Der Algorithmus greift ins Leere. Google News versagt, auch die „Spiegel“-Suchmaschine gibt auf. 105 Minuten hat Peer Steinbrück auf dem Krönungsparteitag der SPD gesprochen. Er hat angekündigt, dass es dem Land besser geht, wenn Sozialdemokraten regieren. Er hat angedroht, dass es ohne höhere Steuern nicht mehr Staatsausgaben geben könne. Er hat eine Frauenquote angekündigt, eine Art Ehe zweiter Klasse erfunden, für die das Ehegattensplitting nicht mehr gelten wird, er hat die Erbschaftssteuer zur Einnahmenerhöhung ins Visier genommen und sogar vorgerechnet, wie die ganze Rechnung aufgehen wird: Mehr Geld einnehmen, für bessere Dinge ausgeben.
Wirklich interessant aber ist, was Peer Steinbrück nicht erwähnt hat. Die Eurokrise zum Beispiel. Aus der Sicht des Mannes, der in seinen kampfeslustigen Zeiten gleich mal „eine Neukonstruktion der Währungsunion“ forderte, nach der alle für alle zahlen sollen müssen, eine erstaunliche Auslassung. Aber allen Unterlagen zufolge war es so: Peer Steinbrück hat die Rettungspolitik der Kanzlerin gerügt. Er angeregt, Vorsorge zu treffen, „um die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten und die nachfolgenden Generationen nicht mit noch mehr Schulden zu überfordern“.
Er hat die Frage der sozialen Gerechtigkeit aufgeworfen, über „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ als Grundlage seiner Kandidatur gesprochen und gleiche Löhne für Frauen und Männer gefordert. Die Wähler könnten darüber entscheiden, ob es einen flächendeckenden Mindestlohn, verbindliche Frauenquoten, eine "bessere Bildung", eine "armutsfeste Rente" und "erschwingliche Mietwohnungen" geben solle.
Doch bei dem „neuen Gleichgewicht“, das Peer Steinbrück anstrebt, bei der „Renaissance der sozialen Marktwirtschaft“, die er als Ziel ausgegeben hat, kommt Europa mit seinen Problemen überhaupt nicht vor. Als gäbe es keine Schuldenkrise, als knacke es nicht nach wie vor vernehmlich im Rettungsgebälk, als sei Deutschland nicht mit Milliarden und Abermilliarden im Risiko bei Griechen, Spaniern und Portugiesen, kündigt der Kandidat allerlei Nebensächlichkeiten an. Eine Position zur fortgesetzten Euro-Rettung aber bezog Steinbrück mit keinem Wort. Die Eurokrise sei Chefsache, sagt er nur. "Statt Kapitulation vor dem Erpressungspotential der Finanzmärkte – Leitplanken und Spielregeln für Finanzdienstleister!" Und dass die Partei „mit einer klaren proeuropäischen Haltung in den Wahlkampf ziehen“ müsse.
Woraus die besteht, was sie will und wohin sie führt? Welche Leitplanken? Wessen Spielregeln? Kein Wort. "Wir hören Popcorn-Sätze, in denen sich viel Luft und kaum Substanz findet", sagte er, meinte aber nicht sich selbst, sondern seine Konkurrentin Merkel, die die Schuldenkrise immerhin noch global erwähnt und prophezeit hatte, sie „könne nur mit einem langen und anstrengenden Prozess überwunden werden“.
Nein, auch Merkel erwähnte nicht, wie das geschehen soll. Merkel aber muss es ja auch nur geschehen lassen. Steinbrück dagegen dürfte als Herausforderer ruhig Konzepte vorlegen, Richtungen zeigen, von Alternativen sprechen. Doch er tut es nicht. Sondern meidet das ganze Thema, als sei die Gegend vermint. Stattdessen Petitessen: NPD-Verbot, Helmut Schmidt, Honorardebatte, mehr Wir und weniger Ich.
Klopft man den Staub aus den Sätzen, langt man in einem Vakuum an, das die Süddeutsche humoristisch überspitzt „Steinbrücks programmatische Inhalte“ nennt. Der „Freitag“ lobt an der Rede überschwänglich „Sachgehalt und Glaubwürdigkeit, die aufhorchen lassen“.
