Samstag, 31. August 2013

Zehn Gründe für den Hitlerboom

Kein Abend, an dem er nicht im Fernsehen die Welt erklärt, keine Woche, in der er nicht für einen größeren oder kleineren Skandal sorgt, kein Monat und kein Jahr, in dem er nicht durch öffentliche Debatten gespenstert, ein Nimmertoter, der Freund und Feind zu schrecken weiß wie niemand sonst auf der Welt. Adolf Hitler war nicht lange an der Macht, verglichen etwa mit Stalin, er verzeichnete wirtschaftliche kaum Erfolge, erhöhte den deutschen Schuldenstand aber schneller als Angela Merkel und Gerhard Schröder zusammen. Es gelang ihm nicht, das Land, das er am Reißbrett entworfen hatte, in der Realität zu erobern, wie das Mao glückte. Und kaum war er tot, wurde sein einziges Buch postwendend verboten.

Warum aber ist der Führer dennoch so erfolgreich? Wie glückt es ihm, Bücher zu Bestsellern, Filme zu Hits zu machen? Wie kann er aus einem Grab unter einer Brücke am Stadtrand von Magdeburg, das nicht einmal existiert, die deutsche Politik prägen, Strafverfahren inspirieren und Künstler locken, sich mit seinen Insignien zu schmücken. Zehn Gründe für den Hitlerboom:

1) Hitler ist mit linker Hand (zwei Finger unter die Nase) und rechter Hand (Arm ausgestreckt nach oben) auch für Laien leicht karikierbar

2) Hitler ist mit rollendem R und bellender Stimme auch für Laien leicht imitierbar

3) Hitler ist durch jahrzehntelange Deutungen zu einer Hitler-Essenz eingeschrumpelt, die sich aus zwei Händen, rollendem R und bellender Stimme zusammensetzt

4) Hitler verkörpert in der Moderne des areligiös verbrämten Glaubens an das Gute den Teufel, der für das grenzenlos Böse steht.

5) Hitler ist gleichzeitig so tot, dass der Kampf gegen ihn ausschließlich Gratismut erfordert

6) Hitler hat – in erstaunlichem Gegensatz zu Mao und Stalin - keine Verteidiger

7) Hitler hat – im Gegensatz zu Dschingis Khan, Napoleon und Gaddhafi großzügig Filmmaterial über sich hinterlassen

8) Hitler inszenierte seine Machthaberei als Fetischfest – Männer in Stiefeln, Frauen in Dirndln, das Klischee als Markenzeichen

9) Hitler trägt die Schuld aller Schuldigen und darf deshalb nicht vergessen werden

10) Hitler ist unwiederholbar und darf deshalb nie unerwähnt bleiben

11) Hitler selbst legte seinen Geltungsbereich auf tausend Jahre fest

12) Hitler verkörpert alle Ideale des heutigen Zeitgeistes. Er war Vegetarier und Nichtraucher. Er konnte verbieten und erlauben was er wollte; Ideologiekritiker konnte er verschwinden oder gleich erschießen lassen.

Weiß muss Nuss

Die Macht des Volkes hat dem Bösen einmal mehr rechtzeitig Einhalt geboten: Drei Tage nach dem aufrüttelnden Appell von Eulenfurz, sich dem faschistischen Treiben eines weltweit tätigen italienischen Süßwarenherstellers in den Weg zu werfen, musste der Hersteller seinen Versuch aufgeben, mit einem rassistisch zu verstehenden Werbespot neue Käuferschichten für die Achse Berlin-Rom zu mobilisieren.

Der "launige Schoko-Slogan" mit dem Claim "Weiß Nuss bleiben", bei dem aufmerksame Hörer aus der studentischen Antifa wegen punkbedingter Vorschäden "Weiß muss bleiben" verstanden hatten, wurde zurückgezogen. Eine weiße Firma könne nicht einfach "einen Spot inszenieren, in dem fast ausschließlich weiße Menschen weiße Schokolade mit dem Spruch 'Weiß Nuss bleiben' bejubeln", sagt Jean-Alexander Ntivyihabwa vom Braunen Mob, einer Sprachbeobachtungsorganisation, die sich der critical whiteness verschrieben hat.

Auch dem "Stern" schmeckt weiße Schokolade nicht. "Dass die Farbe "Weiß" eine politische Bedeutung hat, dürfte seit dem Ku-Klux-Klan jedem klar sein", heißt es dort analytisch. Diese "unterschwellige Bedeutung" (Stern) werde auch nicht wettgemacht durch die Benutzung von weißfarbigen Kleidungsstücken durch Ärzte, Krankenschwestern und Astronauten.

Noch schlimmer wäre nur ein Spot mit dem Slogan "Deutschland wählt braun" gewesen. Der Aufruf der Linken, "Der Osten wählt rot" sei hingegen in Ordnung, denn die mit dem Spektralphotometer nachweisbare Farbreizfunktion dieser Farbe sei in Deutschland nahe null. Opfer der DDR-Diktatur sollten sich mal nicht so haben.

Vorgehen wollen die farbsensiblen Aktivisten nun jedoch gegen einen Schlagzeile der Berliner Zeitung, die ein neues Logo des Deutschen Historischen Museums gedankenlos mit der Schlagzeile "So weiß, weißer geht’s nicht" angekündigt hatte. Kritisch immerhin: Das Weiß sei ein Versuch, "die deutsche Geschichte weiß zu waschen", hieß es in der multispektralen Farbanalyse, die auf der Basis der Farbtoleranzlehre des Dresdner Farbtheoretikers Manfred Richter erarbeitet wurde. Die Bundesregierung müsse jetzt schnellstmöglich einen Runden Tisch Farbgebrauch zusammenrufen, an dem alle gesellschaftlichen Kräfte des demokratischen Farbspektrums  ein Verbot   von Farben jenseits von Schwarz-Rot-Grün-Gelb beschließen sollen, heißt es in Farbkritikerkreisen. Unklar ist derzeit noch, ob der Braune Mob sich in diesem Zusammenhang umbenennen muss.

Freitag, 30. August 2013

Alle Frauen des Präsidenten

Was war das für eine Aufregung, damals im Mai, als herauskam, dass Abgeordnete die Angewohnheit haben, enge Verwandte als eigene Mitarbeiter anzustellen. Eine „Verwandtenaffäre“ witterten die Medien, eine „Gehälter-Affäre“ war es auch. Parlamentarier legten Ämter nieder, weil sie Schwager und Schwestern beschäftigt hatten, obwohl das seit 2000 verboten ist.

Wie anders das Bild in Berlin, wo der neue Bundespräsident Joachim Gauck seinen bedeutsamen Reden selbst den letzten Schliff zu geben pflegt. Fünf Ghostwriter helfen vorab, einer davon ehrenamtlich. Dessen Name ist jetzt durch eine Indiskretion der „Bild“-Zeitung bekannt geworden, die aus dem "Tagesspiegel" abgeschrieben hat: Helga Hirsch, bis 1998 mit dem früheren Pfarrer liiert, hat über Monate hinweg kostenfrei für den Mann gearbeitet, der inzwischen mit seiner nächsten Freundin Daniela Schadt zusammenlebt.

Hirsch, Nachfolgerin von Ehefrau Gerhild Gauck, schrieb Gaucks Autobiografie und beriet ihn während seiner inoffiziellen Präsidentenkandidatur. Gauck revanchiert sich: Jetzt hat Gauck seine Ex-Geliebte als Redenschreiberin fest eingestellt.

Der „Klartext-Präsident“ (Bild) verkündet die Familienzusammenführung allerdings nur in der Druckausgabe des Blattes. Hier wird Helga Hirsch „Ex-Partnerin“ oder auch nur lässig „Ex“ genannt, hier wird ihre Festanstellung wohlwollend damit begründet, dass sie seit Monaten bereits ehrenamtlich Reden für Gauck schreibe. Nein, es geht nicht um die Versorgung von Verwandten und Bekannten, es geht um Wohl und Wehe der Demokratie.

Wohl der Grund, warum keine weitere Zeitung die Nachricht aufgreift und eine neue Verwandtenaffäre ausruft.

Das Versagen des Weltklimas

Trauer, Wut und Scham in Klimakritikerkreisen, Ratlosigkeit bei der Wissenschaft und Empörung beim Publikum - nur Tage nach den ersten Nachrichten über statistisch nachweisbare Rückgänge in der Klimakatastrophenberichterstattung hat das renommierte Klimamagazin Der Spiegel Freunde und Unterstützer des weltweiten Klima-Umbaus mit Nachrichten über ein Stocken des Klimawandels insgesamt geschockt. Die Luft habe sich seit 15 Jahren nicht mehr erwärmt, schreibt das Blatt, das noch wenige Wochen zuvor über anstehende Klimawandelkriege berichtet hatte.

Schuld am Abweichen von den bisherigen Klimaerwärmungszielen soll nach Angaben von Wissenschaftler die Kühlung der Welt durch den Pazifik sein. Dieser Effekt sei in den hochwissenschaftlichen Klimaprognosemodellen bislang leider übersehen worden. Obwohl die Menschheit zunehmend Kohlendioxid in die Atmosphäre "puste" (Spiegel), zeige sich der vorhergesagte Erwärmungseffekt mit "weniger Schnee, trocken-heißen Sommer und mild-feuchten Wintern" deshalb bisher nicht. Den Prognosen der Klimakirche zufolge hätte es seit der Jahrtausendwende um rund 0,25 Grad wärmer werden müssen. Stattdessen aber stagnierten die Temperaturen, ohne Rücksicht auf die Vorgaben zu nehmen, die über Computermodelle simuliert worden waren.

Immerhin liegt jetzt eine Erklärung für das Versagen des Weltklimas vor. Kühles Pazifikwasser soll für den Stillstand der Erwärmung der Luft verantwortlich sein, berichten US-Forscher im Wissenschaftsmagazin "Nature". Dieses Urteil beruhe auf "solider Physik" (Spiegel): Wie erst jetzt klar geworden sei, schluckten die Ozeane etwa 90 Prozent der Wärme, die durch den Energieausstieg zusätzlich produziert werde, allein in ihren obersten drei Metern speicherten sie so viel Wärme wie die gesamte Lufthülle der Erde.

