Ein Buch über die letzten Monate Angela Merkels, das sich wie ein packender Krimi liest? Geht das? Darf man das? Ist das überhaupt noch erlaubt? Noch ist es ja gar nicht soweit, dass sich die Tage der beliebtesten Kanzlerin dem Ende zuneigen, noch sitzt die deutsche Hamburgerin fest im Berliner Sattel und hat gute Hoffnung, die 27 europäischen Länder, die von ihrer Linie abweichen wollen, doch noch zu überzeugen.
Und da kommt nun dieser junge Thüringer Autor Wenzel Heisebrink, Sohn eines Pfarrers und einer Edeka-Verkäuferin, nicht studiert, nicht richtig gearbeitet außer "mal vier Wochen als Wahlhelfer bei einer grünen Landtagswahl-Kampagne", wie er selbst sagt. Und schleudert wie aus dem Handgelenk ein Buch auf den Markt, dass an Karl Orbecks Klassiker "Der Untergang" über die letzten Tage im Führerbunker und Markus Wolffs großes unveröffentlichtes Honecker-Epos "Tage im frühen Herbst" zugleich erinnert.
Wie fühlt es sich an, wenn das Gefühl aufkommt, dass die Macht schwindet? Wie kehren Götter auf die Erde zurück? Was bewegt die noch, die nichts mehr bewegen können? "In den Iden des März" hat Heisenbrink seine Weltuntergangssage genannt, die eigentlich nur eine Geschichte des Untergangs einer Frau ist, die solange klug regierte, wie es nicht aufs Regieren ankam. Und die Straucheln geriet, als zum ersten Mal ein kalter Wind die Kanzlerwaschmaschine hineinwehte.
Wenzel Heisebrink belehnt den "Turm", wenn er detailverliebt schildert, wie es hinter den Kulissen der Kanzlerinnenmaske aussieht. Er beschreibt das Hauen und Stechen unter den Beratern und Begleitern, die Furcht der Partei vor dem Einflussverlust und das Aufbegehren der Hinterbänkler, die ihre Existenz schwinden sehen.
Sein Kunstgriff: Der kurzweilige 545-Seiten-Wälzer, den sieben deutsche Verlage ablehnten, um "kruden Thesen keine Plattform zu bieten", so dass er am Ende beim Zürcher Mastodon-Verlag erscheinen musste, beginnt mit einer Szene, in der Angela Merkel ihren Schreibtisch ausräumt. Sie geht ohne Zorn, ohne Tränen, aber es endet eine Ära.
Von nun an steht über alle Ereignisse, die in filigranen Rückblenden erzählt werden, immer die eine Frage im Fokus: Wer betrog Merkel wirklich und warum? Meisterhaft versteht es Heisenbrink, auf dem schmalen Grat zwischen Überlieferung und Fiktion zu wandeln und den Leser in den Bann des unblutigen politischen Attentats zu ziehen, von dem man schon Wochen bevor es tatsächlich geschieht, sagen kann, dass es in die Geschichte eingehen wird.
Über den Auto:
Wenzel Heisebrink ist hauptberuflich Kühlwagenfahrer bei einer internationalen Spedition in Gotha. Er war Mitglied im Klub junger Dichter und versuchte sich als Straßenmusiker in Nikaragua und Peru. Heisenberg ist 32, Vater einer Tochter und nicht mehr verheiratet, seine Parteimitgliedschaft bei den Grünen lässt er nach einer enttäuschenden Affäre nach eigenen Aussagen seit 2012 ruhen. Das Buch "Die Iden des März" schrieb Heisebrink in seinen Rauchpausen und im großfrei nach Doppelschichten. Bereits erschienen von ihm sind: „Das Thüringer“ (2008), ein Reportageband über den Weg der Linken in die Erfurter Staatskanzlei, und "Meine Haut, mein Helm, meine Hose", ein Sammelband mit frühen Gedichten.
Die Iden des März
Protokoll eines Mordes
Mastodon-Verlag Zürich
2016. 545 S. mit 44 s/w Radierungen und einer dreifarbigen Zeittafel, Bibliografie und Personenregister, gebunden mit Schutzumschlag, € 29,95 [D], Österreich 32,49 Euro
ISBN: 978-3-8062-13346-0