Diese Rede, die das größte Thema der Gegenwart nicht einmal zu streifen vorgab, sei glaubwürdig gewesen, „weil sie auf die gegenwärtige Situation antwortet“, flunkert der Kommentator. Er ist nicht allein im Bemühen, etwas gehört zu haben, was nicht gesagt worden ist. Abgesehen von der Wirtschaftswoche, in der Bettina Röhl „Zu den großen Themen der Zeit: nichts!“ urteilt, ist das Medienecho von tiefer Sympathie und der unbedingten Bereitschaft gekennzeichnet, die Leerstellen in der Bewerbungsrede des Mannes, der Deutschland in den kommenden vier Jahren führen will, nicht wahrnehmen zu wollen.
Wirklich interessant aber ist, was Peer Steinbrück nicht erwähnt hat. Die Eurokrise zum Beispiel. Aus der Sicht des Mannes, der in seinen kampfeslustigen Zeiten gleich mal „eine Neukonstruktion der Währungsunion“ forderte, nach der alle für alle zahlen sollen müssen, eine erstaunliche Auslassung. Aber allen Unterlagen zufolge war es so: Peer Steinbrück hat die Rettungspolitik der Kanzlerin gerügt. Er angeregt, Vorsorge zu treffen, „um die Schuldenbremse des Grundgesetzes einzuhalten und die nachfolgenden Generationen nicht mit noch mehr Schulden zu überfordern“.
Er hat die Frage der sozialen Gerechtigkeit aufgeworfen, über „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ als Grundlage seiner Kandidatur gesprochen und gleiche Löhne für Frauen und Männer gefordert. Die Wähler könnten darüber entscheiden, ob es einen flächendeckenden Mindestlohn, verbindliche Frauenquoten, eine "bessere Bildung", eine "armutsfeste Rente" und "erschwingliche Mietwohnungen" geben solle.
Doch bei dem „neuen Gleichgewicht“, das Peer Steinbrück anstrebt, bei der „Renaissance der sozialen Marktwirtschaft“, die er als Ziel ausgegeben hat, kommt Europa mit seinen Problemen überhaupt nicht vor. Als gäbe es keine Schuldenkrise, als knacke es nicht nach wie vor vernehmlich im Rettungsgebälk, als sei Deutschland nicht mit Milliarden und Abermilliarden im Risiko bei Griechen, Spaniern und Portugiesen, kündigt der Kandidat allerlei Nebensächlichkeiten an. Eine Position zur fortgesetzten Euro-Rettung aber bezog Steinbrück mit keinem Wort. Die Eurokrise sei Chefsache, sagt er nur. "Statt Kapitulation vor dem Erpressungspotential der Finanzmärkte – Leitplanken und Spielregeln für Finanzdienstleister!" Und dass die Partei „mit einer klaren proeuropäischen Haltung in den Wahlkampf ziehen“ müsse.
Woraus die besteht, was sie will und wohin sie führt? Welche Leitplanken? Wessen Spielregeln? Kein Wort. "Wir hören Popcorn-Sätze, in denen sich viel Luft und kaum Substanz findet", sagte er, meinte aber nicht sich selbst, sondern seine Konkurrentin Merkel, die die Schuldenkrise immerhin noch global erwähnt und prophezeit hatte, sie „könne nur mit einem langen und anstrengenden Prozess überwunden werden“.
Nein, auch Merkel erwähnte nicht, wie das geschehen soll. Merkel aber muss es ja auch nur geschehen lassen. Steinbrück dagegen dürfte als Herausforderer ruhig Konzepte vorlegen, Richtungen zeigen, von Alternativen sprechen. Doch er tut es nicht. Sondern meidet das ganze Thema, als sei die Gegend vermint. Stattdessen Petitessen: NPD-Verbot, Helmut Schmidt, Honorardebatte, mehr Wir und weniger Ich.
Klopft man den Staub aus den Sätzen, langt man in einem Vakuum an, das die Süddeutsche humoristisch überspitzt „Steinbrücks programmatische Inhalte“ nennt. Der „Freitag“ lobt an der Rede überschwänglich „Sachgehalt und Glaubwürdigkeit, die aufhorchen lassen“.
Diese Rede, die das größte Thema der Gegenwart nicht einmal zu streifen vorgab, sei glaubwürdig gewesen, „weil sie auf die gegenwärtige Situation antwortet“, flunkert der Kommentator. Er ist nicht allein im Bemühen, etwas gehört zu haben, was nicht gesagt worden ist. Abgesehen von der Wirtschaftswoche, in der Bettina Röhl „Zu den großen Themen der Zeit: nichts!“ urteilt, ist das Medienecho von tiefer Sympathie und der unbedingten Bereitschaft gekennzeichnet, die Leerstellen in der Bewerbungsrede des Mannes, der Deutschland in den kommenden vier Jahren führen will, nicht wahrnehmen zu wollen.