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe und für eine Aufheizung etwa der Landmassen in Brandenburg um bis zu zehn Grad müsse deshalb künftig unterseeisch geführt werden, um im Pazifik weiter kühles Tiefenwasser an die Oberfläche steigen zu lassen. Gelinge das auch nur im tropischen Ostpazifik, der lediglich ein Zwölftel der Erde bedecke, sei das ausbleibende Ansteigen der Erdtemperatur nahezu vollständig erklärt, berichten Yo Kosaka und Shang-Ping Xie von der University of California in San Diego in "Nature". Zusätzlich anfallende Wärme könne dann durch die Rückkühlung der übrigen 88 Prozent der Meeresfläche aufgefangen werden. Auch das britische Met Office glaubt mittlerweile, dass die Rettung des Klimawandels länger dauern wird als bisher geglaubt. Der Temperaturpuffer der Ozeane sei nur vorübergehend, heißt es hier, es bleibe die Hoffnung, dass die Treibhausgase ihre wärmende Wirkung irgendwann entfalten, wie es der anstehende Uno-Klimabericht vorgeben wird. Wie lange es bis dahin dauern werde, sei allerdings derzeit nicht absehbar.

Donnerstag, 29. August 2013

Schulden sind immer die anderen

Erst rechnete der um sein künftiges Amt als Bundeskanzler bangende Peer Steinbrück der Bundesregierung vor, dass sie sich bei der Griechenlandrettung, der die SPD bislang vorbehaltlos zustimmt, um etliche Milliarden verrechnet hat. Dann konterte der Finanzminister mit dem Hinweis, da habe sich die darin erfahrene deutsche Sozialdemokratie wohl mit Brutto und Netto vertan. Dann stand der Altkanzler auf und kanzelte die amtierende Kanzlerin ab. Dann konterte die mit dem Hinweis, der Altkanzler sei es doch gewesen, der Griechenland wider besseren Wissen in die Gemeinschaft gelassen habe.

Davon abgesehen, dass der als „eiserner Hans“ bekannte Hans Eichel netto wohl der richtigere Verantwortliche wäre, ein brutalsdenkbarer Kampf der Kesselflicker. Schulden sind immer die anderen, zumal im Wahlkampf, wenn die Parolen mit dem Holzhammer genagelt werden. Schröders Regierung hat die Griechen eingelassen, aber wäre Merkel Kanzlerin gewesen, hätte sie das auch nicht anders gehandhabt. Der Bruch der Stabilitätskriterien, den Merkel Schröder vorwirft, hat sie später gern genutzt, um eigene Haushaltsverstöße zu heilen, Peer Steinbrück, dabei ihr Finanzminister, schoss die No-Bailout-Klausel früh mit frei erfundenen Behauptungen darüber sturmreif, dass die ganze angebliche Finanzkrise ein amerikanisches Problem sei, das Europa kaum treffen werde.

Theater, Theater, was für ein Theater. Wie Schmierenkomödianten spielen die Akteure Konflikte vor, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Immer hat die SPD den Griechenland-Rettungspaketen zugestimmt, die die CDU vorgeschlagen hat. Immer hat die CDU gewusst, dass sie als Staatspartei genauso handelt würde, wäre die SPD am Ruder und benötigte zwangshalber zur Rettung Europas Stimmen der Konservativen.

Ulbricht: Sechs Fragen an die Westmächte

Und wieder stand der Frieden auf dem Spiel. Neun Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges ließ sich DDR-Staatschef Walter Ulbricht sein Volk vorführen, um Werbung für den "Vorschlag der Sowjetregierung auf Einberufung einer Friedenskonferenz" (ND) zu machen. Es ist wie 59 Jahre später in Syrien: Das halbe Land ganz oder das ganze Land halb? Die Sowjets sind entschlossen, die Amerikaner auszumanövrieren. Die sind bereit, die Schuldzuweisungen zu akzeptieren. Ein Machtpoker globalen Ausmaßes, dessen Absichten den Menschen auf den Straßen weitgehend verboregn bleiben. In Marschkolonnen und in kleinen Gruppen strömen am 29. August 1954 80.000 bis 90.000 "Werktätige der Stadt Halle" zum Hallmarkt, "um der Sowjetunion für ihr großzügiges Entgegenkommen zu danken und der Kampfentschlossenheit der halleschen Arbeiterschaft Ausdruck zu verleihen", wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt.


Eng gedrängt steht die Bevölkerung auf dem Hallmarkt und in den umliegenden Straßen, um Walter Ulbricht zu hören. Der Potentat der Arbeiterrepublik wird begeistert begrüßt, immer wieder werden "Hochrufe auf das ZK, die Regierung und die Freundschaft zur Sowjetunion ausgebracht". Auf der Ehrentribüne haben auch ein Vertreter des Hohen Kommissars der Sowjetunion in Deutschland und "zwei junge koreanische Freunde" Platz genommen, wie das Neue Deutschland berichtet. Nachdem ein Junger Pionier den Freund der Jugend begrüßt hat, spricht Walter Ulbricht selbst, ein schlechter Redner immer noch, weil er nuschelt und sächselt. darauf aber kommt es heute nicht an, denn es geht um den Weltfrieden.


Aus den Äußerungen der friedliebenden Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik wie in Westdeutschland höre man, sagt Ulbricht, "dass es höchste Zeit ist, die Friedenskonferenz über einen Friedensvertrag mit Deutschland einzuberufen". Nur nach Abschluß eines solchen Friedensvertrages sei eine stabile Entwicklung der Friedenswirtschaft in Deutschland und die friedliche Zusammenarbeit mit den anderen Völkern auf der Grundlage der Gleichberechtigung möglich. Die Idee der Sowjets dahinter ist es, die westlichen Besatzungszonen aus dem Einflussbereich der USA zu holen. Deutschland soll neutral werden.

Ulbricht ist dafür. "Zur Frage der Einheit Deutschlands erklären die Menschen überall, dass sich endlich die Vertreter von Westdeutschland und der Deutschen Demokratischen Republik an einen Tisch setzen sollen, denn die gemeinsame Beratung und Verständigung der Deutschen selbst, das ist der wichtigste Schritt zur nationalen Wiedervereinigung." Der Vorschlag der Sowjetregierung, eine Provisorische Gesamtdeutsche Regierung zu bilden, sei "ein Vorschlag, der von allen friedliebenden Menschen begrüßt wird".

Es sei merkwürdig, wie "schwerhörig plötzlich die Amerikaner und Engländer geworden sind". Sie sprächen von Päckchensendungen und Paketausgabe in Westberlin, sie sprächen darüber, "wieviel Millionen ihnen die Anwerbung von Agenten mit Hilfe der Päckchenverteilung" koste. "Aber sie schweigen sich hartnäckig aus zu dem Vorschlag, dass Westdeutschland die Schulden und Reparationen erlassen werden und die Kosten für die ausländischen Besatzungstruppen auf fünf Prozent des Bundesetats herabgesetzt werden."

Ulbricht stellt Fragen, die nicht nach Antwort rufen, sondern Waffe im Kampf um die Köpfe sind.

1. Sind Sie für die Einberufung einer Friedenskonferenz und Ausarbeitung eines deutschen Friedensvertrages innerhalb 6 Monaten?
2. Sind Sie für die Einheit Deutschlands durch die unverzügliche Bildung einer Provisorischen Gesamtdeutschen Regierung, deren Aufgabe es ist, die gesamtdeutschen demokratischen Wahlen vorzubereiten?
3. Sind Sie dafür, daß die auf der Londoner Konferenz für Westdeutschland festgelegten Vorkriegs-, Kriegsund Nachkriegsschulden in Höhe von 34,5 Milliarden Mark gestrichen werden?
4. Sind Sie dafür, daß die Reparationsleistungen Westdeutschlands an den Staat Israel in Höhe von 3,45 Milliarden Mark und an andere Staaten sofort gestrichen werden?
5. Sind Sie dafür, daß die Kosten für die ausländischen Besatzungstruppen in Westdeutschland nicht mehr als fünf Prozent des Haushalts der Bonner Regierung betragen? Das würde eine Ersparnis für Westdeutschland in Höhe von 8,22 Milliarden bedeuten!
6. Sind Sie dafür, daß der Interzonenhandel auf beiderseitig eine Milliarde Mark erhöht wird und im Interesse der Entwicklung des innerdeutschen Handels alle von der amerikanischen Besatzungsmacht erlassenen Sperrbestimmungen aufgehoben werden?


Jubel vor der Bühne. Ulbricht in Hochstimmung. "Das sind einfache Fragen, die jedoch das Lebensinteresse der ganzen deutschen Nation betreffen", sagt er. "Durch minutenlangen Beifall danken die Hallenser Walter Ulbricht." Zum Abschluss der Kundgebung verliest der Sekretär des Kreisausschusses der Nationalen Front ein Dankschreiben der halleschen Bevölkerung an den Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, G. M. Malenkow, "dem alle Versammlungsteilnehmer stürmisch zustimmten". Die Kundgebung schließt mit dem "machtvollen Gesang der Nationalhymne".

Mittwoch, 28. August 2013

Die Trittin-Rente ist sicher

Eben erst feierte die als Trittin-Rente bekanntgewordene zusätzliche Alterssicherung für zehntausende deutscher Bürgerinnen und Bürger ihr zehnjähriges Jubiläum - und schon wird sie zum Wahlkampfthema. Als Reaktion auf die beeindruckende Plakatserie, mit der die Grünen ihren Wiedereinzug in die Bundesregierung vorbereiten, trommelt jetzt auch die Linke für ihr Ur-Thema Gerechtigkeit und einen Ausbau der Trittin-Rente. Zwar ohne Bindestrich im Wort Flaschensammeln. Dafür aber mit klarer Botschaft: "Mit Flaschensammeln: 1050 Euro Mindestrente" heißt es da unmissverständlich. Ziel ist ein Modell, bei dem Seniorinnen und Senioren, denen dank des von der CDU zu verantwortenden Wegfalls der DDR-Zusatzversorgungssysteme für die Angehörigen der Intelligenz zu wenig Rente zum Überleben bleibt, künftig steuerfrei Beträge bis zu 1050 Euro durch das Sammeln von Flaschen in öffentlichen Parks hinzuverdienen sollen dürfen.

