Zollfahnder entdecken an der österreichischen Grenze einen Mann, der 9000 Euro in der Tasche hat. 10.000 wären erlaubt, also passiert nichts. Zumindest nicht in einer anderen Welt, in der Recht und Gesetz noch schrankenlos gelten und Schuldige wie Unschuldige schützen. Hier aber, im Deutschland der NSA-Ära, weckt der Fund den Verdacht der Fahnder. Die Logik geht so: Wer 9000 Euro hat, weiß, dass er 10.001 Euro nicht haben dürfte. Gezielt steckt er also nur 9000 ein, um keinen Verdacht zu erregen. Der hat etwas zu verbergen. Und das erregt nun gerade Verdacht.
Der 76-jährige Cornelius Gurlitt, Erbe eines angeblich eine Milliarde Euro schweren Bilderschatzes, geriet auf diese Weise ins Visier der Zollfahndung. Nichts Illegales hatte er getan, keinen Verdacht erregt, niemandem geschadet. Grund genug für die Behörden, ihn im Auge zu behalten, wie Siegfried Klöble, Regierungsdirektor beim Zollfahndungsamt München dem „Spiegel“ bestätigt. "Wir sind nicht so einfach an der Nase herumzuführen: Wenn jemand 9000 Euro dabei hat, gehen wir davon aus, dass diese Person mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Geldtransfer zwischen Deutschland und der Schweiz gut vertraut ist, und da wollen wir natürlich wissen: warum?"
Es ist das gute Recht des Staates, alles zu wissen, gerade von denen, die vorgeben, nichts zu verbergen zu haben. Ohne jeden konkreten Verdacht blieben die Fahnder dem alten Mann also auf den Fersen. Es hätte sein können, dass dessen Versuch, nichts Illegales oder Verbotenes zu tun, darauf hindeutet, dass er etwas plant, etwas Illegales zu tun.
Ein Präzendenzfall, über den noch Generationen von Jura-Studenten nachdenken werden. Ist der Umstand, dass einer nichts getan hat, vor dem Hintergrund, dass niemand auf der ganzen Welt frei von Schuld ist, ein hinreichender Grund, ihn im Einklang mit den geltenden Gesetzen in Ruhe zu lassen? Oder muss der Mann nicht gerade beobachtet werden, weil er jederzeit etwas tun könnte?
„Sicher dürfte sein“, schreibt der „Spiegel“, „in einem Rechtsstaat wie Deutschland verhängt kein Richter einen Beschluss für eine Wohnungsdurchsuchung auf Basis eines legalen Bargeldfundes in der Jackentasche eines Bahnreisenden“. Aber sicher ist seit dem Fall Gurlitt auch: Das hält Behörden wie die Zollfahndung nicht ab, gegen den durch seine Unauffälligkeit auffälligen mutmaßlichen Straftäter zu ermitteln. So lange, bis die Indizien reichen und ein Richter endlich einen Anfangsverdacht für die Anordnung einer Hausdurchsuchung sieht.
Willkommen in einem Land, in dem anlasslos geschnüffelt wird, bis sich dadurch endlich ein Anlass findet. Und in dem die Presse diesen Umstand dann auch noch kollektiv feiert, weil er am Ende dazu führt, dass die Zollfahnder im Hause des nunmehr als dringend tatverdächtig geltenden Rentners 1406 Bilder finden, die der Mann von seinem Vater, einem bekannten Kunsthändler jüdischer Herkunft, geerbt hat.
Die Staatsanwaltschaft hat den Berg an Bildern beschlagnahmt, nach einer Rechtsgrundlage dafür wurde auf der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft in Augsburg nicht gefragt. Zum Glück für Fahnder und Medien ist Cornelius Gurlitt derzeit verschwunden – „ob er sich nicht längst abgesetzt hat oder möglicherweise sogar tot ist“, schreibt der „Spiegel“, wisse man nicht. Ein Haftbefehl liegt nicht vor, man wüsste auch nicht, weswegen, der Tatverdacht sei bislang nicht dringend, gesagt wird nicht einmal welcher. Die Ermittlungen gelten derzeit dem Verdacht eines möglichen steuerrechtlichen Vergehens und der Möglichkeit, dass der Erbe des alten Gurlitt Vermögenswerte unterschlagen haben könnte.
Hildebrand Gurlitt, der die Entnazifizierung aufgrund seiner jüdischen Herkunft überstanden hatte, obwohl er Hitlers Helfer beim Verkauf entarteter Kunst war, starb vor 57 Jahren. Die Unterschlagung, die sein Sohn mit der Annahme der Bilder begangen hätte, wäre damit sei mehr als 50 Jahren verjährt. In Augsburg versprach die Staatsanwaltschaft, sie wolle "nicht auf den Bildern sitzenbleiben". Eine Veröffentlichung der Liste mit allen Werken lehnte sie dennoch ab. Eine Flut von angeblichen Besitzern würde die Interessen der echten Anspruchsberechtigten verletzen, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Wer ein Bild vermisse, solle sich melden.
