Es war eine große Rede, lang und breit, mit sonorer Stimme vorgetragen und auf den ersten Blick ohne besondere Höhepunkte. Doch eigentlich sprach Bundespräsident Joachim Gauck bei der Premiere der gefeierten Veranstaltungsreihe "Bellevue-Forum" vor 200 herangekarrten Gästen Klartext, wie eine Übersetzung des Rede-Wortlautes durch PPQ-Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech verrät. Klang Gauck in der Fernsehübertagung noch gelangweilt von der Aufgabe, sein Manuskript vor mehreren Schulklassen zu verlesen, entpuppt sich das, was der frühere Chef der Stasi-Behörde wirklich sagen wollte, als purer Sprengstoff bis hin zu Gaucks Idee, dem alten Kontinent einen funkelnagelneuen, von Vorurteilen und nationalen Eitelkeiten unbelasteten Namen zu geben, auf dass künftig alle in einer funkelnagelneuen, von Vorurteilen und nationalen Eitelkeiten freien englischen Sprache miteinander reden - der friesische Fischer mit dem Schneider aus Rom, der finnische Bauer mit dem Kellner aus Brügge, der Lokalpolitiker aus Salermo mit dem Schulmädchen aus Wien. Wir dokumentieren den Original-Wortlaut in der Übersetzung ins Deutsche:
So viel Europa war nie! Das sagt jemand, der mit großer Dankbarkeit in diesen trotz der bitteren Kälte draußen wohlgeheizten Saal blickt, der Gäste aus Deutschland und ganz Europa begrüßen darf! und die Party nicht einmnal selbst bezahlen muss!
Zuviel Europa war nie: Das empfinden viele Menschen derzeit auf ganz andere Weise, zum Beispiel beim morgendlichen Blick in deutsche Zeitungen, von denen es ja noch einige git, wenn es ihnen auch nicht sonderlich gut geht. Da begegnet uns Europa verkürzt auf vier Buchstaben - als Euro, als Krisenfall. Immer wieder ist von Gipfeldiplomatie und Rettungspaketen die Rede, wobei, zuletzt hat man weniger davon gehört, es ging auch kaum noch um schwierige Verhandlungen, sondern immer öfter um Teilerfolge. Leider öffentlich geworden ist aber auch ein Unbehagen, auch um einen deutlichen Unmut, den wir lange zu ignorieren versucht haben. In einigen Mitgliedstaaten fürchten die Menschen, dass sie zu Zahlmeistern der Krise werden, damit ist natürlich zuerst Deutschland gemeint. In anderen Ländern wächst die Angst vor immer schärferen Sparmaßnahmen und sozialem Abstieg. Geben und Nehmen, Verschulden und Haften, Verantwortung und Teilhabe scheinen vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr richtig und gerecht sortiert in der Gemeinschaft der Europäer, in der 27 Länder so nebeneinanderherleben, ohne sich in guten Zeiten weiter umeinander zu kümmern.
Hinzu kommt eine Liste von Kritikpunkten, die leider schon seit langer Zeit zu lesen und zu hören gewesen sind, obwohl die Spitzen der Politik das immer abgestritten haben: der Verdruss über Brüsseler Technokraten und ihre Regelungswut, die Klage über mangelnde Transparenz der Entscheidungen, das Misstrauen gegen ein unübersichtliches Netz von Institutionen, höhere Zigarettenpreise am Flughafen (Foto oben - d.R.) und nicht zuletzt der Unwille über die wachsende Bedeutung des Europäischen Rats und die dominierende Rolle des deutsch-französischen Tandems.
So anziehend Europa auch dargestellt worden ist - zu viele Bürger lässt die Europäische Union in einem Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit zurück. Viele Menschen in Wismar, Bari oder auf Kreta interessiert einfach nicht, wie es in Lissabon, Krakau und auf Malta läuft. Ja, es gibt Klärungsbedarf in Europa, das sage ich ganz offen, weil am Anfang einer großen Rede immer etwas Unerhörtes, Verblüffendes stehen muss.
Angesichts der Zeichen von Ungeduld, Erschöpfung und Frustration unter den Bürgern, angesichts von Umfragen, die mir eine Bevölkerung zeigen, die unsicher ist, ob unser Weg zu „mehr“ Europa richtig ist, scheint es mir, als stünden wir vor einer neuen Schwelle - unsicher, ob wir wirklich entschlossen weitergehen sollen. Diese Krise hat mehr als nur eine ökonomische Dimension. Sie ist auch eine Krise des Vertrauens in das politische Projekt Europa, die wir nicht zulassen können.
Aber ich habe entschieden. Meinen euphorischen Satz kurz nach der Amtseinführung „Wir wollen mehr Europa wagen“, würde ich heute so schnell und gewiss wie damals nicht mehr formulieren. Ich würde ihn langsamer sagen, entschiedener, überzeugter.
Dieses Mehr an Europa braucht eine Deutung, braucht Differenzierung. Wo kann und soll mehr Europa zu gelingendem Miteinander beitragen? Wie soll Europa aussehen: Was wollen wir entwickeln und stärken, was wollen wir begrenzen? Und: Wie finden wir für mehr Europa auch mehr Vertrauen, als wir es derzeit haben?
Ich weiß es nicht. Anfangs hat die Politik angenommen, wenn die Wirtschaft verschmilzt, verschmilzt irgendwann auch die Politik. Dann hat die Politik festgestellt, dass damit zahlreiche Stellen für Politiker wegfallen würden. Macht würde verlorengehen. Selbst an bedeutenden Wegmarken fehlte es in der Vergangenheit deshalb oft an politischer Ausgestaltung. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Lagers wurden zehn Staaten in die EU aufgenommen, obwohl das nötige Fundament für eine so große EU noch fehlte. Mit diesen Staaten gab es kaum Probleme, viel mehr dagegen mit den vermeintlich westlichen Demokratien im Süden, deren zweiter Vorname Misswirtschaft ist.