In Zusammenarbeit mit der Initiative „Pfand gehört daneben" soll dazu bundesweit ein Netz aus Sammelkisten an Laternen aufgebaut werden, aus denen Trittin-Rentner Leergut nach Bedarf entnehmen können. Flaschennutzer wiederum sollen ihre nicht mehr benötigten Pfandflaschen nicht mehr in die Mülltonne werfen, sondern in eine Kiste stellen, damit der nächste vorüberkommende Trittin-Rentner sie ohne Bücke und Hangeln greifen kann. Das entwürdigende Wühlen in Mülltonnen ist damit beendet, die Trittin-Rente kann nun auch den Älteren und Alten zugutekommen, die sich bisher geweigert hatten, am größten Armutsbekämpfungsprogramm der jüngeren Vergangenheit teilzunehmen. Niemandem werde es schlechter gehen, vielen aber besser, hieß es dazu im politischen Berlin. Zude sei die Trittin-Rente durch ihre Unterlegung mit Kapital langfristig sicher.

Denkmale des Größenwahns

Vom "Wunder von Schönefeld" zum Flop: Unsummen investierten die Demokraten in die Errichtung des Willy-Brand-Flughafens, um ewiggestrigen Berlinern, welche sich von Tegel und dem Naziflughafen Tempelhof partout nicht trennen wollten, eine wirkungsvolle Lehre zu erteilen. Doch der unvollendete Monsterbau ist schon bald technisch überholt - ein typischer Fall sozialistischer Selbstüberschätzung. Manipulationen, Missmanagement und „illegale Aktivitäten“ (BER-Architekt Gerkan), führten den "Garant für zehntausende neue Arbeitsplätze" (Wowereit) geradewegs in die Katastrophe. Ein Schicksal, das er zeitgleich auch mit einem anderen "Garanten für zehntausende neue Arbeitsplätze", der Solarindustrie teilt.

Die Geschichte von Hybris und Versagen beginnt 2006. Großspurig tönte Klaus Wowereit (SPD) kurz nach Baubeginn: "Wenn ab 2012 ein einziges englisches Flugzeug in Berlin landet, dann will ich Meier heißen." Nur knapp vier Jahre später musste der Oberbauherr des Lufthafens kleinlaut riesige Lücken im Zeitplan einräumen. Der beinahe gleichzeitig begonnene Bau des Flughafens Dubai-World Central International - anvisierte Kapazität 190 Millionen Fluggäste jährlich - näherte sich der Inbetriebnahme. In Berlin - anvisierte Kapazität 27 Millionen Fluggäste jährlich - begannen die Bauarbeiten von vorn.

An einem Tag im Juni 2010 verkündeten er und der Flughafenchef Rainer Schwarz die Verschiebung des Eröffnungstermins zum ersten Mal. Der Schaden sprengte sämtliche Grenzen, die psychologische Wirkung war enorm. Die größte Baustelle Europas hatte die deutschen Steuerzahler in Angst und Schrecken versetzt.

Wowereit und Platzeck reagierten sofort und mimten zur Beruhigung der Bevölkerung Stärke: "Wir werden ihre Zweifel ausradieren", geiferten sie und ließen Berlin tagelang mit Durchhalteparolen bombardieren. Gleichzeitig ordneten sie den Bau von mehreren "Gepäckbändern" in den Abfertigungsgebäuden an. Viele Koffer sollten darauf Platz finden. Um die Wehrhaftigkeit und Allmacht des Demokratie zu unterstreichen sollten die Terminals wie eine mittelalterliche Festungen aussehen. Das Kalkül: Jeder würde diese Formensprache verstehen.

Und alles schien reibungslos zu laufen. Tausende Leih- und Fremdarbeiter begannen im März 2006 mit dem Bau des ersten demokratisch errichteten Flughafens, direkt auf den Trümmern des früheren DDR-Airports Schönefeld. 100.000 Tonnen Beton, 10.000 Tonnen Stahl und 2,4 Milliarden Euro kamen zu Einsatz - ein Aufwand, mit dem Fahrgäste bei der Deutschen Bahn 750 Millionen Fahrräder hätten mitnehmen können.

Nach nur 14 Monaten war eine hübsche kleine Empfangshalle fertig - zumindest auf einem Bild. Für die geplante aufhübschende Fassade blieb keine Zeit mehr. Also besserten die Architekten nach: Man verzichtete auf Fenster. Mit einer Seitenlänge von 47 Metern ist die neue Empfangshalle in Schönefeld deutlich schmaler, insgesamt robuster, die Glasflächen wirken transparenter. Schöner Nebeneffekt: Das Gebäude heizt sich im Sommer von allein auf, so das innen gepakte Flugzeuge nicht enteist werden müssen. Im Winter dagegen kann es mit Windenergie beheizt werden, die weitsichtige Bauern nebenan anbauen.

Dienstag, 27. August 2013

Große letzte Worte

"Ich sehe die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht in der Gefahr, zu einem Spitzelstaat zu werden."

Free Uli: Vergessenes Wahlkampfthema


So sicher sind sie gewesen, so sicher! "Hoeneß wird Wahlkampfthema" orgelte es Ende April aus allen Rohren. Fünf Monate vor der Bundestagswahl hatte die SPD eine Waffe gegen die CDU gefunden, die FDP nagelte den SPD-Kandidaten darauf fest, dass er sich vom obersten Steuersünder der Republik hatte beraten lassen, die Linken warf allen demokratischen Parteien vor, es mit den Hinterziehern zu treiben. Steuerbetrug war für ein paar warme Apriltage "die schlimmste Straftat überhaupt", denn der NSU-Prozess, der sich um die schlimmsten Straftaten überhaupt drehen würde, hatte noch nicht begonnen. Die NPD forderte trotzdem wie immer die Todesstrafe für Schuldige, allerdings druckte das niemand.

Die "Welt" immer wusste: "Affäre Hoeneß: Parteien haben ihr großes Wahlkampfthema gefunden", die FR assistierte "Uli Hoeneß: Steuerbetrug wird Wahlkampfthema" und die taz machte es konkret: "Hoeneß als  SPD-Wahlkampfthema".

Dann kam der Sommer. Dann kam die Urlaubszeit. Dann kam Snowden, kam Prism, kam Münteferings Wahlkampfschelte. Kam der Bundesligastart. Kam die Anklageerhebung gegen Hoeneß. Kam das große Schweigen. Die ersten fragten staunend "Hoeneß?" Hoeneß, das war doch der Fußballer, der Manager, der Wurstfabrikant. Das dicke Ding mit der halben Glatze? Und was sollte mit dem sein? Wahlkampfthema?

Wieso, weshalb warum? Kurz gab es noch mal die absurde Meldung, der Midas von München, der so viel Geld mit der Aktie der Deutschen Telekom verlor, habe auf einem Schweizer Konto weitere 350 Millionen Euro versteckt. Die Wahlkämpfer hatten sich da aber schon darauf verständigt, Hoeneß beim Wettstreit um Wählerstimmen außen vor zu lassen. Und die Medien hatten vergessen, dass ihre Analysen aus dem Frühjahr das ganz anders vorhersahen.

Nach dem ersten Gesetz der Mediendynamik, in dem ein Forscherteam des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale bereits vor Jahren erstmals wissenschaftlich beschrieben hat, wie es zum grassierenden Themensterben in den deutschen Leitmedien kommt, hat Hoeneß nicht mehr als zwei Emp auf der nach oben offenen Empörungsskala errreicht. Der oberste Steuersünder der Republik habe damit als Medienthema nie die Dominanz einer Wulff-Affäre, eines Sarrazin-Buches oder auch nur einer Fukushima-Katastrophe erreicht, analysiert Medienforscher Hans Achtelbuscher. Beeindruckend an der Affäre sei medienwissenschaftlich gesehen allein der Umstand, "dass jeder Fachmann sehen konnte, dass Herr Hoeneß nicht die Statur mitbringt, wirklich aus dem Frühjahr bis hinüber in den Wahlkampf im Spätsommer zu wirken". Leider aber, klagt der Medienwissenschaftler, interessierten sich Medienschaffende generell nicht für Medienwissenschaft. "Sie improvisieren lieber aus dem Handkasten und arbeiten mit abenteuerlichen Thesen, die kaum gedruckt, schon vergessen sind".

Das Publikum immerhin, so Achtelbuscher, gebe ihnen Mal für Mal recht: "Die Fälle, in denen Medien ihre eigenen kruden Thesen mit zeitlichem Abstand prüfend erneut betrachten, sind seltene Ausnahmen", warnt der Wissenschaftler.

Montag, 26. August 2013

Geniale Geschäftsidee: News als App

Nur kurz musste die Menschheit warten, jetzt hat Amazon-Chef Jeff Bezos  klargemacht, wie es weitergehen soll mit der traditionsreichen Zeitung "Washington Post". Der 49-jährige Internetunternehmer hatte das schlingernde Blatt vor einigen Wochen gekauft und damit für große Verwunderung vor allem in deutschen Medien gesorgt. Zwar seien ausgeruhte Beobachtung durch eine große Nachrichtenagentur, die Bewertung von Neuigkeiten durch günstig verpflichtete freie Autoren und die Strukturierung der Ereignisse mit Hilfe schnell hergestellter Überschriften für die Leser auch in Zukunft unverzichtbart. Doch im Moment sei noch unklar, wie irgendwer mit diesem Zeug weiter Renditen in zweistelliger Höhe erwirtschaften solle.

Ältere Experten wie Wolf Schneider widersprachen mit einem Plädoyer für wachsende Dummheit durch Digitalisierung jüngeren Experten, die zuvor für einen entschiedenen Umbau der Medien hin zu renditestarken, unabhängigen Sprachrohren der Vernunft plädiert hatten, aber nicht sagen konnten, wie dies genau erfolgen soll.

Jeff Bezos macht es jetzt vor. Mit der "Washington Post" hat sich der Milliardär einen bekannten Markennamen zugelegt, dessen Kerngeschäft immer noch eine Rendite im einstelligen Bereich erwirtschaftet. Verglichen mit Amazons Ergebnissen oder denen deutscher Einzelhandelsriesen wie Aldi ist die "Post" mit einem Kurs-gewinnverhältnis von 44 hochprofitabel - für Bezos, der gewohnt ist, mit negativen Renditen zu wirtschaften, kein Sanierungsfall, sondern ein ausbaufähiges Zukunftsgeschäft.