BAZ Online zum Kunstmysterium von München
Der 76-jährige Cornelius Gurlitt, Erbe eines angeblich eine Milliarde Euro schweren Bilderschatzes, geriet auf diese Weise ins Visier der Zollfahndung. Nichts Illegales hatte er getan, keinen Verdacht erregt, niemandem geschadet. Grund genug für die Behörden, ihn im Auge zu behalten, wie Siegfried Klöble, Regierungsdirektor beim Zollfahndungsamt München dem „Spiegel“ bestätigt. "Wir sind nicht so einfach an der Nase herumzuführen: Wenn jemand 9000 Euro dabei hat, gehen wir davon aus, dass diese Person mit den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Geldtransfer zwischen Deutschland und der Schweiz gut vertraut ist, und da wollen wir natürlich wissen: warum?"
Es ist das gute Recht des Staates, alles zu wissen, gerade von denen, die vorgeben, nichts zu verbergen zu haben. Ohne jeden konkreten Verdacht blieben die Fahnder dem alten Mann also auf den Fersen. Es hätte sein können, dass dessen Versuch, nichts Illegales oder Verbotenes zu tun, darauf hindeutet, dass er etwas plant, etwas Illegales zu tun.
Ein Präzendenzfall, über den noch Generationen von Jura-Studenten nachdenken werden. Ist der Umstand, dass einer nichts getan hat, vor dem Hintergrund, dass niemand auf der ganzen Welt frei von Schuld ist, ein hinreichender Grund, ihn im Einklang mit den geltenden Gesetzen in Ruhe zu lassen? Oder muss der Mann nicht gerade beobachtet werden, weil er jederzeit etwas tun könnte?
„Sicher dürfte sein“, schreibt der „Spiegel“, „in einem Rechtsstaat wie Deutschland verhängt kein Richter einen Beschluss für eine Wohnungsdurchsuchung auf Basis eines legalen Bargeldfundes in der Jackentasche eines Bahnreisenden“. Aber sicher ist seit dem Fall Gurlitt auch: Das hält Behörden wie die Zollfahndung nicht ab, gegen den durch seine Unauffälligkeit auffälligen mutmaßlichen Straftäter zu ermitteln. So lange, bis die Indizien reichen und ein Richter endlich einen Anfangsverdacht für die Anordnung einer Hausdurchsuchung sieht.
Willkommen in einem Land, in dem anlasslos geschnüffelt wird, bis sich dadurch endlich ein Anlass findet. Und in dem die Presse diesen Umstand dann auch noch kollektiv feiert, weil er am Ende dazu führt, dass die Zollfahnder im Hause des nunmehr als dringend tatverdächtig geltenden Rentners 1406 Bilder finden, die der Mann von seinem Vater, einem bekannten Kunsthändler jüdischer Herkunft, geerbt hat.
Die Staatsanwaltschaft hat den Berg an Bildern beschlagnahmt, nach einer Rechtsgrundlage dafür wurde auf der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft in Augsburg nicht gefragt. Zum Glück für Fahnder und Medien ist Cornelius Gurlitt derzeit verschwunden – „ob er sich nicht längst abgesetzt hat oder möglicherweise sogar tot ist“, schreibt der „Spiegel“, wisse man nicht. Ein Haftbefehl liegt nicht vor, man wüsste auch nicht, weswegen, der Tatverdacht sei bislang nicht dringend, gesagt wird nicht einmal welcher. Die Ermittlungen gelten derzeit dem Verdacht eines möglichen steuerrechtlichen Vergehens und der Möglichkeit, dass der Erbe des alten Gurlitt Vermögenswerte unterschlagen haben könnte.
Hildebrand Gurlitt, der die Entnazifizierung aufgrund seiner jüdischen Herkunft überstanden hatte, obwohl er Hitlers Helfer beim Verkauf entarteter Kunst war, starb vor 57 Jahren. Die Unterschlagung, die sein Sohn mit der Annahme der Bilder begangen hätte, wäre damit sei mehr als 50 Jahren verjährt. In Augsburg versprach die Staatsanwaltschaft, sie wolle "nicht auf den Bildern sitzenbleiben". Eine Veröffentlichung der Liste mit allen Werken lehnte sie dennoch ab. Eine Flut von angeblichen Besitzern würde die Interessen der echten Anspruchsberechtigten verletzen, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Wer ein Bild vermisse, solle sich melden.
BAZ Online zum Kunstmysterium von München
So geht es los. Und wenn die Behörden nicht mehr hinterherkommen, wird eben die Bevölkerung um Hilfe gebeten. Gern anonym oder hinter einem Verein verborgen.