Und so blieben bei dieser größten Erweiterung der EU die Fragen nach einer Vertiefung teilweise unbeantwortet. Als folgenschwer erwies sich auch die Einführung der gemeinsamen Währung, die wir Politiker aus eisernen Gürtel um die Mitgliedstaaten verstanden haben. Die Währung, so predigten wir, würde Gemeinsamkeit erzwingen! Siebzehn Staaten führten im Laufe der Jahre den Euro ein, doch der Euro selbst bekam keine durchgreifende finanzpolitische Steuerung, weil sich Politiker auch nicht einigen konnten, auf eigene Einflußmöglichkeiten im Sinne ihrer Wähler in ihrem Land zu verzichten. Dieser Konstruktionsfehler hat die Europäische Union in eine Schieflage gebracht, die erst durch Rettungsmaßnahmen wie den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und den Fiskalpakt notdürftig korrigiert wurde. jetzt haben wir eine Union, in der der einzelne Bürger aus der Verantwortung entlassen ist. Er ist mündiger Konsument, für ihn wird gesorgt.
Für mich ist deshalb klar: Selbst wenn alle Rettungsmaßnahmen scheitern sollten, auch wenn uns Europa unter den Händen auseinanderfliegt, der Euro zerbricht und die Rekordarbeitslosigkeit sich noch einmal verdoppelt, steht das europäische Gesamtprojekt nicht in Frage. Es wäre zu blamabel für die politische Klasse, zuzugeben, dass sie einen ganzen Kontinent in ein unausgegorenes Gesellschaftsexperiment geführt hat - und dabei gescheitert ist.
Die Vorteile des vereinigten Europa sind dabei marginal. Wie früher reisen wir von der Memel bis zum Atlantik und von Finnland bis nach Sizilien, einziger Unterschied ist, dass wir keinen Reisepass mehr zeigen müssen. Wir zahlen in großen Teilen Europas mit einer gemeinsamen Währung, wo wir uns ebenso gut wie beim Türkeibesuch Fremdwährung am Geldautomaten holen könnten. Wir kaufen Schuhe aus Spanien und lassen sie uns über das Internet schicken, wie wir uns Schuhe aus China schicken lassen können. Wenn wir ein Auto in Tschechien kaufen, kostet das keinen Zollaufschlag, danach kommt aber der Tüv und will den Wagen für viel Geld noch einmal nach deutschen Vorschriften umgebaut haben.
Wir lassen uns in Deutschland von polnischen Ärzten behandeln und sind dankbar dafür, weil manche Praxen sonst schließen müssten. nun schließen sie in Polen - ist das nicht schön? Dort arbeiten ja dann Ukrainer! Unsere Unternehmer wie etwa der US-Konzern Amazon - beschäftigen neuerdings auch zunehmend Arbeitskräfte aus allen Mitgliedstaaten der Union, die in ihren eigenen Ländern gar keine Arbeit oder nur Jobs zu sehr viel schlechteren Bedingungen finden würden. Und unsere Senioren verbringen ihren Ruhestand an Spaniens Küsten, in Eigentumswohnungen, die nur halb soviel wert sind wie die Käufer bezahlt haben. Manche leben auch an der polnischen Ostsee. Mehr Europa ist auf erfreuliche Weise Alltag geworden.
Deswegen sind die Ergebnisse von Meinungsumfragen, die wir immer mal wieder bestellen, nur auf den ersten Blick widersprüchlich. Zwar ist die Skepsis gegenüber der EU in den letzten Jahren stark angestiegen, aber eine Mehrheit ist weiterhin überzeugt: Unsere komplexe und zunehmend globale Realität braucht Regelungen im nationenübergreifenden Rahmen. Wir alle in Europa haben große politische und wirtschaftliche Vorteile von der Gemeinschaft. Das sieht man, wenn man sich das schlimme Schicksal der Schweizer anschaut, das Elend der Norweger, das langsam in der Bedeutungslosigkeit versinkende Dänemark, das ohne den Euro zurechtkommen muss.
Was uns als Europäer allerdings auszeichnet, was europäische Identität bedeutet, bleibt schwer zu umreißen. Junge Gäste in Bellevue haben mir vor kurzem bestätigt, was wohl vielen hier im Saal vertraut sein dürfte: „Wenn wir in der großen, weiten Welt sind, empfinden wir uns als Europäer. Wenn wir in Europa sind, empfinden wir uns als Deutsche. Und wenn wir in Deutschland sind, empfinden wir uns als Sachse oder Hamburger.“ Wir sehen, wie vielschichtig Identität ist. Europäische Identität löscht weder regionale noch nationale Identität, sondern existiert neben diesen.
Geographisch ist der Kontinent schwer zu fassen - reicht er beispielsweise bis zum Bug oder bis zum Ural? Bis zum Bosporus oder bis nach Anatolien? Um die halbe Welt oder die ganze? Auch die identitätsstiftenden Bezüge unterlagen in seiner langen Geschichte mehrfach einem Wechsel. Polen war mal Deutschland, Rußland mal Polen. Heute wissen wir, dass sie sich auf ein ganzes Ensemble beziehen - angefangen von der griechischen Antike über die römische Reichsidee und das römische Recht bis hin zu den prägenden christlich-jüdischen Glaubenstraditionen.
Doch wie sieht es heute aus? Was bildet heute das einigende Band zwischen den Bürgern Europas? Woraus schöpft Europa seine unverwechselbare Bedeutung, seine politische Legitimation und seine Akzeptanz?
Als die Europäische Union im November den Friedensnobelpreis erhielt, haben wir alle mächtig gelacht. Im Kalten Krieg zerfiel der Kontinent in zwei politische Lager. Doch mochten Ost- und Mitteleuropa auch über vierzig Jahre abgeschnitten sein, Krieg haben sie nie miteinander geführt. Das kam erst später, als das freie, demokratische, wohlhabende Europa sich gründete. Es war zugleich eine qualitative Erweiterung für Europa. So, wie Europa nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem ein Friedensprojekt gewesen war, so war es 1989 ein Freiheitsprojekt. Ich sage nur Balkan, Bundeswehr-Auslandseinsätze, Geheimgefängnisse, Folter, Tod.