Über den eigenen Kindle-Reader, den inzwischen mehr als 25 Millionen Amerikaner benutzen, wird Bezos die derzeitige Druckauflage der "Post" von knapp 450.000 Exemplaren binnen kurzer Zeit verfünf- oder gar verzehnfachen können. News als App als Geschäftsidee, nur eben vom Gerät her gedacht - ein Gedanke, auf den deutsche Verleger in einem ganzen Jahrzehnt nicht gestoßen sind, weil sie ganz fest glaubten, dass das mit dem Internet schon irgendwann wieder fortgehen werde. Gelingt es Bezos in derselben Zeit auch nur, die derzeitge Eigenkapitalrendite des Blattes zu halten, besitzt er ein echtes Profitcenter, um dessen Zukunft sich niemand Sorgen machen muss.

Schere wird immer immerer

Trotz der wachsenden Armut infolge der Wirtschaftskrise haben die Deutschen ihr Geldvermögen erneut gesteigert. Zuletzt stieg das Vermögen der privaten Haushalte in Form von Bargeld, Wertpapieren, Bankeinlagen oder Ansprüchen gegenüber Versicherungen auf den Rekordwert von 4992 Milliarden Euro. Das ist ein Zuwachs um 52 Milliarden Euro oder 1,1 Prozent zum Vorquartal. Immobilien oder Vermögensgegenstände wie Autos oder Kunst sind in der Statistik nicht enthalten, auch die immer immerer klaffende Schere zwischen arm und reich wurde nicht berücksichtigt.

Etwas überraschend für jahrelange Warner vor der zunehmenden Verarmung der Gesellschaft haben Privathaushalte Kredite in Höhe von knapp vier Milliarden Euro zurückgezahlt. Die Verschuldung privater Haushalte sank damit auf nur noch 1564 Milliarden Euro. Dem steht ein seit den wegweisenden Zypern-Beschlüssen der EU weitgehend volkseigenes Nettogeldvermögen von 3428 Milliarden Euro gegenüber.

Um ihre Vermögen durch das niedrige Zinsniveau langsam abbauen zu lassen und die Schere zwischen Arm und Reich damit von oben zu schließen, setzen die Deutschen mehr denn je auf zinslose Tagesgeldkonten, Sichteinlagen und Versicherungsverträge. Kursgewinne an den Kapitalmärkten machten nur noch etwa ein Zehntel des Vermögenszuwachses aus - der Anteil der Aktionäre in der Bevölkerung ist dank der entschiedenen Politik aller Bundesregierungen zur Stärkung der Aktienkultur in den letzten 13 Jahren um ein Drittel auf nur noch rund 4,5 Millionen gesunken.

Trotz aller Aufrufe zur fortgesetzten Verarmung der Gesellschaft wächst das Geldvermögen der Deutschen stetig. Vor 20 Jahren hatte es noch einen Wert von 2002 Milliarden Euro, Anfang 2013 waren es 3595 Milliarden Euro - ein Anstieg auf 179 Prozent. Die Staatsverschuldung kletterte im selben Zeitraum von 776 Milliarden auf nunmehr 2000 Milliarden - ein Anstieg auf 257 Prozent.

Sonntag, 25. August 2013

HFC: Die gewinnen, die Finnen

Wenn es das Pech ernst meint, dann kümmert es sich nicht um Gefühle. Als Timo Furuholm, der Rückkehrer aus Düsseldorf, im Spiel gegen den SV Elversberg in der 16. Minute zum Elfmeterpunkt geht, scheint sich das Schicksal des Halleschen FC in dieser zweiten Drittligasaison endlich zum Besseren zu wenden. Furuholm wieder da, ein Heimspiel, in dem die Gastgeber nicht nur überlegen agieren, sondern nun auch die Chance haben, erstmals in dieser Spielzeit in Führung zu gehen... In Führung durch den Mann, auf den sich in Halle alle Hoffnungen richten. Timo Furuholm läuft an. Schießt. Und nagelt den Ball zwei Meter über die Querlatte.

Es folgt das Übliche. Der verschossene Strafstoß, wie zuletzt gegen Wehen-Wiesbaden vom äußerst agilen Tony Schmidt herausgeholt, wirkt wie sonst der routinemäßig kassierte Rückstand. Gelähmt und schockiert schleichen die eben noch dynamisch agierenden Rot-Weißen über den Rasen. Elversberg, mit dem Vorsatz an die Saale gereist, vielleicht einen Punkt zu holen, wittert Morgenluft. Alles deutet nun darauf, dass der anvisierte Befreiungsschlag nach dem schlechtesten Saisonstart aller Zeiten wieder nicht gelingen wird. Kapitän Wagefeld rudert zwar mit den Armen, vermag aber einmal mehr keine Impulse zu setzen. Toni Lindenhahn, bisher einer der Besten in einer Mannschaft, die sich noch nicht gefunden hat, macht das schlechteste Spiel bisher. Und die erstmals aufgebotene Doppelspitze mit Furuholm und Pierre Merkel generiert nicht mehr die Chancen, die sie noch in der ersten Viertelstunde herausgearbeitet hatte. Auch auf den Tribünen machen sich Unruhe und Ungeduld breit. Eben noch hatte die Fankurve den letzten Platz selbstironisch mit einem Plakat "Ich geh mit meiner Laterne" gefeiert. Jetzt herrscht auch hier lähmendes Entsetzen, drehen sich alle Diskussionen um den entsetzlichen Gedanken, dass die neue Mannschaft des HFC vielleicht wirklich nur so gut ist wie ihre bisher erzielten Ergebnisse: Vier Niederlagen, ein Tor.

Der Wiederanpfiff bringt keinen Trost. Halle müht sich, aber Zählbares ergibt sich nicht. Trainer Sven Köhler, um dessen Verbleib die Truppe heute spielt, strahlt nicht den großen Willen aus, den alle erwartet haben. Ein Schuss von Schmidt addiert sich zu den drei Großchancen von Furuholm vor der Pause, dazu gibt es weiter Freistoß auf Freistoß in der Entfernung, aus der in der vergangenen Saison etliche Tore entstanden.

Der Mühe Lohn ist lauter werdender Hohn von den Traversen. "Nun macht hinne", brüllt einer. Unten wechselt Köhler den indisponierten Lindenhahn aus und bringt mit Sören Bertram eine bisher recht überzeugend auftretende potentielle Stammkraft. Aber mit den Minuten schwindet die Hoffnung auf die ersehnten drei Punkte, schwindet erst recht die Hoffnung auf einen überzeugenden Sieg, auf den Befreiungsschlag, der alle Zweifel an Mannschaft und Trainer hinwegfegt.

Bis zur 82. Minute. Erneut ist es einer dieser frucht- und brotlosen Freistöße, der von rechts in den Strafraum segelt, um dort umstandslos entschärft zu werden. Diesmal aber ist Kristian Kojola plötzlich zur Stelle. Der Finne mit der 31, von Köhler trotz guter Leistungen in der letzten Saison aussortiert und heute erstmals von Beginn an dabei, schraubt sich hoch. Und köpft den Ball unhaltbar ins rechte Toreck.

Befreit ist das Gebrüll im Erdgassportpark, der früher Kurt-Wabbel-Stadion hieß. Befreit jubeln die Spieler. Befreit schmunzelt sogar der im Normalfall bewegungslose Sven Köhler.

Es folgen acht Minuten Hochspannung, in denen Elversberg dem Ausgleich näher ist als der HFC dem 2:0. Köhler hat den letzte Woche noch suspendierten Robert Schick gebracht, lässt aber Abwehrturm Adli Lachheb weiter auf der Bank. Der HFC verteidigt mit Mann und Maus, Elversberg stürmt mit dem Torwart. Ein Ball flattert an die Querlatte. Eine Ecke wird nach rechts außen zu Schick abgewehrt. Der behauptet den Ball, ein bisschen mit der Hand. Leitet weiter auf Sören Bertram. Der spielt Timo Furuholm an. Der hat kaum Mühe, das Leder im leeren Tor unterzubringen.

2:0, erzielt von den beiden Finnen in Rot und Weiß. Abpfiff. Und die Gewissheit im weiten Rund: Ein Befreiungsschlag, der alle Zweifel beseitigt, war das nicht. Aber immerhin ist das Glück zurück.

Barfuß ist das neue Lackschuh

Ist es der Klimawandel? Sind es fragwürdige Empfehlungen in fragwürdigen Gesundheitsmagazinen? Oder sind es die inflationsbedingt anziehenden Schuhpreise, die sich vor allem die Ärmsten der Armen nicht mehr leisten wollen und können? Tatsache ist, dass ein neuer Trend die seit Jahrhunderten geübte Tradition des Schuhetragens akut bedroht: Der Zerfall der Bekleidungssitten, anfangs ausgeübt von antiautoritären Wickelrockschlunzen, später aber auch kopiert von bh-losen Wuchtbrummen und alternden Beaus in Rippunterhemden, droht im laufenden Sommer auf den Fuß, die bislang letzte sichere Bastion der Bekleidungsindustrie, überzugreifen.

Die Zeichen sind nicht zu übersehen. Wo der mitteleuropäische Mensch in der Vergangenheit trotz brennender Sonne und tropischen Temperaturen immer noch ein paar Riemensandalen oder Flipflop-Sohlen trugt, trotzt er der Klimaerwärmung jetzt auch innerstädtisch immer öfter baren Fußes. Mädchen und Jungen, Frauen und Männer besuchen Biergärten, ohne Schuhe auch nur in der Hand zu tragen, eine allgemeine Fußverluderung propagiert die Hornhautbildung als Waffe gegen Straßenschmutz und Flaschenscherbengefahr. Stolz spaziert der Barfußgänger über schmutziges Pflaster und sonnenheißen Asphalt, ein Triumphator über Gehhilfen, wie sie die Großväter noch für unerläßlich hielten.

Waren Stiefel damals der neue Herrenschuh, so ist barfuß heute das neue Lackschuh. Fitnee oder Folter, fragen Fachmagazine und beschreiben den Menschen als „anatomisch und biologisch gesehen Menschen Ballengänger, der vom Vorderfuß hin zur Ferse abrollt“, während bei jedem Schritt etwa 50 Kilo Gewicht durch die Gelenke bis hinauf in die Schädeldecke „donnern“. Ohne Dämpfung durch eine künstliche Zusatzsohle müssten die aus 26 Knochen, 27 Gelenken, 32 Muskeln und Sehnen, 107 Bändern, 90.000 Schweißdrüsen und 1.700 Nervenenden bestehenden Füße Schwerstarbeit leisten, der überzeugte Barfüßer aber verrichtet die lächelnd, glücklich darüber, zurück zur Natur gefunden zu haben.