AntwortenLöschenEs geht einfach nicht mehr, daß jeder leben kann, wie er will. Schon gar nicht, wenn der Heilige Popanz NS seine Finger im Spiel hat.
Wir als Gemeinschaft müssen jetzt zusammenstehen gegen die Reichen, Spekulanten und Kriegsgewinnler. Die verhindern den Aufbau einer Gesellschaft mit menschlichem Antlitz.
Zum Glück wissen unsere Staatsorgane langsam aber sicher wieder, wie mit solchen Kosmopoliten und Individualisten umzugehen ist.
lustig, dass die allies dem alten gurlitt ein paar der bilder schon mal
AntwortenLöschenweggenommen hatten. scheinen irgendwie vielleicht doch seine zu sein.
Der Zweck, und noch vielmehr: das Motiv, heiligt die Mittel. Haha. Schöne Geschichte zum Thema Rechtstaat. Die Bilder kriegt der Mann nicht mehr zurück. Da gehe ich eine Wette ein. Er hat keine Lobby, und, wie gesagt, NS-Vergangenheit hängt auch dran. Der Willkür sind Tür und Tor geöffnet.
AntwortenLöschenFälschungen, alles Fälschungen und eine riesen Ente für die Medien und eine Backpfeife für die Willkür im Staate. Jedenfalls wünschte ich mir das.
AntwortenLöschenWir alle ziehen die Lehre daraus, dass man bei jedem etwas finden kann, wenn man hartnäcking bleibt. Das wusste schon Genosse L. Berija sehr genau.
AntwortenLöschenBesonders all diese Rentner sind jetzt verdächtig. Nach diesem großen Erfolg sollte man diese vorgeblich harmlosen Damen und Herren mal genauer unter die Lupe nehmen, vor allem, wenn sie mehr Geld bei sich tragen, als es nach dem gesunden Volksempfinden angemessen ist.
Bei etlichen der Millionen Rentiers gibt es sicher viele interessante Sachen auf dem Boden und im Keller zu entdecken. Jetzt sind die Behörden gefragt.
Vielen Dank für den Hinweis auf den Genossen L. Berij. Einer der größten der Zunft. Der hat Millionen von Klassenfeinden aufgespürt noch bevor sie selber wußten, was für ein Abschaum sie waren.
AntwortenLöschenAber einen alten Mann in diesen Tagen zu verfolgen weil er die Gesetze kennt hat schon Tscheka-Format.Tolles Personal. Respekt! Ich wiederum frage mich jetzt, ob ich gezielt kleine Unbotmässigkeiten streuen sollte (Falschparken?), um nicht in den Verdacht zu geraten ein ganz großes Ding zu drehen.
"man wüsste auch nicht, weswegen, der Tatverdacht sei bislang nicht dringend, gesagt wird nicht einmal welcher."
AntwortenLöschenDie FAZ meint, es ginge um Unterschlagung und Steuerhinterziehung.
Auch das merkwürdig. Ob man dem verehrten Herrn OStA Nemetz mal stecken sollte, dass es im Strafrecht so was wie Verjährung gibt?
Steuerhinterziehung könnte vielleicht passen, seine Verkäufe hat Gurlitt offenbar nicht versteuert. Doch auch da müsste die Justiz aufzeigen, dass die mehr als das steuerfreie Existenzminimum eingebracht haben.
Aber Unterschlagung?
Absurd!
Ja, gegen solche Kulaken ist halt jedes Mittel recht. Die haben sich schon immer durch ihre Legalität zu tarnen versucht. Aber die tschekistische Wachsamkeit unserer Genossen kann man eben nicht so einfach durch gesetzeskonformes Verhalten überlisten.
AntwortenLöschenÜbrigens: Wenn Schalck-Golodkowski hinter einer Kunstsammlung her war, um sie gegen Devisen für die DDR zu verklingeln, war ja dem Vernehmen nach auch häufig »Steuerhinterziehung« der Hebel des Armes des Gesetzes, um der Preciosen habhaft zu werden. Es gibt wirklich nichts Neues unter der Sonne.
AntwortenLöschenTja, und was sagt ihr zu jemandem, der mit einem nicht existierenden, virtuellen, computergenerierten Kind(erprogramm) per Netz Gespräche mehr oder minder sexuellen Inhalts führt, vielleicht auch, weil er sich nicht an Kindern vergreifen will?
AntwortenLöschenWenn dann dafür "Terre des Hommes" seine Identität den Behörden zur Strafverfolgung (welcher Straftat? Sprechen mit Kindern?) übermittelt, werden viele das bejubeln. Tut mir Leid, ich bin verdächtig ungeeignet fürs Zwiedenken.