Die junge Generation, die in den achtziger Jahren und später geboren wurde, sieht Europa wieder mit ganz anderen Augen. Ihre Großeltern und Urgroßeltern, die Berlin, Warschau und Rotterdam in Schutt und Asche legten, haben es geschafft, Europa neu aufzubauen, im Westen konnten sie sogar Wohlstand an Kinder und Enkel weitergeben, obwohl der Staat sich ein immer größeres Stück davon abbiß.
Trotzdem stimmt natürlich, was oft moniert wird: In Europa fehlt eine große identitätsstiftende Erzählung. Wir haben keine gemeinsame europäische Erzählung, die über 500 Millionen Menschen in der Europäischen Union auf eine gemeinsame Geschichte vereint, die ihre Herzen erreicht und ihre Hände zum Gestalten animiert. Wir haben ja nicht einmal eine gemeinsame Geschichte - der Fischer aus Wismar und der Bauer aus Zypern, der Ingenieur aus Stockholm und der Neonazi aus der sächsischen Schweiz, der slowakische Kleingewerbetreibende und der Chef des deutschen VW-Konzerns. Wir Europäer haben keinen Gründungsmythos nach Art einer Entscheidungsschlacht, in der Europa einem Feind gegenübertreten, siegen oder verlieren, aber jedenfalls seine Identität bewahren konnte. Wir haben auch keinen Gründungsmythos im Sinne einer erfolgreichen Revolution, in der die Bürger des Kontinents gemeinsam einen Akt der sozialen Emanzipation vollbracht hätten. das alles hat die Politik gemacht, ohne zu fragen, ohne abstimmen zu lassen. Nun haben wir ein von oben ernanntes europäisches Staatsvolk in einer am Reißbrett erfundenen europäischen Nation, zu der sich kein Mensch außer hauptamtlichen Politikarbeitern bekennt.
Unsere europäische Wertegemeinschaft will ein Raum von Freiheit und Toleranz sein, doch sie bestraft jeden Fanatiker und jeden Ideologen, wenn er Menschen auch nur verbal gegeneinander hetzt, Gewalt theoretisch predigt und mit unseren politischen Vorgaben nicht einverstanden ist. Wir geben vor, ein Raum zu sein, in dem die Völker friedlich miteinander leben und nicht mehr gegeneinander zu Felde ziehen, doch das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd sorgt für mehr Hass und gegenseitige Abneigung als es viele Jahre lang gab. Ein Krieg wie auf dem Balkan, wo bis heute europäische Soldaten und zivile Kräfte den Frieden sichern müssen, ist immer noch blutige Realität: Hier wie im ganzen Europa ist der Nachbar in die eigene Wohnung eingezogen, ohne dass man sich vorher über die Hausordnung klargeworden ist.
Unsere europäischen Werte sind verbindlich und sie verbinden, allerdings versteht eben jeder etwas anderes unter Toleranz, Freiheit, Wohlstand, Fleiß und Gerechtigkeit. Manche europäischen Staaten verletzten Regeln und wissen: Theoretisch können sie vor europäischen Gerichten verklagt werden, aber praktisch passiert das nie. Der europäische Wertekanon ist nicht an Ländergrenzen gebunden und er hat über alle nationalen, ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede hinweg Gültigkeit, ohne dass sich jemand daran halten muss. Am Beispiel der in Europa lebenden Muslime wird dies deutlich. Sie sind ein selbstverständlicher Teil unseres europäischen Miteinanders geworden mit ihren Kopftüchern, Moscheebauten, salafistischen Straßenständen. Europäische Identität wächst mit dem Miteinander und der Überzeugung der Menschen, die sagen: Wir wollen Teil dieser Gemeinschaft sein, weil wir gemeinsame Werte teilen. Mehr Europa heißt: mehr gelebte und geeinte Vielfalt.
Unseren Wertekanon stellen glücklicherweise nur sehr wenige Europäer in Frage und die bekommen wir auch noch in den Griff. Der institutionelle Rahmen dagegen, den sich Europa bis jetzt gab, wird gerade intensiv diskutiert, habe ich gelesen. Für einige ist die europäische, föderale Union die einzige Chance für den Kontinent, andere zielen auf Korrekturen bei den bestehenden Institutionen. Manche halten es für ausreichend, den Status quo zu wahren, wenn dessen Möglichkeiten denn mit mehr politischem Willen tatsächlich ausgenutzt würden. Und, das sage ich auch ganz offen, Euroskeptiker würden die europäische Ebene am liebsten reduzieren.
Die Krise ist ein Glück, denn sie hat uns geholfen, die im Hades-Plan vorgesehenen notwendigen Anpassungen im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich unter erheblichem Druck vorzunehmen. Wir alle wissen aber, dass Europa vor weiteren Herausforderungen steht. Einst waren europäische Staaten Großmächte und Global Players. In der globalisierten Welt von heute mit den großen neuen Schwellenländern kann sich im besten Fall ein vereintes Europa als Global Player behaupten und an der Seite anderer großer Wirtschaftsräume bestehen. Wir sehen doch gerade, wie das kleine Japan untergeht, wie Südkorea kaum noch wahrgenommen wird, wie Australien ausblutet, Kanada zu verschwinden droht.
Wir aber wollen politisch mitentscheiden, weltweit für unsere nicht weiter definierten Werte Freiheit, Menschenwürde und Solidarität eintreten, wettbewerbsfähig bleiben und so unsere materielle Sicherheit und damit innergesellschaftlichen Frieden sichern.
