Unter dem Decknamen "der alte Pommer" führt ein fliegender Fluchthelfer einen "Privatkrieg gegen die EU". Er fährt entgegen den Regelungen des europäischen Grenzregimes mit einem Kutter übers Mittelmeer, holt bedrängte Flüchtlinge aus Libyen, Algerien, Tunesien und Syrien und entging einmal nur knapp dem Abschuß durch Frontex-Hubschrauber. Aber das schreckt den Hasardeur nicht ab: Friedemann Schmalenbeck ist ein Überzeugungstäter, er glaubt daran, dass kein Mensch illegal ist und jeder das Recht hat, zu leben, wo immer er will. "Wenn man die Leute im mittelmeer verrecken lässt", sagt der 54-Jährige aus Teterow, "dann macht sich jeder schuldig, der nicht eingreift." Schmalenbeck verweist auf den Strafrechtsparagrafen zur Tötung durch Unterlassen, die deutschen Behörden hingegen sehen in ihm einen kriminellen Schlepper und jagen sein Boot "Freedom". Ein ungleicher Kampf, bei dem der frühere Fischer der DDR-Hochseeflotte bisher die Nase vorn hat.
Wie es die afrikanische Flüchtlinge nach Norden zieht, lockt den gelernten Bootsmann Schmalenbeck der Süden. Dort geht er, so oft es die Auftragslage zulässt, seiner riskanten Lieblingsbeschäftigung nach: Fluchthilfe per Schiff. Schmalenbeck nennt das seinen "Privatkrieg gegen die EU". Bei der wie in der deutschen Politik heißen seine Hilfseinsätze "staatsfeindlicher Menschenhandel" und sie sind im Strafgesetzbuch mit maximal lebenslanger Haft ausgepreist.
Eine Kapitänslizenz für große Fahrt besitzt Schmalenbeck schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr, seine Fahrweise gilt amtlich als "risikoreich" und "rücksichtslos". 2009 hatte er sich mit gewagten Manövern vor Tripolis einen Jux machen wollen und dabei ein zwölfjähriges Mädchen aus dem Senegal getötet. Das Landgericht Rottweil schickte ihn deshalb für achtzehn Monate ins Gefängnis.
Diese Selbst-Vernichtung seiner bürgerlichen Existenz - Schmalenbeck arbeitete damals noch hauptberuflich bei einer dänischen Fährgesellschaft als Inspektor - führte offenkundig zu einer Radikalisierung. Während eines Hafturlaubs im Herbst 2011 kaufte der "geborene Seemann" (Schmalenbeck über sich selbst) im Rügen-Örtchen Lobbe einen kleinen Kutter für große Fahrt. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe rüstete er ihn neu aus und setzte Segen für die fahrt Richtung Gibraltar.
Doch dort wurde der freiwillige Helfer nicht wie Helfer begrüßt, sondern wie ein Störenfried. Die EU-Grenzschutzeinheit Frontex zeigte sich von dem deutschen Volunteer nicht entzückt. Statt ihn ihn die bestehenden Dienstpläne einzutakten, wurde "alles versucht, um mich und mein Boot außen vor zu halten", klagt der Kapitän.
So entschloss er sich, es der EU als Fluchthelfer heimzuzahlen. Auf ersten Fahrten Richtung Süden erkundete er die See, nur Flüchtlinge brachte er nicht mit. Statt dessen wurde er erneut bestraft - sechs Monate Freiheitsentzug auf Bewährung wegen "fortgesetzter unbefugter Führung eines Seefahrzeuges in Tateinheit mit unerlaubter Mitführung einer Waffe ... sowie Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen über ein Gebiet mit Verkehrsbeschränkungen" (SPIEGEL 38-40/ 2012).
Doch kaum war die Bewährungsfrist für die Verurteilung abgelaufen, startete der "wilde Friedemann", wie ihn die Heimatzeitungen in Vorpommern nennen, wieder zu seinen inzwischen ideologisch verbrämten Freiheitsfahrten: Mit der "Freedom", die zwischendurch in Marseille lag, tuckert Schmalenbeck in abgelegene Häfen der Krisenländer in Nordafrika. Dort packt er sein Boot pickepackevoll mit Frauen, Männern und Kindern. Und auf geht es Richtung Norden.
Mindestens fünfzehnmal, so klagen ihn Fuldaer Staatsanwälte, die das Seerecht der EU verteidigen sollen, jetzt an, soll er in diesem und im vergangenen Jahr verbotenerweise unterwegs gewesen sein, davon zweimal im Hoheitsgebiet Libyens, viermal in Syrien, dreimal in Tunesien und einmal in Algerien - und "damit wissen die über meine Aufklärer- und Fluchthelfer-Tätigkeit noch längst nicht alles", sagt Schmalenbeck stolz.
