Samstag, 27. Juni 2015

Doku Deutschland: Vorratsdaten - hinter den Kulissen des SPD-Konvents

Es ging um die Vorratsdatenspeicherung, vor allem aber um das Schicksal des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel auf dem Parteikonvent der SPD, bei dem die Regierungspartei über ihre Zustimmung zur Rückkehr zur vom verfassungsgericht untersagten Speicherung von Internet- und Kommunikationsdaten ohne Anlass beschließen wollte. Die Jungsozialistin Luisa Boos hat jetzt bei "linksrum" einen Erlebnisbericht über die Abläufe, Vorgänge und Hinterzimmer-Kungelrunden verfasst.

Ein Dokument, das in seiner Ernsthaftigkeit verstiegen wirkt, scharfkantige Parteiarbeitersprache enthält und den unvorbereiteten Leser mit Begriffen wie "Debatte" und "Gliederungen" vielleicht verwirren und verunsichern wird. Zugleich aber macht es der direkte Stil der Autorin zu einem Zeitdokument erster Güte, dessen objektiver Wahrheitsgehalt aus der tiefempfundenen Enttäuschung der Protagonist hervorgeht.

PPQ dokumentiert das überbordende politische Poem leicht gekürzt in der Reihe Doku Deutschland.

Der Samstagmorgen begann dann mit der gemeinsamen Vorbesprechung der Linken in der SPD. Auch Heiko Maas nahm an dieser teil und stellte sich den überwiegend kritischen Nachfragen. Diesen Austausch möchte ich auch im Nachhinein ausdrücklich begrüßen. Enttäuschend war jedoch, dass die Vorbesprechung von Ralf Stegner unmittelbar danach abgebrochen wurde, obwohl noch mehrfach der Wunsch geäußert wurde, über eine gemeinsame Strategie, wie z.B. Änderungsanträge der Jusos und der DL, zu sprechen. Wer nicht in der anschließenden Besprechung im kleinen Kreis dabei war, wusste demnach zunächst einmal nicht, welche Änderungsanträge nun definitiv gestellt werden sollen. Eine Delegiertenvorbesprechung der SPD-Linken stelle ich mir prinzipiell anders vor.

Und dann ging’s los – der Parteikonvent

Der Parteikonvent begann mit einer Grundsatzrede von Sigmar Gabriel. In dieser Rede verteidigte er unter anderem auch seine in der Bildzeitung artikulierte Haltung zu Griechenland. Dies sorgte für Unruhe im Raum. Generell wurde seine Rede von wenig Applaus begleitet und ich empfand die Stimmung gegenüber dem Parteivorsitzenden stellenweise als sehr eisig.

Und dann ging es in die Debatte zur VDS / Höchstspeicherpflicht oder wie auch immer heute das Wording sein mag. Heiko Maas brachte den Initiativantrag des Parteivorstands ein, informierte über den Gesetzesentwurf, erläuterte seine Verhandlungserfolge gegenüber der CDU und begründete auch seinen Kurswechsel in dieser Frage. Er habe sich gefragt, was passieren würde, wenn es in Deutschland einen Terroranschlag gäbe. Welche Debatten dann entstünden und dass dann wahrscheinlich eine Variante der VDS kommen würde, die uns allen noch viel weniger gefällt. Dies mag sogar tatsächlich ganz gut voraussagen, wie die Medien und Politik nach einem Terroranschlag reagieren würden, stellte für mich dennoch kein Argument dar. Insgesamt empfand ich diese Rede aber als sehr fair und er bekam auch viel Applaus. Auch von mir, denn es stimmt: Wenn man eine anlasslose Speicherung nicht prinzipiell ablehnt, dann hat er ein gutes Verhandlungsergebnis erzielt.

Mir und vielen anderen ging es auch in der Debatte nicht darum, Heiko anzugreifen oder seinen Verhandlungserfolg in Frage zu stellen, sondern sachlich unsere Gegenposition darzulegen. Und diese Gegenposition war vor allem zu Beginn der Debatte sehr dominant. Wohl zu dominant, denn nach circa 1,5 stündiger Debatte wurde der Parteivorstand zusehend immer nervöser.

Eine Delegierte hatte in der Debatte noch einmal herausgestellt, dass die Vorratsdatenspeicherung laut Studie des Max-Planck-Instituts nur einen extrem geringen Erfolg in der Strafverfolgung vorzuweisen hat und die Frage aufgeworfen, was eigentlich passiere, wenn die Evaluation des Gesetzes zu ähnlichen Schlüssen kommt.

Diese Frage nahm Ralf Stegner in seinem späteren Debattenbeitrag auf, um eine erneute Diskussion in der SPD zum Thema VDS im Jahr 2018 zu fordern. Dies sollte sozusagen dann einen Kompromiss darstellen.