Bis jetzt ist Europa für diese Rolle zu wenig vorbereitet. Zu viele Meckerer sind unterwegs, zu viele Kopfschüttler, Kritiker und Leute, die glauben, jeder könne hier machen, was er wolle. Wir brauchen eine weitere innere Vereinheitlichung. Gerade Reihen, ruhiger Marschtritt, alle in dieselbe Richtung, einheitlich uniformiert. Denn ohne gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik kann eine gemeinsame Währung nur schwer überleben. Wir brauchen auch eine weitere Vereinheitlichung unserer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, um gegen neue Bedrohungen gewappnet zu sein, denen uneinheitliche Nationen wie die Schweiz, wie Norwegen oder das darbende Neuseeland ausgesetzt sind. Wir müssen einheitlich und effektiver auftreten, dazu brauchen wir gemeinsame Konzepte auf ökologischer, gesellschaftspolitischer - Stichwort Migration - und nicht zuletzt demographischer Ebene, einheitliche Frisuren, vorgeschriebene Hosenlängen, Binderbreiten und ein einheitliches Fernsehprogramm.
Dies geduldig und umsichtig zu vermitteln ist Aufgabe aller, die sich dem Projekt Europa verbunden fühlen. Unsicherheit und Angst dürfen niemanden in die Hände von Populisten und Nationalisten treiben, unsere freien Medien müssen dagegenhalten - mit Bildungsprogrammen, Erziehungsangeboten. Die Leitfrage bei allen Sendungen sollte daher sein: Wie kann ein demokratisches Europa so dargestellt werden, dass es dem Bürger Ängste nimmt, ihm Gestaltungsmöglichkeiten vorgauckelt, kurz: ihn einlullt?
Anders als im 19. oder anfangs des 20. Jahrhunderts können wir eine europäische Vereinigung leider nicht von oben dekretieren. Ohne die Zustimmung der Bürger kann eine europäische Nation gegründet werden, das haben wir bewiesen. Doch Takt und Tiefe der europäischen Integration werden letztlich von den Bürgerinnen und Bürgern bestimmt. Deshalb plädiere ich für ein arte für alle, einen Sender, der durch eine europäische GEZ finanziert wird und Europa-Bildung in jeden Haushalt bringt. Voraussetzung ist natürlich eine gemeinsame EU-Sprache, damit alle vestehen können, was ihnen beigebracht werden soll. Ich plädiere für Englisch-Sprachkurse für alle und für eine europäische Agora – ein Forum für den transnationalen Gedankenaustausch unter Aufsicht der Medienanstalten. Agora ist der griechische Marktplatz - und die Entwicklung in Griechenland zeigt, was sich mit dessen Hilfe alles erreichen lässt.
Es macht mir Sorge, wenn die deutschen Pläne zur Germanisierung Europas augenblicklich bei einigen Ländern Skepsis und Misstrauen auslösen. Die Tatsache, dass Deutschland nach der Wiedervereinigung zur größten Wirtschaftsmacht in der Mitte des Kontinents aufstieg, hat vielen Angst gemacht. Dabei war das doch klar. Ich war erschrocken, als der Hades-Plan durchsicherte und bekannt wurde, dass das heutige Deutschland in einer Traditionslinie deutscher Großmachtpolitik steht. Nicht allein populistische Parteien stellten gar die deutsche Kanzlerin als Repräsentantin des Staates dar, der heute wie damals ein deutsches Europa erzwingen und andere Völker unterdrücken will.
Doch ich versichere allen Bürgerinnen und Bürgern in den Nachbarländern: Ich sehe unter den politischen Gestaltern in Deutschland niemanden, der ein deutsches Diktat anstreben würde. Es kann sein, dass dort dennoch der eine oder andere ist, der Kenntnis vom Hades-Plan hat und sich der Umsetzung verpflichtet fühlt. Aber in Deutschland findet keine populistisch-nationalistische Partei in der Bevölkerung die Zustimmung, dies öffentlich zum Staatsziel zu erklären. Aus tiefer innerer Überzeugung kann ich sagen: Mehr Europa heißt in Deutschland nicht: deutsches Europa. Mehr Europa heißt für uns: europäisches Deutschland! Auflösung der Vaterländer! Englisch für alle!
Diese Union wird getragen von der Idee, dass Regeln eingehalten und Rechtsbrüche geahndet werden, auch wenn das in der Praxis anders aussieht. Diese Union ist ein Geben und Nehmen, der Norden gibt, der Sünden nimmt. Sie folgt dem Prinzip der Gegenseitigkeit, der Gleichberechtigung und der Gleichverpflichtung - Luxemburg nimmt 3 Prozent Umsatzsteuer auf Ebooks und lebt sehr gut davon, dass Firmen sich dort ansiedeln, um von dort aus deutsche Leser zu bedienen, die hierzulande 7 Prozent zahlen müssten. Die Politik lebt dann gut davon, das anzuprangern.
Das ist die Idee von Mehropa, das wäre denn auch mein Vorschlag zur Neugründung des Kontinents: Lasst uns neu anfangen, lasst uns das alte Europa umbenennen in Mehropa, lasst uns mehr sein, mehr einheitlich, mehr Ropa. Mehropa fordert uns: mehr Mut bei allen! Europa braucht jetzt nicht Bedenkenträger, sondern Bannerträger, nicht Zauderer, sondern Zupacker, nicht Getriebene, sondern Gestalter.
So viel Europa war nie! Das sagt jemand, der mit großer Dankbarkeit in diesen trotz der bitteren Kälte draußen wohlgeheizten Saal blickt, der Gäste aus Deutschland und ganz Europa begrüßen darf! und die Party nicht einmnal selbst bezahlen muss!