Ausreichend Erfahrung hat er inzwischen, den Rest hat Max Alkmann mitgebracht, der "als Diplom-Ingenieur bei einer Baufirma in Algerien" nicht nur ein Mordsgeld machte, sondern auch Land und Leute kennt. Für 2 000 Euro pro Kopf fahren die beiden Flüchtlinge nach Norden, ein Preis, der weit unter dem üblichen Tarif liegt, weil er die reinen selbstkosten widerspiegelt. "2000 müssen wir nehmen, um das Hilfsangebot aufrechterhalten zu können", sagt Schmalenbeck. Das Boot will unterhalten, Sprit gekauft und Verpflegung für die meist bis zu 150 Personen zählende Gästeschar finanziert werden. "Wir sind vier Tage unterwegs, da kostet das was."
Die Frontex sieht Schmalenbeck und seine "Freedom" dennoch als illegalen, kriminellen Schmuggler und Schlepper, ebenso wird der Mann aus Vorpommern aber von örtlichen Schlepperkreisen in Nordafrika und deren Helfern in Italien angefeindet. "Sie zeigen uns an, sie haben auch schon zu körperlicher Gewalt gegriffen", erzählt er. Trotzdem ist die "Freedom" insgesamt 29-mal unterwegs gewesen, Schmalenbeck und Alkmann haben - nach eigener Zählung - 3857 Flüchtlinge wohlbehalten nach Europa gebracht - durch die von Frontext verteidigten Linien, unter der strikt gesperrten Flugüberwachungszone ADIZ (Air defence and identification zone) entlang der Grenze zur EU hindurch.
Mit der "Freedom" zu fahren, sei für die Flüchtlinge ein Geschenk, meint der Kapitän selbst. Meist gehe es pünktlich zur vereinbarten Zeit los, getreu seiner Selbstbeschreibung als "Termin- und Datenfetischist" lässt sich Schmalenbeck erst einmal den Pass der Flüchtlinge zeigen, es wird eine Passagierliste erstellt, kassiert und abgelegt, sobald alles überflüssige Gepäck über Bord geworfen wurde. "Wer in die Freiheit will", doziert der Kapitän, "muss froh sein, wenn ich ihn in nackigem Zustand raushole."
Nach der Landung schlüpft er dann in die Rolle eines Empfangschefs: Mit einem feierlichen "Sie betreten jetzt den Boden der Europäischen Union", einem Zehrgeld und der Telefonnummer von Helfern in Italien entlässt er seine Passagiere in die Freiheit - einmal mehr hat er die kalte Macht des EU-Grenzregimes düpiert. Friedemann Schmalenbeck schmunzelt zufrieden. "Eins ist klar", sagt er zum Abschied, "lebend kriegen die mich nicht".
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Wie es die afrikanische Flüchtlinge nach Norden zieht, lockt den gelernten Bootsmann Schmalenbeck der Süden. Dort geht er, so oft es die Auftragslage zulässt, seiner riskanten Lieblingsbeschäftigung nach: Fluchthilfe per Schiff. Schmalenbeck nennt das seinen "Privatkrieg gegen die EU". Bei der wie in der deutschen Politik heißen seine Hilfseinsätze "staatsfeindlicher Menschenhandel" und sie sind im Strafgesetzbuch mit maximal lebenslanger Haft ausgepreist.
Eine Kapitänslizenz für große Fahrt besitzt Schmalenbeck schon seit fünfzehn Jahren nicht mehr, seine Fahrweise gilt amtlich als "risikoreich" und "rücksichtslos". 2009 hatte er sich mit gewagten Manövern vor Tripolis einen Jux machen wollen und dabei ein zwölfjähriges Mädchen aus dem Senegal getötet. Das Landgericht Rottweil schickte ihn deshalb für achtzehn Monate ins Gefängnis.
Diese Selbst-Vernichtung seiner bürgerlichen Existenz - Schmalenbeck arbeitete damals noch hauptberuflich bei einer dänischen Fährgesellschaft als Inspektor - führte offenkundig zu einer Radikalisierung. Während eines Hafturlaubs im Herbst 2011 kaufte der "geborene Seemann" (Schmalenbeck über sich selbst) im Rügen-Örtchen Lobbe einen kleinen Kutter für große Fahrt. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe rüstete er ihn neu aus und setzte Segen für die fahrt Richtung Gibraltar.
Doch dort wurde der freiwillige Helfer nicht wie Helfer begrüßt, sondern wie ein Störenfried. Die EU-Grenzschutzeinheit Frontex zeigte sich von dem deutschen Volunteer nicht entzückt. Statt ihn ihn die bestehenden Dienstpläne einzutakten, wurde "alles versucht, um mich und mein Boot außen vor zu halten", klagt der Kapitän.