Gesänge fremder Völkerschaften: Die Sonne in Kerzen

Aus Ulm, wo das alternative Leben regiert, kommt die Band Rigna Folk, die in der klassischen Rockbesetzung apokalyptische Starkstromopern spielt. Queens of the Stone Age, Radiohead und Múm in einen Mixer, Volldampf und heraus kommt "Sól", das erste ernsthafte Album von Viktor Nordir und seinen Männern.

Pompös und brachial, energisch und anämisch, so bewerben sich die vier Baden-Würtemberger um Berücksichtigung in der ethnologischen PPQ-Reihe "Gesänge fremder Völkerschaften". Und hier sind sie nun, die sich selbst als "Ulmer Kunstrock Band" bezeichnen und mit KLang und Spiel eine selbsterfundene Parallelwelt bewohnen. Rigna Folk heißt Regenvolk, das Regenvolk bewohnt eine Parallelwelt, in der es immer regnet. "Sie ist der Erde ziemlich ähnlich, nur mit dem Unterschied, das sie sich ständig in dem Zeitgeist der 1930er Jahre befindet, die von Industrialisierung und einer neuen politischen Richtung, der Technokratie, geprägt ist", erklärt die Band zum Verständnis von Songs wie "Hybrida", einem Monoliten aus Moll mit der Sonne in Kerzen.

Im ausgedachten Rigna-Folk-Ulm, realitär hellerleuchtet, seit Rot-Grün regiert, besteht die ganze Welt aus einer einzigen großen Stadt "Astropolis", die niemand verlassen werden darf. "Seit die technokratische Partei die politische Macht in Astropolis übernommen hat, haben sich die Prioritäten auf den technischen Fortschritt und den radikalen Umbau der Stadt verlagert, sehr zum Leidwesen der Stadtbewohner", spielt Nordir auf Stuttgart21 an. Dagegen gilt es mit Gitarren anzusägen, das Leid, das gefällt Bahnhofsbäume erdulden mussten, gilt es herauszuschreien. "Sól" ist, bei allem, was dagegen spricht, ein Großwerk der musikalischen Fantasie.


Mehr Gesänge:
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Samstag, 24. August 2013

Im dunklen Herz des Ostens

Der Großjournalist Christoph Diekmann ist entlang der Straße der Gewalt durch die ehemalige DDR gereist und dann tief ins dunkle Herz des Ostens eingetaucht. Sein Bericht ist mit zärtlicher Feder geschrieben, ein Protokoll von Begegnungen, wie sie nur hier zu machen sind, wo die Gegenwart mit einem Bein in der Vergangenheit steht.


Zunächst erkunden wir Margot Honeckers Glaucha. Der räudige Stadtbezirk döst zwischen Gestern und einer Zukunft, die nicht einzutreffen scheint. Gründerzeitfassaden, vernagelte Ruinen, Bröckelgrau und Wuchergrün. Sonnenstudio, Hotel (ab 26 Euro), Pizzeria ("Heiße Ware auf Bestellung!"). Margot Honeckers Kindheitshaus Torstraße 36 diente zur Nazizeit als Kurierzentrale der KPD. 2006 riss man es ab. Proteste? Nicht bekannt. Das Grundstück liegt brach, daneben ein Getränkemarkt. Ein wohlversorgtes Pärchen schlappt heraus.

Wisst ihr, dass hier Margot Honecker gewohnt hat?

Wer warn das?

Die First Lady der DDR.

Kennwer nich.

Die soll jetzt ins Stadtmuseum, mit Hans-Dietrich Genscher.

Kennwer och nich. Sorry, fragense mal weiter, hier jibt’s bestimmt ooch Schlaue.

Ein akademischer Herr, zugezogen aus Hannover: Hier wohne man ruhig und gut. Jawohl, Frau Honecker gehöre ebenso zur Geschichte wie Herr Genscher.

Unweit am Böllberger Weg steht Margot Honeckers Weingärtenschule. Schon 1985 wurde sie geschlossen. Heute birgt der backsteingelbe Bau das Künstlerhaus 188 und steht unter Denkmalschutz. Dennoch droht Abriss, wegen Straßenausbau. Nebenan zecht ein Kollektiv von Nachmittagsvernichtern: Glauchscher Adel pur. Wir fragen nach Genscher.

Der hat jesacht: De Mauer is uff! Weiter hatter hier nüscht jemacht.

Und Margot Honecker?

Der hat hier ooch nüscht jemacht.

Ich meine eigentlich Frau Honecker.

Die hat hier ooch nüscht jemacht. Doch, die war immer mit der Kürche janz dicke, mit den Pfaffen.

Dieser unschlagbar absurden Auskunft folgt eine seriöse Seniorin, ehedem Krankenschwester. Frau Honecker? Wissen Sie, das polytechnische Schulsystem der DDR war in Ordnung, sonst hätten die Skandinavier das wohl kaum übernommen. Aber der Staat konnte ja wirtschaftlich nicht überleben. Das Geklaue in den Betrieben! Und die Versorgungslage! Unsere Chefärztin hat mit dem Rezeptblock eingekauft.

Meiner, sagt der nächste Interviewpassant, Meiner, deine Zeitung koof ich nich. Höchstens mal das Lüjenblatt, das allerjrößte.

Sport by Wosz, das Sportzentrum da drüben, hat das was mit Dariusz Wosz zu tun? Dem Bundesliga-Fußballer?

Freilich! Dariusz, den kennch von kleen uff. Bolzplatz, hinten am Jaswerk, ährlich, is keen Hut. Bin hier jroß jeworn. Awer nüscht mehr, wies mal war. Die janz Alten kenntste noch, da is Emma noch berühmt.

Unser Gesprächspartner heißt Werner Emmrich, genannt Emma, wie alle Mitglieder der Familie. Soeben sechzig geworden. Drei Geschwister jung gestorben, Vater Kalle 1988. Wende leider nich mehr erlebt. Hat nur jemeckert über den Schweinestall DDR. War Arbeiter, hat mich so erzoren, zum Alkohol anscheinend ooch. Lagerist hab ich jelernt, paarmal war ich wegjeschlossen, das war so mein Wärdejang. In Westzeiten hab ich mein Ding jemacht. Naja, jetzt bin ich im Oheim.

Oheim?

Haus der Wohnhilfe. Vater Staat. Bloß trinken muss ich draußen.

Hier hat doch Margot Honecker gewohnt.

De lila Hexe? Willse nich schlechter machen, wie se war. Is jut, wie’s jekomm is. Kalle hätte jejubelt.

Und Genscher?

Wunderbar! De Merkeln kannch wenjer, CDU, CSU, den janzen Kram. Linke, Jrüne ooch nich. Wenn ich jemals noch erläbe, dass ich wähle, dann FDP.

Warum denn das?

Wejen Dietern. Genscher. Der vertritt seine Meinung und setzt se durch. Meiner, mach mal ’n Photo. Emma, wie er leibt und lebt. Hau rin, Meiner!


Für die Umwelt: Einmal die Woche Dackeltag

Haustiere sind ein Übel für unseren Planeten, sie erfüllen keinen Zweck, schädigen aber die Umwelt, indem sie gewaltige Mengen an Ressourcen verzehren. Hundehalter sind Ökotäter, denn ihre Dackel, Pinscher und Schäferhunde sind Klimakiller: Bereits ein possierlicher Cockerspaniel belastet die Umwelt doppelt so sehr wie ein Toyota Land Cruiser. Ein Schäferhund ist sogar fast dreimal so schädlich und das Reitpferd der Zahnarzttochter zerstört die Ozonschicht schneller als ein saufender Kettenraucher.

Der ökologische Fußabdruck von Milliarden unreguliert in der Nähe des Menschen lebenden Ziertieren ist es, der droht, die Welt in den Abgrund zu drücken. Normales Hundefutter etwa besteht aus Fleisch und Getreide. Ein mittelgroßer Hund wie ein Cockerspaniel frisst pro Jahr 164 Kilo Fleisch und 95 Kilo Getreide. Um die Kühe oder Puten für das Hundefutter zu züchten und das Getreide dafür anzubauen, hat der Brite Robert Vale in ausgerechnet, sind 0,84 Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche nötig. Wer hingegen in einem Land Cruiser mit einem 4,6-Liter-Motor 10.000 Kilometer im Jahr fährt, verbraucht nur 55,1 Gigajoule Energie im Jahr - hier reichen 0,41 Hektar Land, sie bereitzustellen.

Der ökologische Fußabdruck des Cockerspaniels ist also doppelt so groß wie der des Geländewagens, der des Dackels übertrifft ihn ums Dreifache. Bereits ein mittelgroßer Hund belastet die Umwelt stärker als ein Vietnamese oder Äthiopier. Eine Katze schadet der Umwelt so sehr wie ein VW Golf, zwei Hamster belasten das Klima im gleichen Maß wie ein Plasmafernseher.

Hier tut staatliches Eingreifen not, das haben jetzt auch die Grünen erkannt, die im Rahmen ihrer Umerziehungskampagne für eine nachhaltige Umwelt über ein Hundeverbot, eine Führgenehmigung für Katzen und die ökologische Nachnutzung vorhandener Haustierbestände nachdenken. So soll das öffentliche Ausführen von Hunden untersagt werden, um die Attraktivität der Hundehaltung zu vermindern. "Hunde gelten heute oft als Statussymbole", heißt es dazu, "hier gilt es, gegenzusteuern."

Ökologisch konsequent ist auch die Forderung an die Gesellschaft, mehr Dackel, Doggen, Katzen und Kanarienvögel auf den Speiseplan zu setzen. Einmal in der Woche solle künftig in allen deutschen Kantinen Dackeltag sein, so die Forderung der Umweltschützer. Das Fleisch der Tiere sei vorhanden, viele seien überdies durch ihre Halter bereits küchenfertig gemästet. Das derzeit in Deutschland geltende Hunde-Zubereitungsverbot sei längst nicht mehr zeitgemäß, auch für das gesellschaftliche Tabu, einen kleinen Spitz, einen Pudel oder ein Siamkätzchen zu kochen oder zu braten, gibt es nach Ansicht des Vorbereitungskreises keinen vernünftigen Grund. Für die Umwelt sei jeder gegessene Hund ein Segen und schmackhaft sei er, richtig zubereitet, auch.