Zuviel Europa war nie: Das empfinden viele Menschen derzeit auf ganz andere Weise, zum Beispiel beim morgendlichen Blick in deutsche Zeitungen, von denen es ja noch einige git, wenn es ihnen auch nicht sonderlich gut geht. Da begegnet uns Europa verkürzt auf vier Buchstaben - als Euro, als Krisenfall. Immer wieder ist von Gipfeldiplomatie und Rettungspaketen die Rede, wobei, zuletzt hat man weniger davon gehört, es ging auch kaum noch um schwierige Verhandlungen, sondern immer öfter um Teilerfolge. Leider öffentlich geworden ist aber auch ein Unbehagen, auch um einen deutlichen Unmut, den wir lange zu ignorieren versucht haben. In einigen Mitgliedstaaten fürchten die Menschen, dass sie zu Zahlmeistern der Krise werden, damit ist natürlich zuerst Deutschland gemeint. In anderen Ländern wächst die Angst vor immer schärferen Sparmaßnahmen und sozialem Abstieg. Geben und Nehmen, Verschulden und Haften, Verantwortung und Teilhabe scheinen vielen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr richtig und gerecht sortiert in der Gemeinschaft der Europäer, in der 27 Länder so nebeneinanderherleben, ohne sich in guten Zeiten weiter umeinander zu kümmern.
Hinzu kommt eine Liste von Kritikpunkten, die leider schon seit langer Zeit zu lesen und zu hören gewesen sind, obwohl die Spitzen der Politik das immer abgestritten haben: der Verdruss über Brüsseler Technokraten und ihre Regelungswut, die Klage über mangelnde Transparenz der Entscheidungen, das Misstrauen gegen ein unübersichtliches Netz von Institutionen, höhere Zigarettenpreise am Flughafen (Foto oben - d.R.) und nicht zuletzt der Unwille über die wachsende Bedeutung des Europäischen Rats und die dominierende Rolle des deutsch-französischen Tandems.
So anziehend Europa auch dargestellt worden ist - zu viele Bürger lässt die Europäische Union in einem Gefühl der Macht- und Einflusslosigkeit zurück. Viele Menschen in Wismar, Bari oder auf Kreta interessiert einfach nicht, wie es in Lissabon, Krakau und auf Malta läuft. Ja, es gibt Klärungsbedarf in Europa, das sage ich ganz offen, weil am Anfang einer großen Rede immer etwas Unerhörtes, Verblüffendes stehen muss.
Angesichts der Zeichen von Ungeduld, Erschöpfung und Frustration unter den Bürgern, angesichts von Umfragen, die mir eine Bevölkerung zeigen, die unsicher ist, ob unser Weg zu „mehr“ Europa richtig ist, scheint es mir, als stünden wir vor einer neuen Schwelle - unsicher, ob wir wirklich entschlossen weitergehen sollen. Diese Krise hat mehr als nur eine ökonomische Dimension. Sie ist auch eine Krise des Vertrauens in das politische Projekt Europa, die wir nicht zulassen können.
Aber ich habe entschieden. Meinen euphorischen Satz kurz nach der Amtseinführung „Wir wollen mehr Europa wagen“, würde ich heute so schnell und gewiss wie damals nicht mehr formulieren. Ich würde ihn langsamer sagen, entschiedener, überzeugter.
Dieses Mehr an Europa braucht eine Deutung, braucht Differenzierung. Wo kann und soll mehr Europa zu gelingendem Miteinander beitragen? Wie soll Europa aussehen: Was wollen wir entwickeln und stärken, was wollen wir begrenzen? Und: Wie finden wir für mehr Europa auch mehr Vertrauen, als wir es derzeit haben?
Ich weiß es nicht. Anfangs hat die Politik angenommen, wenn die Wirtschaft verschmilzt, verschmilzt irgendwann auch die Politik. Dann hat die Politik festgestellt, dass damit zahlreiche Stellen für Politiker wegfallen würden. Macht würde verlorengehen. Selbst an bedeutenden Wegmarken fehlte es in der Vergangenheit deshalb oft an politischer Ausgestaltung. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Lagers wurden zehn Staaten in die EU aufgenommen, obwohl das nötige Fundament für eine so große EU noch fehlte. Mit diesen Staaten gab es kaum Probleme, viel mehr dagegen mit den vermeintlich westlichen Demokratien im Süden, deren zweiter Vorname Misswirtschaft ist.
Und so blieben bei dieser größten Erweiterung der EU die Fragen nach einer Vertiefung teilweise unbeantwortet. Als folgenschwer erwies sich auch die Einführung der gemeinsamen Währung, die wir Politiker aus eisernen Gürtel um die Mitgliedstaaten verstanden haben. Die Währung, so predigten wir, würde Gemeinsamkeit erzwingen! Siebzehn Staaten führten im Laufe der Jahre den Euro ein, doch der Euro selbst bekam keine durchgreifende finanzpolitische Steuerung, weil sich Politiker auch nicht einigen konnten, auf eigene Einflußmöglichkeiten im Sinne ihrer Wähler in ihrem Land zu verzichten. Dieser Konstruktionsfehler hat die Europäische Union in eine Schieflage gebracht, die erst durch Rettungsmaßnahmen wie den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM und den Fiskalpakt notdürftig korrigiert wurde. jetzt haben wir eine Union, in der der einzelne Bürger aus der Verantwortung entlassen ist. Er ist mündiger Konsument, für ihn wird gesorgt.
Für mich ist deshalb klar: Selbst wenn alle Rettungsmaßnahmen scheitern sollten, auch wenn uns Europa unter den Händen auseinanderfliegt, der Euro zerbricht und die Rekordarbeitslosigkeit sich noch einmal verdoppelt, steht das europäische Gesamtprojekt nicht in Frage. Es wäre zu blamabel für die politische Klasse, zuzugeben, dass sie einen ganzen Kontinent in ein unausgegorenes Gesellschaftsexperiment geführt hat - und dabei gescheitert ist.