Also langsam kriege ich so ein Art Forrest-Gump-Deja-Vu. Wie in jenem Film taucht bei irgendwelchen Ereignissen immer im Hintergrund der gleiche Typ auf. Im Falle Steinbrück: Der Mann scheint bei allen Desastern federführend dabei zu sein. Was für ein Talent.
AntwortenLöschenIch lese einen ganz normalen Desinformationsartikel im SPIEGEL-Online über das Thyssen-Krupp-Desaster. Und dann plötzlich durch ein Versagen des schreibdiensthabenden Praktikanten die Information: Mitglied des Aufsichtsrates bei Thyssen-Krupp: Peeeeeeeeer Steinbrück. Das kann doch nicht wahr sein! Was für eine Begabung. Alles was der Mann anpackt endet im Untergang. Ob als Ministerpräsident von NRW, als Bundesfinanzminister, als Speichellecker von Matthöfer, Rau und Engholm. Gut, der Mann hat sich früh für höhere Schadensummen empfohlen („Steinbrück hat während seiner gesamten Schulzeit (1953 bis 1968) zweimal ein Schuljahr wiederholt“ siehe Wikipedia). Aber wer hätte gedacht, dass der Mann auch Stahlkonzerne, durch bloße Anwesenheit beim Kaffeekränzchen in den Abgrund reißen könnte...
Der Mann ist offensichtlich kognitiv und charakterlich ein echtes Jahrhundert-Talent.
Meine Verwunderung gilt dem Wähler.
Wenn der Steinbrück nicht so langweilig wäre, würde ich gern einen Kommentar zum Thema schreiben. Aber ich weiß nicht, was. Schau ich dem ins Gesicht, bekomme ich einen Gähnkrampf.
AntwortenLöschenImmerhin läßt sich die Finanzindustrie eine Steinbrück'sche Schwafelstunde 15.000 Euro kosten. Also muß wohl was drin sein in dem Poppkorn.
Übrigens ist auch der Röhl'sche Artikel an der Grenze des Erträglichen. Aber es ist sicherlich auch unheimlich schwer, über Nichts viel zu schreiben.
AntwortenLöschen„Armutsfeste Rente“. Daraus folgt die Notwendigkeit einer armutsfesten Rentenfinanzierung oder einer kleinen Klarstellung, was armutsfest ist.
AntwortenLöschenIch freue mich schon auf zukünftige Wahlkampfreden: Jeder Rentner hat das Recht auf einen Laib Brot, ein Pfund Wurst oder Schinken und einen Krug Milch pro Woche. Ich danke euch, Genossinnen und Genossen. Mit uns zieht die neue Zeit.
@Anonym
AntwortenLöschenWoher beziehen die Rentner überhaupt ihr ANRECHT auf eine Alimentierung? Weil sie ihrer Elterngeneration eine Rente spendiert haben? Weil es sich eingebürgert hat, von Staats wegen eine Rente zu bekommen?
"einen Laib Brot, ein Pfund Wurst oder Schinken und einen Krug Milch pro Woche"
Ja und? Wenn der eigene Nachwuchs oder das soziale Umfeld nicht mehr hergibt, dann muß der Rentner eben darben.
"Immerhin läßt sich die Finanzindustrie eine Steinbrück'sche Schwafelstunde 15.000 Euro kosten."
AntwortenLöschenDie Stadtwerke der bis über die Augenbrauen verschuldeten Stadt Bochum läßt 25.000 springen.
Lieber @eulenfurz, in der Tat gehe ich davon aus, daß unsere großen Herren irgendwas vor 1914 im Sinne haben. Daß die Masseneinwanderung Deklassierter den Sozialstaat abwickeln (helfen) soll, setze ich voraus.
... Weil wir die ganze Zeit schon gerätselt haben, was machen wir mit dem Profil. Dem Steinbrück seins, das wäre das Problem. Aber er hat gar keins. Also kein Problem jetzt. Weil er ja kein Profil braucht, um mit dieser Partei zu regieren, und wenn er nicht regiert, wozu braucht er dann ein Profil? Der Mann denkt eben wirtschaftlich. Mit dem hat der Sparkurs wieder Sinn.
AntwortenLöschenhttp://zynaesthesie.wordpress.com/2012/12/10/heisluft/