Experten empfehlen eine Zubereitung des Hundes als lebendes Fleisch nach folgendem koreanischem Rezept: Den Hund zuerst rasieren, damit die Behaarung in der Röhre keinen unangenehmen Geruch entwickelt. Den Hund dann mit Butter bestreichen und komplett in den Ofen schieben, leicht festgebunden. Dadurch wird verhindert, dass das Fleisch stockt, weil der Hund in der Pfanne verrückt wird. Den Hund dann bei 180 Grad rund anderthalb Stunden braten lassen. Anschließend in kleine Streifen schneiden und mit chinesischem Duftreis, jungen Zwiebeln, Karotten und Zweigen vom frischen Koriander zurichten.

Freitag, 23. August 2013

XKeyscore: Grundrechte nur im Inland

Da musste nun erst PPQ kommen, ehe auffiel, dass die Abhöraktivitäten des Bundesnachrichtendiensts (BND) in Afghanistan verfassungswidrig sind. Wie die taz berichtet, wird der Frankfurter Richter Bertold Huber, seit 1997 Mitglied der G-10-Kommission des Bundestags, demnächst in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift Neuen Juristischen Wochenschrift nachweisen, dass der grundgesetzliche Schutz für private Kommunikation nicht an den deutschen Außengrenzen halt macht. Damit wären Opfer der Überwachungspraxis des BND, der derzeit jeden Monat mehr als 500 Millionen Daten aus der Telekommunikationsüberwachung in Afghanistan speichert und an den US-Dienst NSA weitergibt, in der Lage, Klage gegen den Dienst und die verantwortliche Bundesregierung einzureichen.

Bisher hatten alle Parteien vermieden, die rechtlichen Implikationen der Auslandsüberwachung des BND in der Diskussion um die NSA-Ausspähaffäre zu erwähnen. Aufregung herrschte, so lange die Opposition und der „Spiegel“ davon ausgingen, dass die aufgezeichneten und abgehörten 500 Millionen Verbindungen im Inland angefallen waren. Als sich herausstellte, dass nicht die Daten deutscher, sondern nur die afghanischer Bürger überwacht worden waren, erlahmte das Interesse am Thema sofort.

Nach Hubers Analyse findet die Auslandsüberwachung allerdings „außerhalb des verfassungsrechtlich zulässigen Rahmens“ statt. „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich“, heißt es in Artikel 10 des Grundgesetzes. Das Fernmeldegeheimnis stehe laut Grundgesetz also nicht nur Deutschen in Deutschland zu, betont Huber. Der Wortlaut des Grundgesetzartikels kennt keine regionale Einschränkung.

Damit gilt die Fernmeldefreiheit also auch für Afghanen, die von der deutschen Staatsgewalt in Afghanistan abgehört werden – wobei die Bundesregierung den Paragraphen anders liest. „Sachverhalte, denen Anknüpfungspunkte zur Bundesrepublik fehlen, da insbesondere keine deutschen Staatsangehörigen betroffen sind, unterfallen nach Auffassung der Bundesregierung nicht dem Geltungsbereich des Art. 10 des Grundgesetzes“, so ein Sprecher des Innenministeriums auf eine Anfrage der taz.

Nach Auffassung der Bundesregierung darf sich der BND damit auf die Rechte berufen, auf die sich die NSA bei der Bespitzelung des deutschen Datenverkehrs beruft: Nur die eigenen Staatsbürger seien grundrechtlich vor Überwachung durch eigene Dienste geschützt, Ausländer im Ausland dagegen können und müssen überwacht werden.

Klimawandel schon am Ende?

Wie auch hier im Klima-Spezialblog PPQ ablesbar, hat die Berichterstattung über den Klimawandel und die Klimaerwärmung in den zurückliegenden Jahrzehnten immer breiteren Raum eingenommen. Sehr gut, denn damit rückt die größte Bedrohung des Lebens der Menschheit ins Bewusstsein der Bedrohten, die Berichterstattung über das Klima änderte das gesellschaftliche Klima - einschneidende Maßnahmen gegen Kohlendioxid, Waldsterben und Ozonloch wurden möglich. Doch eine langfristige Betrachtung (oben) zeigt, dass die Stimmung trotz des überheißen Sommers kippt: Nach einem Peak im Jahr 2007 lässt die Aufmerksamkeit inzwischen stark nach. Die Sonne brennt, aber Klimawandel, Klimaerwärmung und Klimakatastrophe schwächeln spürbar.

Seit der Katrina-Katastrophe von 2005, der Trockenheit in Australien 2006, Al Gores Dokumentarfilm und der von vielen Berichterstattern gern besuchten Klimakonferenz 2007 in Bali ist die Aufmerksamkeit für das lebenswichtige Thema geradezu eingebrochen. Nicht zuletzt die beginnenden Finanz- und Wirtschaftskrise hat der zuvor allgegenwärtigen Klimaerwärmung den Rang abgelaufen: Nach der Aufmerksamkeits-Explosion im Jahr 2006 erreicht das Thema Klima eine Spitze im Jahr 2007, der Schwerpunkt liegt dabei in den europäischen Medien. Seitdem geht das Interesse kontinuierlich zurück – sollte der Trend anhalten, bemerken besorgte Klimaschützer bereits heute unter Ausschluss der Öffentlichkeit, dann würde das bedeuten, dass der Druck auf die Politik durch die Öffentlichkeit nachlässt, starke Klimaziele zu beschließen, um zumindest so zu tun, als könne man etwas tun. Beunruhigend für alle Klimaanhänger: Im Bundestagswahlkampf sind bislang weder die frühere Klimakanzlerin Angela Merkel noch der frühere Eisbären-Pate Sigmar Gabriel mit Äußerungen zur Klimarettung hervorgetreten.

Donnerstag, 22. August 2013

Geheimcodes: Nuri Sahin und die "18"

Deutsche, liebt deutsch-türkische Fußballer! Oder zumindest Dortmund. Der Bundesligaverein verkauft inzwischen schließlich allerlei Dinge, jetzt auch für den alltäglichen Neonazi-Bedarf. Im Angebot gibt es Vereinstrikots mit der Aufschrift „18“.

Die Designer des Hemdes, das gerade zum schönsten der Bundesliga gewählt wurde, werden sich dabei wenig gedacht haben, die Näherinnen in Südostasien noch weniger. Aber auch viele Neonazis wissen: Der erste Buchstabe im Alphabet ist das A, der achte das H – die "Initialien", wie der "Freitag" es nennt, von Adolf Hitler. Die Rückennummer von Sahin bei Dortmund dürfte Nazis erfreuen: Die Aufschrift "18" steht bei ihnen für den früheren Reichskanzler und heutigen Fernsehhistoriker Adolf Hitler.

Das Anti-Nazi-Blog publikative.org hat sofort reagiert und das unsägliche Trikot-Angebot bei Facebook gepostet. „Vergesst Thor Steinar und alle anderen Neonazi-Marken: Jetzt kommt Nuri Sahins Dortmund-Trikot...“, warnte die Seite.

Seitdem verbreitet sich die Nachricht im Netz. Hätte Dortmund, hätte der mit der „18“ ausstaffierte Spieler Nuri Sahin nicht aus der Vergangenheit lernen können? Vor kurzem erst bewarb der Tchibo-Konzern einen Turnschuh mit derselben Nummer. Erst nach harschen Protesten aufmerksamer AntifaschIstinninnen stoppte Tchibo den Verkauf.

Denn die „18“ ist ein Geheimcode, den nicht nur versteht, wer der rechten Szene angehört. Zahlreiche Fachjournalisten berichten vielmehr seit mehr als 10 Jahren beharrlich mindestens viermal im Jahr darüber, wie geheim der Code wirklich ist. Antifa-Aktivisten informieren regelmäßig in Broschüren über Dresscode, Zeichen und Symbole der Nazis, Fanbeauftragte ebenso. Sie alle möchten Rechtsextremen auf der Straße identifizieren können, indem sie ihre Codes entschlüsseln, um umgehende sogenannte Shitstürme auszulösen, die die Verantwortlichen zwingen, für Abhilfe zu sorgen. Der Kaffeeröster Tchibo, der jüngst mit einem Hitler-Schuh hatte Umsatz machen wollen, hat das Weiterbildungsangebot der Antifa unterdessen dankbar an- und den als textile Einstiegsdroge für Kinder gedachten "18"-Schuh aus dem Angebot genommen.

Der dünne Lack der Pressefreiheit

So ist es also um die Pressefreiheit bestellt im freien Westen, der sich viel darauf zugute hält, die ehernen Werte hochzuhalten, die er Grundrechte nennt. Ein ausgekügeltes System von Checks and Balances sorgt dafür, dass es in sogenannten Rechtsstaaten theoretisch wie beim Schnick-Schnack-Schnuck zugeht: Jeder prüft jeden, alles sind von allem abhängig - und ganz obendrüber gibt es dann noch jene mythische vierte Gewalt, die das Versagen der drei anderen öffentlich machen kann. Verhindern können die Betroffenen das über Einstweilige Verfügungen oder über Polizeieinsätze nach richterlichem Beschluss, deren Angemessenheit wiederum der Kontrolle durch die nicht beteiligten Gewalten und - über die Medien - die Öffentlichkeit unterliegt.

Die Theorie aber ist das eine, die Praxis auch hier eine andere. Nach den Erzählungen von Alan Rusbridger, dem Chefredakteur des "Guardian", spielt sich der Kampf um die Pressefreiheit in der Realität dann doch auf einer anderen Ebene ab. Im konkreten Fall: Es erscheinen Männer, die sich als Agenten des Geheimdienstes GCHQ bezeichnen, und verlangen die Zerstörung von Computer-Festplatten, auf denen die "Guardian"-Redaktion Unterlagen gespeichert hat, die sie vom Whistleblower Edward Snowden erhalten hat.