Die Vorteile des vereinigten Europa sind dabei marginal. Wie früher reisen wir von der Memel bis zum Atlantik und von Finnland bis nach Sizilien, einziger Unterschied ist, dass wir keinen Reisepass mehr zeigen müssen. Wir zahlen in großen Teilen Europas mit einer gemeinsamen Währung, wo wir uns ebenso gut wie beim Türkeibesuch Fremdwährung am Geldautomaten holen könnten. Wir kaufen Schuhe aus Spanien und lassen sie uns über das Internet schicken, wie wir uns Schuhe aus China schicken lassen können. Wenn wir ein Auto in Tschechien kaufen, kostet das keinen Zollaufschlag, danach kommt aber der Tüv und will den Wagen für viel Geld noch einmal nach deutschen Vorschriften umgebaut haben.
Wir lassen uns in Deutschland von polnischen Ärzten behandeln und sind dankbar dafür, weil manche Praxen sonst schließen müssten. nun schließen sie in Polen - ist das nicht schön? Dort arbeiten ja dann Ukrainer! Unsere Unternehmer wie etwa der US-Konzern Amazon - beschäftigen neuerdings auch zunehmend Arbeitskräfte aus allen Mitgliedstaaten der Union, die in ihren eigenen Ländern gar keine Arbeit oder nur Jobs zu sehr viel schlechteren Bedingungen finden würden. Und unsere Senioren verbringen ihren Ruhestand an Spaniens Küsten, in Eigentumswohnungen, die nur halb soviel wert sind wie die Käufer bezahlt haben. Manche leben auch an der polnischen Ostsee. Mehr Europa ist auf erfreuliche Weise Alltag geworden.
Deswegen sind die Ergebnisse von Meinungsumfragen, die wir immer mal wieder bestellen, nur auf den ersten Blick widersprüchlich. Zwar ist die Skepsis gegenüber der EU in den letzten Jahren stark angestiegen, aber eine Mehrheit ist weiterhin überzeugt: Unsere komplexe und zunehmend globale Realität braucht Regelungen im nationenübergreifenden Rahmen. Wir alle in Europa haben große politische und wirtschaftliche Vorteile von der Gemeinschaft. Das sieht man, wenn man sich das schlimme Schicksal der Schweizer anschaut, das Elend der Norweger, das langsam in der Bedeutungslosigkeit versinkende Dänemark, das ohne den Euro zurechtkommen muss.
Was uns als Europäer allerdings auszeichnet, was europäische Identität bedeutet, bleibt schwer zu umreißen. Junge Gäste in Bellevue haben mir vor kurzem bestätigt, was wohl vielen hier im Saal vertraut sein dürfte: „Wenn wir in der großen, weiten Welt sind, empfinden wir uns als Europäer. Wenn wir in Europa sind, empfinden wir uns als Deutsche. Und wenn wir in Deutschland sind, empfinden wir uns als Sachse oder Hamburger.“ Wir sehen, wie vielschichtig Identität ist. Europäische Identität löscht weder regionale noch nationale Identität, sondern existiert neben diesen.
Geographisch ist der Kontinent schwer zu fassen - reicht er beispielsweise bis zum Bug oder bis zum Ural? Bis zum Bosporus oder bis nach Anatolien? Um die halbe Welt oder die ganze? Auch die identitätsstiftenden Bezüge unterlagen in seiner langen Geschichte mehrfach einem Wechsel. Polen war mal Deutschland, Rußland mal Polen. Heute wissen wir, dass sie sich auf ein ganzes Ensemble beziehen - angefangen von der griechischen Antike über die römische Reichsidee und das römische Recht bis hin zu den prägenden christlich-jüdischen Glaubenstraditionen.
Doch wie sieht es heute aus? Was bildet heute das einigende Band zwischen den Bürgern Europas? Woraus schöpft Europa seine unverwechselbare Bedeutung, seine politische Legitimation und seine Akzeptanz?
Als die Europäische Union im November den Friedensnobelpreis erhielt, haben wir alle mächtig gelacht. Im Kalten Krieg zerfiel der Kontinent in zwei politische Lager. Doch mochten Ost- und Mitteleuropa auch über vierzig Jahre abgeschnitten sein, Krieg haben sie nie miteinander geführt. Das kam erst später, als das freie, demokratische, wohlhabende Europa sich gründete. Es war zugleich eine qualitative Erweiterung für Europa. So, wie Europa nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem ein Friedensprojekt gewesen war, so war es 1989 ein Freiheitsprojekt. Ich sage nur Balkan, Bundeswehr-Auslandseinsätze, Geheimgefängnisse, Folter, Tod.
Die junge Generation, die in den achtziger Jahren und später geboren wurde, sieht Europa wieder mit ganz anderen Augen. Ihre Großeltern und Urgroßeltern, die Berlin, Warschau und Rotterdam in Schutt und Asche legten, haben es geschafft, Europa neu aufzubauen, im Westen konnten sie sogar Wohlstand an Kinder und Enkel weitergeben, obwohl der Staat sich ein immer größeres Stück davon abbiß.
Trotzdem stimmt natürlich, was oft moniert wird: In Europa fehlt eine große identitätsstiftende Erzählung. Wir haben keine gemeinsame europäische Erzählung, die über 500 Millionen Menschen in der Europäischen Union auf eine gemeinsame Geschichte vereint, die ihre Herzen erreicht und ihre Hände zum Gestalten animiert. Wir haben ja nicht einmal eine gemeinsame Geschichte - der Fischer aus Wismar und der Bauer aus Zypern, der Ingenieur aus Stockholm und der Neonazi aus der sächsischen Schweiz, der slowakische Kleingewerbetreibende und der Chef des deutschen VW-Konzerns. Wir Europäer haben keinen Gründungsmythos nach Art einer Entscheidungsschlacht, in der Europa einem Feind gegenübertreten, siegen oder verlieren, aber jedenfalls seine Identität bewahren konnte. Wir haben auch keinen Gründungsmythos im Sinne einer erfolgreichen Revolution, in der die Bürger des Kontinents gemeinsam einen Akt der sozialen Emanzipation vollbracht hätten. das alles hat die Politik gemacht, ohne zu fragen, ohne abstimmen zu lassen. Nun haben wir ein von oben ernanntes europäisches Staatsvolk in einer am Reißbrett erfundenen europäischen Nation, zu der sich kein Mensch außer hauptamtlichen Politikarbeitern bekennt.
