land der Henker versteckt sich immer noch hinter dem Wirtschaftswunderland, die wiedervereinigte Großmacht geriert sich, als sei sie noch der „kranke Mann Europas“, der der Verwandschaft von seinem Lager aus nicht sagen könne, wie sie sich zu verhalten habe.

Wenn es so will, soll Europas größte Macht auch den Preis dafür zahlen, empfiehlt die OECD, die in den Jahren vor dem Untergang des Abendlandes viel damit zu tun hatte, Analphabetenraten in den Hochbildungsnationen auszurechnen. Im Licht der neuen deutschen Dominanz fordert die Welt-Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nun lieber "erheblichen Reformbedarf in Deutschland".

Das Rentenalter müsse rauf, die Steuern auf Arbeit müssten runter, bessere Bildung muss her, um die Produktivität zu steigern, um "die Lebenszufriedenheit in einer rapide alternden Gesellschaft zu erhöhen und die Integration der Flüchtlinge und Migranten zu gewährleisten". Die waren es gerade noch gewesen, an denen die demografisch angeschlagene deutsche Wirtschaft genesen sollte. So rettet denn der eine den anderen, ein großes, solidarisches Fest, das aus Zukunftsangst irgendwann Omas alte Gewissheit werden lassen wird: Wie man es macht, es ist immer verkehrt.



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