Alan Rusbridger hat über die Begegnung seiner Redaktion mit der dunklen Macht im Stil eines aufrechten Kämpfers berichtet. Anrufe aus Regierungskreisen habe es zuvor gegeben, Drohungen und "Druck auf die Zeitung". Ein Regierungsbeamter habe gesagt: „Ihr hattet euren Spaß, wir wollen das Zeug zurück.“ Offenbar hätten Herausgeber und Journalisten eingeschüchtert werden sollen, vermutlich auf einen Wink aus Washington hin.

Viel mehr brauchte es dann auch nicht. Nirgendwo berichtet Rusbridger von einem Gerichtsbeschluss, den die Geheimagenten vorlegten, um die Festplatten „mit Flex und Bohrer“ (Rusbridger) zerstören zu lassen. Nirgendwo spricht er auch nur vom Versuch seiner Redaktion, das Eindringen der nur über ihre eigenen Behauptungen legitimierten Spione mit Hilfe des Hausrechts oder der Polizei zu beenden.

Nein, wie anno 2006, als die gesamte deutsche Presse sich in Absprache mit dem kanzleramt anlässlich der Fußball-WM im eigenen Land bereiterklärte, über die unschönen Begleiterscheinungen des Großturnieres nicht zu berichten, ergab sich auch das britische Sturmgeschütz des linken Liberalismus anlasslos und ohne Not dem Verlangen der Regierung, etwas zu tun, zu dem vermutlich kein britisches Gericht das Blatt hätte zwingen mögen.

Der dünne Lack der Pressefreiheit, von Medienhäusern im Abendland traditionell zu einer undurchdringlichen, festungsartigen Schutzmauer verklärt, bekommt offensichtlich Risse, sobald nur ein subalterner Beamter aus dem Umfeld der Regierenden telefonisch Unmut äußert. Rusbridger zufolge hätte seinem Blatt ein „jahrelanger Rechtsstreit“ gedroht, währenddessen es „nicht mehr über Snowden und dessen Enthüllungen über Datenspionage durch die NSA und deren Partnerdiensten hätte berichten können“. Woher der Guardian-Chef dieses Wissen bezieht, bleibt rätselhaft: Ihm gegenüber hatten die Regierungsbeamten nur erklärt, sie wollten vor Gericht ziehen und den Guardian so zwingen, die Daten über Snowden herauszugeben.

Dies hätte sich möglicherweise über Jahre hingezogen,fürchtete Rusbridger, und in dieser Zeit hätte es sein können, dass seiner Zeitung per einstweiliger Verfügung jedwede Berichterstattung zum Fall untersagt worden wäre. Hätte, könne, wäre – statt es darauf ankommen zu lassen, ob wirklich der "Staat einen Verleger daran hindern kann, etwas zu veröffentlichen“, gab die drittgrößte britische Zeitung vor der Schlacht auf.


Selbstmord aus Angst vor den Tod, verklärt als heldenhafte Widerstandstat. "Ich wollte die Daten lieber zerstören, als sie den Geheimdiensten zu geben oder es den Gerichten zu erlauben, unsere Berichterstattung einzufrieren." Rusbridger warnt vor langfristigen Folgen des Überwachungsstaates für die freie Presse. Die nun noch genauso frei ist wie eine Knastzeitung, deren Endredaktion beim Gefängnsidirektor liegt.

Mittwoch, 21. August 2013

EU-Kommission droht Großbritannien mit Verfahren

Großbritanniens Regierungschef David Cameron gerät wegen seiner Duldung des Vorgehens des britischen Geheimdienstes gegen die Zeitung Guardian immer weiter in Bedrängnis. EU-Justizkommissarin Reding hat angekündigt, ein Verfahren gegen das Land zu prüfen - im schlimmsten Fall könnte Großbritannien sein Stimmrecht verlieren.

Im Streit um die Zerstörung mehreren Computerfestplatten mit Geheimmaterial des Whistleblowers Edward Snowden erhöht die EU-Kommission den Druck auf die Regierung in London. Die Brüsseler Behörde prüfe derzeit auf Grundlage neuer Dokumente die Lage im Land "gründlich, objektiv und fair", sagte Justizkommissarin Viviane Reding vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Sollte es erforderlich sein, werde rasch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien eingeleitet.

Sorge bereite der Kommission unter anderem die offensichtliche Zustimmung des konservativen Regierungschefs David Cameron zum Vorgehen des Geheimdienstes GCHQ, der auf Veranlassung der Regierung eine Vernichtung von Geheimmaterial gefordert hatte. Dadurch werde die Pressefreiehit in Großbritannien eingeschränkt, die Meinungsfreiheit zerstört und der Bürger doppelt bestraft - durch Menschenrechtsverletzungen seines Staates, für die er dann auch noch zahlen müsse.

Geprüft wird laut Reding auch ein Verfassungsartikel, der Cameron ermächtigt, Zeitungshäuser unter Verletzung des Redaktionsgeheimnisses mit Verfahren zu überziehen, ohne den Fall vor Gerichte zu bringen. Damit werde das Recht auf ein faires Justizverfahren eingeschränkt. Anlass zu Bedenken gebe auch die Beschränkung von Genehmigungen, über solche Vorfälle öffentlich zu berichten oder auf öffentlichen Sendern Stellung zu nehmen.

Der Vorsitzende der liberalen Fraktion im Europaparlament und frühere belgische Regierungschef, Guy Verhofstadt, forderte, gegen Großbritannien Artikel 7 des EU-Reformvertrags anzuwenden. Er gibt der EU die Möglichkeit, einem Mitgliedsland, das "dauerhaft gegen die EU-Grundrechte verstößt", die Stimmrechte im Ministerrat zu entziehen, was einem faktischen Ausschluss gleichkäme. Reding schloss das nicht aus, betonte aber, ein solches Vorgehen müsse gründlich bedacht werden.

Ministerium wollte Passagen aus NSA-Bericht streichen

Der NSA-Untersuchungsausschuss wird morgen seinen Abschlussbericht vorstellen. Vorab lag das Papier dem Innenministerium vor, das nach PPQ-Informationen Textstellen entfernen wollte. Darin gehe es um "äußerst sensible Belange", von denen die Öffentlichkeit nichts wissen dürfe.

Es geht um 118 Textstellen, die das Bundesinnenministerium (BMI) beanstandet. Das Ministerium ist der Ansicht, dass diese Passagen des Abschlussberichtes des NSA-Untersuchungsauschusses nicht veröffentlicht werden dürfen. Das Gremium wird das Dokument am kommenden Donnerstag in Berlin vorstellen.

Nach Informationen von PPQ forderte das BMI aber in einem Schreiben vom 9. August an den Ausschuss, 47 dieser Passagen ganz zu streichen. In vielen Fällen seien "äußerst sensible Belange des Bundeswohls" betroffen, die so nicht an die Öffentlichkeit dürften.

Komplett entfallen sollte unter anderem eine mehrseitige Passage über ein kritisches "Positionspapier" des Bundeskriminalamts (BKA). 1997 hatte das BKA angeprangert, dass ausländische Geheimdienste nach wie vor in Deutschland tätig seien. "Bestimmte Aktionen" der zumeist westlichen Partnerdienste hätten dem Papier zufolge "ohne die innovativen Aktivitäten" der Spitzel womöglich gar nicht stattfinden können. Durch eine Veröffentlichung der kritischen BKA-Thesen würde, so das BMI, "das Ansehen des Bundesamts" für Verfassungsschutz beschädigt, das später erklärt hatte, von der Tätigkeit ausländischer Dienste in Deutschland nichts gewusst zu haben.

Eine Streichung aus dem Untersuchungsbericht erscheint jedoch abwegig, da PPQ bereits im Juli über das eklatante Versagen der Sicherheitsbehörden berichtet hatte.

Auch gegen die Nennung von Details zu drei inzwischen öffentlich enttarnten Abhörsystemen westlicher Partnerdienste erhob das BMI Einwände. Es handelt sich um die Programme "Prism", "Tempora" und "XKeyscore", die nach wie vor in deutschland eingesetzt werden, aber zum Beispiel keine Hinweise auf die flüchtigen Mitlgieder des rechten Terrortrios NSU lieferten.

Auch Details zu den früheren Kenntnissen des damaligen Innenministers Thomas de Maiziere, der bereits 2011 "von der Beteiligung von Nachrichtendiensten anderer Länder" gesprochen hatte, wollte das BMI aus dem Abschlussbericht entfernen lassen. Bis vor wenigen Tagen verhandelte der Untersuchungsausschuss mit den Regierungsstellen über die Änderungswünsche.

Am Montag wollen sich die Ausschuss-Obleute der Bundestagsfraktionen in einer geheimen Sitzung über die endgültige Fassung ihres Berichts verständigen. Jeder Bürger dürfe nur so viel wissen, wie zur Erfüllung seiner Aufgaben als Wähler und Steuerzahler unbedingt nötig sei, hieß es dazu im politischen Berlin.

Dienstag, 20. August 2013

Klare Kante: Steinbrück bleibt sich treu

Und er bewegt sich doch! Peer Steinbrück, der Mann, der der West LB einst als Aufsichtsrat die Türen zu den internationalen Finanzmärkten öffnete, um später vehement gegen die von ihm selbst eingeführten Verbriefungen zu wettern, dreht angesichts katastrophaler Umfragewerte sechs Wochen vor der Bundestagswahl eine erneute Pirouette. In einem "energiepolitischen Zehn-Punkte-Papier" zur Stabilisierung des Strompreises, kündigt Steinbrück an, die Stromsteuer zu senken. Verbraucher könnten dadurch und durch Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz um drei Milliarden Euro entlastet werden, versprach der Arbeiterführer.

Steinbrück bleibt sich damit treu, hatte er doch in den vergangenen Jahren konsequent ausgeschlossen, dass es dem Staat möglich sei, Steuern zu senken. Bei einer Neuverschuldung des Bundes im hohen zweistelligen Milliardenbereich gebe es "null Spielraum" für Steuersenkungen, so Steinbrück. Wer Steuersenkungen verspreche, sei "waghalsig und illusionär". Für den Fall eines Wahlsiegs kündigte er stattdessen Steuererhöhungen an. Weil die Staatsausgaben in diesem Jahr mit 310 Milliarden Euro nur knapp 25 Prozent über denen des Jahres 1999 liegen, als die rot-grüne Bundesregierung mit dem radikalen Sparen begonnen hatte, und Steuereinnahmen auf Rekordniveau noch immer nicht ausreichen, alle wichtigen Vorhaben der Regierung zu finanzieren, werde der Spitzensteuersatz soll auf 49 Prozent steigen, die Abgeltungssteuer wird auf 32 Prozent erhöht und die Vermögenssteuer wiedereingeführt. Die Mehreinnahmen in Höhe von sechs Milliarden Euro, so Steinbrück, sollten in die Bildung und den Ausbau der Infrastruktur fließen.