Unsere europäische Wertegemeinschaft will ein Raum von Freiheit und Toleranz sein, doch sie bestraft jeden Fanatiker und jeden Ideologen, wenn er Menschen auch nur verbal gegeneinander hetzt, Gewalt theoretisch predigt und mit unseren politischen Vorgaben nicht einverstanden ist. Wir geben vor, ein Raum zu sein, in dem die Völker friedlich miteinander leben und nicht mehr gegeneinander zu Felde ziehen, doch das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd sorgt für mehr Hass und gegenseitige Abneigung als es viele Jahre lang gab. Ein Krieg wie auf dem Balkan, wo bis heute europäische Soldaten und zivile Kräfte den Frieden sichern müssen, ist immer noch blutige Realität: Hier wie im ganzen Europa ist der Nachbar in die eigene Wohnung eingezogen, ohne dass man sich vorher über die Hausordnung klargeworden ist.
Unsere europäischen Werte sind verbindlich und sie verbinden, allerdings versteht eben jeder etwas anderes unter Toleranz, Freiheit, Wohlstand, Fleiß und Gerechtigkeit. Manche europäischen Staaten verletzten Regeln und wissen: Theoretisch können sie vor europäischen Gerichten verklagt werden, aber praktisch passiert das nie. Der europäische Wertekanon ist nicht an Ländergrenzen gebunden und er hat über alle nationalen, ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede hinweg Gültigkeit, ohne dass sich jemand daran halten muss. Am Beispiel der in Europa lebenden Muslime wird dies deutlich. Sie sind ein selbstverständlicher Teil unseres europäischen Miteinanders geworden mit ihren Kopftüchern, Moscheebauten, salafistischen Straßenständen. Europäische Identität wächst mit dem Miteinander und der Überzeugung der Menschen, die sagen: Wir wollen Teil dieser Gemeinschaft sein, weil wir gemeinsame Werte teilen. Mehr Europa heißt: mehr gelebte und geeinte Vielfalt.
Unseren Wertekanon stellen glücklicherweise nur sehr wenige Europäer in Frage und die bekommen wir auch noch in den Griff. Der institutionelle Rahmen dagegen, den sich Europa bis jetzt gab, wird gerade intensiv diskutiert, habe ich gelesen. Für einige ist die europäische, föderale Union die einzige Chance für den Kontinent, andere zielen auf Korrekturen bei den bestehenden Institutionen. Manche halten es für ausreichend, den Status quo zu wahren, wenn dessen Möglichkeiten denn mit mehr politischem Willen tatsächlich ausgenutzt würden. Und, das sage ich auch ganz offen, Euroskeptiker würden die europäische Ebene am liebsten reduzieren.
Die Krise ist ein Glück, denn sie hat uns geholfen, die im Hades-Plan vorgesehenen notwendigen Anpassungen im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich unter erheblichem Druck vorzunehmen. Wir alle wissen aber, dass Europa vor weiteren Herausforderungen steht. Einst waren europäische Staaten Großmächte und Global Players. In der globalisierten Welt von heute mit den großen neuen Schwellenländern kann sich im besten Fall ein vereintes Europa als Global Player behaupten und an der Seite anderer großer Wirtschaftsräume bestehen. Wir sehen doch gerade, wie das kleine Japan untergeht, wie Südkorea kaum noch wahrgenommen wird, wie Australien ausblutet, Kanada zu verschwinden droht.
Wir aber wollen politisch mitentscheiden, weltweit für unsere nicht weiter definierten Werte Freiheit, Menschenwürde und Solidarität eintreten, wettbewerbsfähig bleiben und so unsere materielle Sicherheit und damit innergesellschaftlichen Frieden sichern.
Bis jetzt ist Europa für diese Rolle zu wenig vorbereitet. Zu viele Meckerer sind unterwegs, zu viele Kopfschüttler, Kritiker und Leute, die glauben, jeder könne hier machen, was er wolle. Wir brauchen eine weitere innere Vereinheitlichung. Gerade Reihen, ruhiger Marschtritt, alle in dieselbe Richtung, einheitlich uniformiert. Denn ohne gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik kann eine gemeinsame Währung nur schwer überleben. Wir brauchen auch eine weitere Vereinheitlichung unserer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, um gegen neue Bedrohungen gewappnet zu sein, denen uneinheitliche Nationen wie die Schweiz, wie Norwegen oder das darbende Neuseeland ausgesetzt sind. Wir müssen einheitlich und effektiver auftreten, dazu brauchen wir gemeinsame Konzepte auf ökologischer, gesellschaftspolitischer - Stichwort Migration - und nicht zuletzt demographischer Ebene, einheitliche Frisuren, vorgeschriebene Hosenlängen, Binderbreiten und ein einheitliches Fernsehprogramm.
Dies geduldig und umsichtig zu vermitteln ist Aufgabe aller, die sich dem Projekt Europa verbunden fühlen. Unsicherheit und Angst dürfen niemanden in die Hände von Populisten und Nationalisten treiben, unsere freien Medien müssen dagegenhalten - mit Bildungsprogrammen, Erziehungsangeboten. Die Leitfrage bei allen Sendungen sollte daher sein: Wie kann ein demokratisches Europa so dargestellt werden, dass es dem Bürger Ängste nimmt, ihm Gestaltungsmöglichkeiten vorgauckelt, kurz: ihn einlullt?