Mit dem Wort Kompromiss wurde in der Debatte übrigens so häufig gearbeitet, dass ich in meinem Redebeitrag versucht habe darzustellen, dass es in der Frage anlasslose Speicherung der Verkehrsdaten aller Bürgerinnen und Bürger ja oder nein, keinen Kompromiss geben kann. Der Initiativantrag des Parteivorstands war deshalb nie ein Kompromiss. Im Gegenteil – er war genau die gegenteilige Position der über 100 Anträge aus den Gliederungen und der Beschlüsse von 11 Landesverbänden.

Dennoch hatte Ralf Stegners Forderung natürlich den Effekt, dass die Debatte weg ging von der grundsätzlichen Entscheidung, was ich als sehr ärgerlich empfunden habe. Denn egal, welche Position man einnimmt – beides ist legitim – hätte diese Debatte im Grundsatz entschieden werden müssen.

In einem späteren Redebeitrag bedankte sich Sigmar deshalb folgerichtig für die Initiative von Ralf Stegner und sagte, dass er sich für diese Neubewertung nach ein paar Jahren einsetzen werde und dies gerade mit Thomas de Maizière besprochen habe. Das ist der einzige Punkt, an dem ich mich als Delegierte im Nachhinein hinters Licht geführt fühle, da in der nachfolgenden Pressekonferenz deutlich wurde, dass dieser „Kompromissvorschlag“ mit Thomas de Maizière bereits weit im Vorfeld vereinbart worden – und eben nicht ein spontanes Zugeständnis den kritischen Delegierten gegenüber war. Meiner Ansicht nach hätte man dies offen kommunizieren müssen. Von diesem Schauspiel aus der Presse erfahren zu müssen, war mehr als ärgerlich.

Prinzipiell möchte ich aber festhalten, dass die Debatte an sich sehr fair geführt wurde und das Tagungspräsidium sehr dazu beigetragen hat, diese offene Debatte zu ermöglichen. Die meisten Redner*innen, egal mit welcher Haltung, haben sich sehr sachlich und respektvoll in die Debatte eingebracht. Darauf können wir tatsächlich stolz sein.

Die Abstimmung

Eigentlich sollte mittlerweile das Abstimmungsergebnis allen bekannt sein. Der Vollständigkeit halber nenne ich es jedoch noch einmal: 124 Delegierte stimmten für den Initiativantrag des Parteivorstands, 88 dagegen und 7 enthielten sich. Obwohl dieses Mehrheitsverhältnis eigentlich schon beim Kartenheben erkennbar war, wurde Auszählung gefordert und dann auch durchgeführt. Das war fair und ist auch der Grund dafür, warum ein exaktes Ergebnis angegeben werden kann.

Was lief noch am Rande?

Abschließend möchte ich nun ein paar Anmerkungen zum Konvent loswerden, aber davor warnen diese so auszulegen, als würde ich behaupten, ohne diese Geschehnisse wäre das Ergebnis ein anderes gewesen. Ich habe kein Interesse daran, mich an „Was-wäre-wenn-Spielchen“ zu beteiligen. Mir geht es ausschließlich darum, solche Abläufe transparent zu machen.

Ich halte es für völlig legitim, dass Menschen versuchen andere von ihrer Position zu überzeugen. Deshalb würde ich niemals kritisieren, wenn Leute durch die Reihen gehen und das Gespräch suchen. Allerdings gab es am Rande dieses Konvents auch andere Situationen:

In manchen Landesverbänden wurden Delegierte zu Einzelgesprächen mit prominenten Vertreter*innen der Parteiführung oder der jeweiligen Landes-SPD gebeten, in denen auch ihre persönliche Zukunft in der SPD diskutiert wurde. Mir sind einige begegnet, die explizit froh waren, dass sie die Freiheit genießen „nichts mehr werden zu wollen“. Es ist wichtig, dies mal zu diskutieren, denn wenn nur Menschen in dieser Partei was werden dürfen, die im Zweifelsfall eine sehr flexible Meinung haben, dann brauchen wir auch nie wieder darüber diskutieren, warum wir an Glaubwürdigkeit verlieren.

Noch bedenklicher fand ich aber, dass in mindestens einem Landesverband darüber diskutiert wurde, wie sich die Höhe des Zuschusses der Bundes-SPD für anstehende Landtagswahlkämpfe, bei welchem Verhalten der Delegierten, verändern könnte – natürlich zum Negativen. Ich möchte nicht Teil einer SPD sein, die so etwas zulässt, sondern Teil einer SPD, die in der Sache streitet und in genau dieser (und auch nur dieser) Sache eine Entscheidung fällt. Ob sie mir gefällt, oder auch nicht.

5 Kommentare:

  1. Ja da merkt man wieder wie demokratisch Deutschland wirklich ist....

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  2. sabøtiert den sozi-Drecksladen

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  3. Bei "wie das wording hierzu sein mag" statt "wie man das heute nennt" habe ich angewidert das Lesen abgebrochen. Tut mir Leid.

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  4. wording ?

    ich kenne war Ding ;das Teil ausm Krieg .

    was heisst denn "wording" ?

    der Sepp ,

    Reichsvolkshochschulwart

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  5. ^Lieber @Sepp, das ist praktisch "boarding", nur im Wasser.

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