Die nun angekündigten Steuersenkungen gegengerechnet, würden Steinbrück drei Milliarden fehlen. Erfahrungsgemäß wird der erfahrene Machtpolitiker zur Deckung der Lücke vorschlagen, die Tabaksteuer zu erhöhen. Diese Strategie hatte dem Staat in den letzten zehn Jahren, in denen die Steuer in mehreren Stufen um 60 Prozent erhöht worden war, um Zusatzeinnahmen in Milliardenhöhe zu generieren, tatsächlich Mehreinnahmen von 300 Millionen Euro beschert.

HFC: Taumeln Richtung Abgrund

Zehn Prozent der Spielzeit sind vorüber, und der letztjährige Drittliga-Zehnte Hallescher FC steckt in der tiefsten Krise seit der Spielzeit 1994/1995, als eine um den derzeitigen Co-Trainer Dieter Strozniak verstärkte A-Jugendmannschaft nach dem Abschied aller Profispieler in 30 Oberliga-Begegnungen ganze drei Punkte holte.

Übertrieben? Der Ernst der Lage schwarzgemalt?

Keineswegs. Zehn Prozent der Spielzeit sind vorüber, der HFC hat in vier Begegnungen ein Tor geschossen und sieben kassiert und damit null Punkte geholt - hochgerechnet auf die übrige Saison ergibt das eine Gesamtausbeute von zehn Treffern bei 70 Gegentoren. Rein rechnerisch ist das sogar deutlich schlechter als 1995, als 17 eigene Tore bei 83 Gegentoren zu immerhin drei Punkten aus drei Remis reichten.

Es sieht nur besser aus, zumindest in den beiden Heimspielen, die mit Pech oder durch fehlendes Glück verlorengingen. Auswärts allerdings präsentierte sich die von zwei bis drei Ausnahmen abgesehen völlig neuformierte Startelf noch deutlich schlechter als die anämisch Richtung Abstieg taumelnde Truppe aus dem Herbst 2012: Auch damals holte die Mannschaft in vier aufeinanderfolgenden Spielen keinen Punkt. Allerdings standen da schon 14 Zähler zu Buche und es waren schon neun Tore geschossen worden.

Eine überaus klägliche Quote, die im Vergleich zur derzeitigen dennoch wie die einer Spitzenmannschaft wirkt. Augenblicklich erzielt der HFC ein Tor aller 360 Minuten, während er aller 51 Minuten eins kassiert. Die eigene Torquote liegt damit mit 0,25 Pro Spiel noch einmal um 70 Prozent unter der des Katastrophenherbstes 2012 (0,82 pro Spiel). Und auch die damals geschluckten 1,455 Gegentore pro Spiel werden mit bisher 1,75 deutlich übertroffen.

Es läuft also offensichtlich vieles falsch und wenig richtig beim Traditionsverein von der Saale, dessen Macher vor der Saison angetreten waren, mit einer komplett neuaufgestellten Mannschaft nicht wieder endlos um den Klassenerhalt zittern zu müssen. Die "zweifellos neuen Qualitäten im Team", so Trainer Sven Köhler, sollten die für den Ligaerhalt "notwendigen 45 Punkte so schnell als möglich einfahren", um "für die nachfolgende Saison sicher planen zu können".

Dass diese Planungen nach derzeitigen Stand bereits beginnen können, steht außer Frage. In ihrer Sommerform ist Köhlertruppe ein sicherer Absteiger - vor allem, weil hier noch gar nichts zusammenpasst. Mit Horvat, Kanitz, Hartmann, Mast und den geborgten Leistner und Furuholm verlor die Mannschaft sechs tragende Stammkräfte durch Karriereende, Rückholaktionen oder Wechselwünsche. Abwehrchef Ruprecht und der flexible Außenverteidiger Benes mussten gehen, Mouaya und Becken sind immer noch verletzt, dauerverletzt ist auch der im Winter neuverpflichtete Regisseur Ziegenbein.

Die Neuzugänge, von Manager Ralph Kühne und Trainer Köhler mit kleinem Portemonnaie eingekauft, können die Lücken bisher nicht annähernd schließen. Hartmann-Ersatz Niklas Brandt verletzte sich im ersten Spiel, der Rest der blonden B-Fraktion Baude, Brügmann und Bertram spielt bisher mit,  nicht aber groß auf. Auch an den alten Männern Wagefeld und Ziebig vermag sich das Team im Moment nicht aufzurichten: Die zuletzt erfolgreichen Freistoß-Standards funktionieren mit dem neuen, schwerfälligen Stürmer Pierre Merkel nicht. Wagefeld fällt am meisten auf, wenn er mit dem Schiedsrichter diskutiert. Ziebig geht zwar außen immer mal wieder dieselben Wege wie im letzten Jahr. Es fehlt ihm allerdings ein Denis Mast - der Spielwitz des von St. Pauli geholten Andy Gogia verpufft bisher.

Dafür wackelt die Innenverteidigung, aus der Köhler den im vergangenen Jahr meist zuverlässigen Kristian Kojola herausrotiert hat, um mit Franke und Lachheb völlig neu aufzubauen. Franke verschuldete bisher zwei bis drei Gegentreffer, Lachheb zumindest einen. Köhler aber hält an den beiden Neuzugängen fest, ja, er scheint ohnehin überzeugt, dass höchstens zwölf oder 13 seiner Spieler die Qualität haben, die eine Drittligamannschaft braucht. Trotz Rückstands wechselte er gegen RB nur zweimal, gegen Erfurt ebenso, gegen Wiesbaden gar nur einmal. Erst in Kiel schöpfte er das Wechselkontingent aus - ein Umdenken?

Lichtblicke sind rar: Toni Lindenhahn, zuletzt auf dem besten Wege, als ewiges Talent in die HFC-Geschichte einzugehen, machte gegen den Tabellenführer Wehen-Wiesbaden das beste Spiel seiner letzten zwei Jahre. Der neue Torwart Dominik Kisiel ist ein bisher sicherer Horvat-Nachfolger. Und der in derselben Begegnung für den verletzten Gogia eingewechselte Tony Schmidt überraschte mit flotten Flankenläufen und holte so den Elfmeter heraus, der zum bis heute einzigen Punktspieltreffer der Hallenser durch Sören Bertram führte.

Jetzt ist Timo Furuholm wieder da, der Halle in der Rückrunde beinahe allein zum Klassenerhalt schoß. Doch auf den Finnen, der nach endlosem Poker mit Düsseldorf für zwei Jahre unterschrieben hat, projizieren sich nun alle Hoffnungen des HFC-Anhangs. Mit Recht? Acht von 20 Rückrunden-Toren des HFC schoß der 25-Jährige in seinen 16 Spielen im HFC-Dress - insgesamt aber war die Verbesserung in der Offensive durch ihn marginal: In der Hinrunde ohne Furuholm hatten die Hallenser mit 17 Toren kaum weniger Treffer erzielt.

Es braucht also schon irgendwie ein Wunder, um aus dem schlechtesten Saisonstart seit Menschengedenken (1994 nach vier Spieltagen: 6:11 Tore, 1 Punkt) den anvisierten frühen Klassenerhalt zu machen. Und dieses Wunder müsste wohl schon im nächsten Heimspiel gegen den Aufsteiger Elversberg beginnen, will Trainer Sven Köhler in seinem siebten Jahr in Halle auch noch ein sechstes, siebtes und achtes Spiel auf der Bank erleben.

Montag, 19. August 2013

Hysteriechannel warnt vor Schnellbahnfahrten

Al Kaida versucht weiter, die westlichen Verbündeten mit internen Terrortelefonaten in die Enge zu treiben. Nur zwölf Tage, nachdem es dem derzeit amtierenden Terrorfürsten Al Sawahiri gelang, alle westlichen Botschaften mit einem Anruf bei einem seiner Terrorassistenten lahmzulegen, hat der studierte Arzt die ausgeklügelte Taktik erneut angewandt. Wie der Hysteriechannel berichtet, habe es Al Kaida nach den Verbalanschlägen auf die Botschaften nun mehr nach dem Vorbild deutscher Terroristen "auf Züge abgesehen". Das habe "der US-Geheimdienst NSA beim Abhören von Telefongesprächen und beim Ausspähen von E-Mails erfahren".

Al Kaida zeigt hier wieder, wie routiniert und raffiniert die Terrororganisation das Spiel über Bande mit den US-Geheimdiensten beherrscht. Seit der Premiere vor zwei Jahren, als der damals noch als Innenminister amtierende Thomas de Maiziere mit einer Terrordrohung gegen deutsche Weihnachtsmärkte und der Ankündigung eines "Blutbades im Reichstag" Furore gemacht hatte, erspart sich Al Kaida wirkliche Anschläge oder Anschlagsversuche im Westen komplett. Stattdessen werden in Telefonanrufen, von denen die Organisation weiß, dass sie wie weltweit alle Gespräche von der NSA abgehört werden, angeblich "konkrete Anschlagsplanungen" samt geplanter Ziele ausgiebig erörtert. Diesmal sei eine "Anschlagsserie auf Züge in Europa zentrales Thema gewesen", heißt es bei n-tv.

Die Behörden haben umgehend reagiert. Wegen der möglicherweise drohenden Anschläge werden ICE-Trassen und Bahnhöfe der Bahn seit zwei Wochen mit einer Reihe von zusätzlichen "unsichtbaren Maßnahmen" gesichert. In Mainz wurde der Bahnverkehr wegen der Bedrohung zeitweise komplett eingestellt. Überall im Land sind sogenannte intensive Zivilstreifen der Bundespolizei entlang der 41896 Kilometer Bahnstrecke des deutschen Schienennetzes unterwegs. Jeder der 40000 Beamten bewacht dabei, zum Teil unsichtbar, einen Kilometer Strecke, so dass Al Kaida keine Chance zum Zuschlagen mehr hat.