Dienstag, 21. April 2015

Martin Schulz im Mare Monstrum

Einen Spitzenpolitiker zeichnet der routinierte Umgang mit akuter Aufregung aus. Versagt dem normalen Menschen angesichts aufbrechender Schrecken die Stimme, verdoppelt der Spitzenpolitiker einfach die Sprechgeschwindigkeit. Irgendetwas gibt es immer zu sagen, und falls einem partout nichts einfällt, holt man einfach die Spickzettel vom letzten Mal hevor.

Martin Schulz ist ein Spitzenpolitiker, eine Führungskraft der europäischen Sozialdemokratie und der höchste Europa-Parlamentarier aller Zeiten. Martin Schulz trägt seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht nur einen fusseligen Bart, sondern auch europäische Verantwortung. Aber Schulz ist aber niemals schuld: Er hat im Zweifelsfall immer rechtzeitig gewarnt, er immer schon vorher gemahnt, er hat Europa auf seine Verpflichtungen verwiesen und seine Politikerkollegen an ihre Aufgabe erinnert.

Natürlich verhält sich das auch auch so, wenn die Menschen zu Hunderten im Mittelmeer ertrinken. Martin Schulz, der wenn schon nicht Bundeskanzler, so doch wenigstens Kanzlerkandidat werden möchte, ist mit gutem Rat zur Stelle, noch ehe die Leichen getrocknet sind. Nein, der Sozialdemokrat fordert keinen Brückenbau nach Afrika und keinen Schwimmunterricht für Araber. Er macht es sich leichter und wirft den EU-Ländern Tatenlosigkeit vor.

Wieviel tatkräftiger er doch ist! Schon 2013, als gerade ein paar hundert Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken waren, wusste Martin Schulz, der Buchhändler aus Eschweiler, wie einfach eine Lösung der Flüchtlingsproblematik sein könnte: Hätte Deutschland ein Einwanderungsgesetz, dann könnten sich die Menschen legal darum bewerben, hierher flüchten zu dürfen. Niemand müsste mehr das Menschenhändlerboot nehmen!

Zudem bestehe "eine humanitäre Verpflichtung des reichsten Kontinents der Erde, diese Menschen aufzunehmen". Schließlich, so Schulz, sei es zwar für eine Insel wie Lampedusa, die 6000 Einwohner zählt, eine Katastrophe, 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen. Aber "wenn Sie 10.000 Menschen unter 507 Millionen Europäern in 28 Mitgliedstaaten verteilen, ist das machbar".

Damals kamen 127.000 Flüchtlinge im Jahr nach Deutschland.  Schulz´ Mahnungen fruchteten und heute kommen doppelt so viele. Es sterben allerdings auch doppelt so viele beim Versuch, das Mittelmeer zu überwinden. Niemand weiß, woran das liegt.

Dennoch hat Schulz später nie wieder über seine Idee gesprochen, die Flüchtlingskatastrophe abzumildern, indem Europa einfach mehr Flüchtlinge aufnimmt. Der europäische Parlamentspräsident hat überhaupt nie mehr Stellung genommen zur Frage der Flüchtlingsströme über das Mittelmeer, die ein direkte Folge der Niederschlagung der diktatorischen Regimes im Norden Afrikas zu sein scheint. Es war so viel anderes zu tun und vor allem zu sagen. Griechenland musste gerettet, der Euro geschützt, die Ukraine befreit, Russland verurteilt und eine Wahl gewonnen werden, die tragischerweise trotzdem verloren ging.

Kaum aber ertrinken wieder Hunderte, ist Martin Schulz wieder da, pünktlich wie der Leichenträger. Ein Mahner, den sein Geschwätz von vorgestern so viel schert wie den Tauben ein Fahrradklingeln. Hieß es damals, 2013, "Europa muss endlich anerkennen, dass es ein Einwanderungskontinent ist, deshalb brauchen wir ein legales Einwanderungssystem", heißt es heute kaum variiert „wir müssen erkennen, dass wir ein Einwanderungsgebiet sind und eine legale, geordnete Einwanderungspolitik benötigen“.

Damit ist auch dieses große Problem gelöst. Zumindest für Martin Schulz. Er hat etwas dazu gesagt, hat gemahnt und andere an ihre Verantwortung erinnert.

2 Kommentare:

  1. "... pünktlich wie der Leichenträger."

    Dieser Halbsatz lässt gut etwas von der Totenstarre, dem Siechtum der Politik aus Brüssel erahnen. Nicht pünktlich wie der Maurer oder die preussische Eisenbahn, nein, sondern wie der Bestatter. Kleiner Geniestreich.

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  2. Leichenträger. Das hatten wir schon mal. In Österreich. Wo sonst:

    http://tinyurl.com/pa44bea

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