Anders als im 19. oder anfangs des 20. Jahrhunderts können wir eine europäische Vereinigung leider nicht von oben dekretieren. Ohne die Zustimmung der Bürger kann eine europäische Nation gegründet werden, das haben wir bewiesen. Doch Takt und Tiefe der europäischen Integration werden letztlich von den Bürgerinnen und Bürgern bestimmt. Deshalb plädiere ich für ein arte für alle, einen Sender, der durch eine europäische GEZ finanziert wird und Europa-Bildung in jeden Haushalt bringt. Voraussetzung ist natürlich eine gemeinsame EU-Sprache, damit alle vestehen können, was ihnen beigebracht werden soll. Ich plädiere für Englisch-Sprachkurse für alle und für eine europäische Agora – ein Forum für den transnationalen Gedankenaustausch unter Aufsicht der Medienanstalten. Agora ist der griechische Marktplatz - und die Entwicklung in Griechenland zeigt, was sich mit dessen Hilfe alles erreichen lässt.
Es macht mir Sorge, wenn die deutschen Pläne zur Germanisierung Europas augenblicklich bei einigen Ländern Skepsis und Misstrauen auslösen. Die Tatsache, dass Deutschland nach der Wiedervereinigung zur größten Wirtschaftsmacht in der Mitte des Kontinents aufstieg, hat vielen Angst gemacht. Dabei war das doch klar. Ich war erschrocken, als der Hades-Plan durchsicherte und bekannt wurde, dass das heutige Deutschland in einer Traditionslinie deutscher Großmachtpolitik steht. Nicht allein populistische Parteien stellten gar die deutsche Kanzlerin als Repräsentantin des Staates dar, der heute wie damals ein deutsches Europa erzwingen und andere Völker unterdrücken will.
Doch ich versichere allen Bürgerinnen und Bürgern in den Nachbarländern: Ich sehe unter den politischen Gestaltern in Deutschland niemanden, der ein deutsches Diktat anstreben würde. Es kann sein, dass dort dennoch der eine oder andere ist, der Kenntnis vom Hades-Plan hat und sich der Umsetzung verpflichtet fühlt. Aber in Deutschland findet keine populistisch-nationalistische Partei in der Bevölkerung die Zustimmung, dies öffentlich zum Staatsziel zu erklären. Aus tiefer innerer Überzeugung kann ich sagen: Mehr Europa heißt in Deutschland nicht: deutsches Europa. Mehr Europa heißt für uns: europäisches Deutschland! Auflösung der Vaterländer! Englisch für alle!
Diese Union wird getragen von der Idee, dass Regeln eingehalten und Rechtsbrüche geahndet werden, auch wenn das in der Praxis anders aussieht. Diese Union ist ein Geben und Nehmen, der Norden gibt, der Sünden nimmt. Sie folgt dem Prinzip der Gegenseitigkeit, der Gleichberechtigung und der Gleichverpflichtung - Luxemburg nimmt 3 Prozent Umsatzsteuer auf Ebooks und lebt sehr gut davon, dass Firmen sich dort ansiedeln, um von dort aus deutsche Leser zu bedienen, die hierzulande 7 Prozent zahlen müssten. Die Politik lebt dann gut davon, das anzuprangern.
Das ist die Idee von Mehropa, das wäre denn auch mein Vorschlag zur Neugründung des Kontinents: Lasst uns neu anfangen, lasst uns das alte Europa umbenennen in Mehropa, lasst uns mehr sein, mehr einheitlich, mehr Ropa. Mehropa fordert uns: mehr Mut bei allen! Europa braucht jetzt nicht Bedenkenträger, sondern Bannerträger, nicht Zauderer, sondern Zupacker, nicht Getriebene, sondern Gestalter.
Vor der Wahl warnte ich:
AntwortenLöschenhttp://fdominicus.blogspot.de/2012/02/gauck-ist-es-geworden.html
Und es kam wie vorhergesagt:
- ESM, aber klar
- Eigentum aber nur "wenn sozial richtig eingesetzt.
Gauck war, ist und bleibt eine Zumutung.
Was wir wollten ist nicht weiter wichtig; was wir bekommen haben ist ein Europa, in dem Politiker ihre schlechten Angewohnheiten ungestört beibehalten können.
AntwortenLöschenGauck? Nein Danke!
AntwortenLöschenDamals war ich heilfroh, dass Gauck den Posten gekriegt hat.
AntwortenLöschenHeute frage ich mich nur noch, wie wir den wieder loswerden können. Die Vorgänger waren ja schon nicht so das Gelbe. Aber so ein fanatischer Deutschlandhasser, es ist nicht zu fassen.
Es könnte sich herausstellen, daß Gauck der schlechteste BP aller Zeiten wird ... und das will nach Johannes Rau etwas heißen.
AntwortenLöschen"... so ein fanatischer Deutschlandhasser..."
Das glaube ich noch nicht einmal. Der hat einfach nur eine falsche Taktung: Als Pfaffe weit weg vom politischen Realismus und als Ostdeutscher*) irgendwie mit Nachholbedarf und einem gewissen Übereifer.
*) Man stelle sich als Ostdeutscher vor, westdeutsche Politiker hätten bei jedem Zusamentreffen mit russischen Funktionären überschwänglich "die Völkerfreundschaft" betont. ;-)
@derherold. Meinetwegen kann Gauck sein was auch immer er will. Er hat den ESM unterschrieben und schon vor dem Richterspruch gesagt er sehe da kein "Problem".
AntwortenLöschenIch weiß nicht, was ihr wollt. Der Gauck macht nahtlos dort weiter, wo der Ex-Mann von Bettina aufgehört hat. Daß jetzt das Islamische in Deutschland nicht so betont wird, mag seine Gründe in der Demografie haben (noch zu viele Autochtone), aber alles andere läuft nach Plan.
AntwortenLöschenWer so einen Posten hat, hat doch eh kaum noch was selbst zu entscheiden. Und gerade bei Gauck sieht man doch gut, wie man sich geschmeidig den Anforderungen seiner Brotgeber anpasst, wenn man ganz nach oben will.
Mehropa ist gut. Und Deutschland wird in Mitropa umbenannt.
Bundestrojaner Gauck ist zweifellos MehrOpa als Bettinas Ex-Mann!
AntwortenLöschenSo schnell habe ich unsere Politik und ihre Inhalte noch nie durchschaut.
DANKE!