Montag, 15. April 2013

Unmoral soll Straftat werden


Erst kam die große Offshore-Leaks-Bombe, eine Jahrhundert-Enthüllung über den Playboy Gunter Sachs vor allem. Dann kam nichts mehr hinterher, abgesehen von Blähungen im politischen Raum, in dem gebetsmühlenartig "härtere Gesetze" und "schärferes Vorgehen" gegen alle gefordert wurde, die sich erdreisten, Teile ihres Eigentums auf Auslandskonten oder über Firmen im Ausland vor dem möglichen Zugriff des Staates in Sicherheit zu bringen.

Auf die Zustimmung der deutschen Öffentlichkeit können Populisten immer hoffen, die auf gesellschaftliche Randgruppe wie Reiche, Spekulanten oder Manager als Schuldige für gesellschaftliche Fehlentwicklungen verweisen. Und wo es gilt, der Mehrheit auf Kosten einer Minderheit nach dem Munde zu reden, sind selbstverständlich auch die Gleitmedien nicht weit. Wer Vermögen ins Ausland schaffe, auch wenn er es bereits versteuert habe, sei ein Steuerflüchtling, wettert Sigmar Gabriel. Und Steuerflüchtlinge seien "Asoziale", die unbeschränkt beschimpft, diskriminiert, und verächtlich gemacht werden dürfen, für die keine Unschuldsvermutung mehr gilt. Noch härter, noch schärfer müsse vorgegangen werden, erschallt der Ruf etwa in der Süddeutschen Zeitung, in der ein Bastian Obermayer für einen entschlossenen Abschied vom Rechtsstaat plädiert.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Offshore-Leaks schon eine Woche nach ihrem Bekanntwerden nur noch den SPD-Parteitag beschäftigen, imaginiert Obermayer eine anhaltende gesamtgesellschaftliche Aufregung, die zeige: "Auch legale Steuer-Schlupflöcher sind mittlerweile nicht mehr gesellschaftlich akzeptiert - die Politik kann nun einen Weg finden, damit das Illegitime auch tatsächlich illegal wird". Dabei gehe es nicht nur um Steuerhinterziehung, die illegal ist und in den meisten Ländern ohnehin strafbewehrt sei. Es gehe auch um "das völlig legale Minimieren der Steuerlast über komplizierte Konstruktionen". Was bei Göbbels noch "internationales Finanzjudentum" hieß, kehrt als Internationale der Steuersünder wieder.

Legal, illegal, scheißegal. Die Süddeutsche Zeitung, über recht einfache "Konstruktionen" im Besitz der Südwestdeutschen Medienholding, die über recht "komplizierte Konstruktionen" zu einem Großteil im Besitz der Medien Union GmbH ist, die dem "mysteriösen Medienmogul" (Manager-Magazin) Dieter Schaub gehört, macht sich also stark für ein Recht, das Recht zu Unrecht erklärt, wenn es von einer gefühlten Masse an süddeutschen Leserbriefschreibern und Kommentatoren als "unmoralisch" empfunden wird.

Wie dergleichen funktioniert, lässt sich im arabischen Raum besichtigen. Im Unterschied zum abendländischen Rechtsverständnis macht die Scharia, das religiöse Gesetz des Islam, keinen Unterschied zwischen Unrecht und Unmoral. Handlungen sind hier entweder rechtsgültig (ṣaḥīḥ) oder verwerflich (makrūh), Verwerfliches wird bestraft, eine „Moralpolizei“ überwacht das Verbot von Alkohol, Glücksspiel, Nachtleben und anderer als unmoralisch empfundener Verhaltensweisen.

Eine Traumwelt für Bastian Obermayer, dem auch für Deutschland eine Rechtsordnung vorschwebt, in der Gesetze nach der jeweiligen Gefühlslage der Medienöffentlichkeit Verhaltensweisen zu strafbaren Handlungen erklären, die kein strafbares Handeln, sondern gefühlte unmoralische Absichten zum Inhalt haben. Heute ist das gerade das Auslandskonto im Kleinwalsertal, morgen könnte es der Bargeldstapel unter Kopfkissen sein, das Rauchen in der Öffentlichkeit, das Trinken ohne Papiertüte oder das Tragen von kurzen Hosen.

"Auch der legale Weg - und das ist eine Entwicklung aus jüngerer Zeit - ist in Deutschland mittlerweile nicht mehr gesellschaftlich akzeptiert", freut sich der Autor, der es falsch findet, wenn gesetzlich Legitimes als legal gilt. Die zuvörderst von der Süddeutschen Zeitung angefeuerte "Offshore-Leaks"-Empörung, auch wenn sie nur wenige spektakuläre Fälle aufgedeckt habe, gebe der Regierung nun Gelegenheit zum Handeln: "Aus dem offensichtlich Illegitimen muss das gesetzlich Illegale werden".