So entschloss er sich, es der EU als Fluchthelfer heimzuzahlen. Auf ersten Fahrten Richtung Süden erkundete er die See, nur Flüchtlinge brachte er nicht mit. Statt dessen wurde er erneut bestraft - sechs Monate Freiheitsentzug auf Bewährung wegen "fortgesetzter unbefugter Führung eines Seefahrzeuges in Tateinheit mit unerlaubter Mitführung einer Waffe ... sowie Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen über ein Gebiet mit Verkehrsbeschränkungen" (SPIEGEL 38-40/ 2012).
Doch kaum war die Bewährungsfrist für die Verurteilung abgelaufen, startete der "wilde Friedemann", wie ihn die Heimatzeitungen in Vorpommern nennen, wieder zu seinen inzwischen ideologisch verbrämten Freiheitsfahrten: Mit der "Freedom", die zwischendurch in Marseille lag, tuckert Schmalenbeck in abgelegene Häfen der Krisenländer in Nordafrika. Dort packt er sein Boot pickepackevoll mit Frauen, Männern und Kindern. Und auf geht es Richtung Norden.
Mindestens fünfzehnmal, so klagen ihn Fuldaer Staatsanwälte, die das Seerecht der EU verteidigen sollen, jetzt an, soll er in diesem und im vergangenen Jahr verbotenerweise unterwegs gewesen sein, davon zweimal im Hoheitsgebiet Libyens, viermal in Syrien, dreimal in Tunesien und einmal in Algerien - und "damit wissen die über meine Aufklärer- und Fluchthelfer-Tätigkeit noch längst nicht alles", sagt Schmalenbeck stolz.
Ausreichend Erfahrung hat er inzwischen, den Rest hat Max Alkmann mitgebracht, der "als Diplom-Ingenieur bei einer Baufirma in Algerien" nicht nur ein Mordsgeld machte, sondern auch Land und Leute kennt. Für 2 000 Euro pro Kopf fahren die beiden Flüchtlinge nach Norden, ein Preis, der weit unter dem üblichen Tarif liegt, weil er die reinen selbstkosten widerspiegelt. "2000 müssen wir nehmen, um das Hilfsangebot aufrechterhalten zu können", sagt Schmalenbeck. Das Boot will unterhalten, Sprit gekauft und Verpflegung für die meist bis zu 150 Personen zählende Gästeschar finanziert werden. "Wir sind vier Tage unterwegs, da kostet das was."
Die Frontex sieht Schmalenbeck und seine "Freedom" dennoch als illegalen, kriminellen Schmuggler und Schlepper, ebenso wird der Mann aus Vorpommern aber von örtlichen Schlepperkreisen in Nordafrika und deren Helfern in Italien angefeindet. "Sie zeigen uns an, sie haben auch schon zu körperlicher Gewalt gegriffen", erzählt er. Trotzdem ist die "Freedom" insgesamt 29-mal unterwegs gewesen, Schmalenbeck und Alkmann haben - nach eigener Zählung - 3857 Flüchtlinge wohlbehalten nach Europa gebracht - durch die von Frontext verteidigten Linien, unter der strikt gesperrten Flugüberwachungszone ADIZ (Air defence and identification zone) entlang der Grenze zur EU hindurch.
Mit der "Freedom" zu fahren, sei für die Flüchtlinge ein Geschenk, meint der Kapitän selbst. Meist gehe es pünktlich zur vereinbarten Zeit los, getreu seiner Selbstbeschreibung als "Termin- und Datenfetischist" lässt sich Schmalenbeck erst einmal den Pass der Flüchtlinge zeigen, es wird eine Passagierliste erstellt, kassiert und abgelegt, sobald alles überflüssige Gepäck über Bord geworfen wurde. "Wer in die Freiheit will", doziert der Kapitän, "muss froh sein, wenn ich ihn in nackigem Zustand raushole."
Nach der Landung schlüpft er dann in die Rolle eines Empfangschefs: Mit einem feierlichen "Sie betreten jetzt den Boden der Europäischen Union", einem Zehrgeld und der Telefonnummer von Helfern in Italien entlässt er seine Passagiere in die Freiheit - einmal mehr hat er die kalte Macht des EU-Grenzregimes düpiert. Friedemann Schmalenbeck schmunzelt zufrieden. "Eins ist klar", sagt er zum Abschied, "lebend kriegen die mich nicht".
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Es steht zu hoffen, daß die Konkurrenz, der er ofenkundig die Preise versaut, ihn sich zur Brust nimmt, aber gleichzeitig zu befürchten, daß das alles nur wie üblich Theaterdonner ist - tut der Hirni doch, was unserer demokratischen Obrigkeit wohlgefällig.
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