4 Kommentare:

  1. Das führende Fachorgan für kritische Sprachanalyse, taz, hat sich mit einem schweren Kaliber befasst, das Kanzlerkandidat Steinbrück auf die Reichen abgefeuert hat:
    „Steueroasen sind Gerechtigkeitswüsten“

    Die taz sinniert, ob er etwa meinte, dass es in einer Gerechtigkeitswüste zuwenig Gerechtigkeit gäbe, wobei ja doch in einer Sandwüste ein Überschuss an Sand vorliege und ob Steinbrück vielleicht semantisch daneben gelegen haben könnte.

    Nach Ansicht des Vereins sprachinteressierter anonymer Blogkommentatoren hat die taz hierbei aber die im Wortschatz etablierte Servicewüste vergessen, die eben einen Mangel an Service symbolisiert. Liegt hier etwa Sozialdemokratophobie seitens der taz vor, die Steinblöd aus jedem besinnungslosen Schwachsinn, der er absondert, einen Strick drehen möchte?

    h t t p://blogs.taz.de/wortistik/2013/04/14/gerechtigkeitswuste/

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  2. Aus einem Kommentar zum Thema

    http://sciencefiles.org/2013/04/13/warum-wir-steueroasen-unbedingt-brauchen/

    "Spätestens, wenn die gängigen Salonwalzer auf der Neidklaviatur gespielt werden, ist es Zeit, achtsam zu sein.
    Ich erinnere mich an die glorreiche Sowjetunion der Zwanziger und Dreißiger, als die Lichtgestalt Stalin den begeisterten Jungkommunisten die Schuldigen für ihre mißliche Lebenslage präsentierte: ‘reiche’ Kulaken, die es schleunigst zu enteignen galt. Wie es ausging, ist bekannt: Millionen Hungertote und Massenmord.
    Neben der simplen, selbst einfältigsten Bregen einsichtigen Tatsache, daß nur Steuerwettbewerb die Politkaste zwingt, sich bei der Ausbeutung des produktiven Bevölkerungsteils zu mäßigen, sei ins Feld geführt, daß es eine Illusion ist, ‘Steueroasen’ trocken legen zu können: wie wollen wir denn die Häuptlinge Singapurs, Honkongs, ja jeden beliebigen Staates außerhalb der EUSSR zwingen, unsere Vorstellung von ‘Steuergerechtigkeit’ zum Hosianna zu machen?
    Wollen wir Truppen losschicken gegen die Stinkefingerzeiger?
    Und warum passiert nichts bezüglich des größten Steuer’hinterziehers’ der EU, nämlich Luxemburg??
    Allein an diesen beiden Beispielen ist logisch und klar zu erkennen, was diese Nonsense- Debatte ist: reine Schaumschlägerei und Apell an die niedrigsten Instinkte der Masse, um der Linken den Machterhalt zu sichern."

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  3. Auf die semantische, semiotische und syntaktische Wahrnehmungsfähigkeit des Punzel-Bürge-Ins ist wohl kein Pfifferling mehr zu geben. Nachdem ihm seine Dressureliten und Diskurshoheiten sämtliche Konnotationen zynisch verbogen und verbeult haben, schluckt er die infamsten Verdrehungen, die perfidesten Paradoxa, die lächerlichsten Dummfug-Begriffe als erhabene, lehrreiche und sinnreiche Wortschöpfungen.
    Denn einem Vollpfosten, dem dummdreiste FauInnen-Quten und –Bevorzugungen als „Gleich-Berechtigung“, hundsgemeine Denunziation und Diffamierung als „Zivilcourage“, Flutung seines Landes mit Sozialmüll als „Bereicherung“ oder „Inludierung“, schleichende Enteignung als „€-Rettung“, Ruinierung der Energiewirtschaft als „Energiewende“, Durchschnittstemperaturstagnation seit 15 Jahren als „Klimakatastrophe“ vorgegeigt werden kann, der ist schon lange unter das „Dunkel war’s, der Mond schien helle“-Niveau abgesackt.

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  4. Nachdem die Steuerverwaltungen scho Erfahrungen mit rückwirkenden Steuererhöhungen (In Berlin worde einmal die Grundsteuer fünf Jahre rückwirkend erhöht) gesammelt hat, geht es ihr darum, das lästige Einspruchswesen im Zuge der Verwaltungsvereinfachung durch Aufwertung des Moralischen über das unvollkommene geschriebene Gesetz einzudämmen. Statt mit einem prinzipiellen Rückwirkunsverbot, so zerlöchert es auch sein mag, zu kämpfen, muß nur noch postuliert werden, daß das inkriminierte Verhalten schon immer moralisch verwerflich gewesen sei.
    Prima, nicht?

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