Sie sind die bei weitem größte Minderheit im Land, und das seit nahezu einem Vierteljahrhundert. Allgemein gelten sie als gut integriert, es gibt kaum Sprachprobleme, auch kulturell haben es die ehemaligen Ostdeutschen verblüffend schnell geschafft, sich an die Lebensgewohnheiten der sogenannten Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Sie sehen heute dieselben Fernsehsendungen, wählen dieselben Parteien, fahren dieselben Automarken, lesen dieselben Westzeitungen und benutzen dieselben Handys.
Es nützt allerdings nichts. Zum 23. Jahrestag des inoffiziellen Beitritts der Ostdeutschen zur Bundesrepublik herrscht zum Thema weitgehend Schweigen im Blätterwald. Stattdessen Tagesthemen: Die Senkung der Neuverschuldung auf 17 Milliarden - etwa das Siebzehnfache dessen, was die DDR in 40 Jahren an Schulden aufgehäuft hatte. Ein Gewinnsprung bei der Allianz-Versicherung, die die DDR-Staatsversicherung inzwischen rückstandslos verdaut hat. Und Helmut Schmidt, einst ein guter Jagdfreund von DDR-Chef Erich Honecker, der mit den Ungefangenheit des Ehrgeizlosen darüber schwadroniert, dass Europa vielleicht eine "Revolution" bevorstehen könnte.
Schmidt Revolution wäre eine solche mit Bahnsteigkarten. Die letzte hingegen ist bereits vergessen. Nur die aller paar Jahre mal wieder erneuerte Klage von Politikern über "zu wenige Ostdeutsche in den deutschen Eliten" erinnert am Jahrestag daran, dass da mal etwas war, das nicht mehr ist: Ein System hatte sich bis über den Rand der eigenen Legitimationsfähigkeit regiert. Am Ende fehlte ihm sogar die Kraft, sich selbst aufrecht zu halten.
Es sind selbstverständlich Ostdeutsche, denen das Fehlen anderer Ostdeutscher in den inneren Machtzirkeln und in den Kulissen rundherum auffällt. Die Linke Katja Kipping, der CDU-Mann Reiner Haseloff und der SPD-Hinterbänkler Carsten Schneider beklagen die "Undurchlässigkeit" der "Eliten", "insbesondere in der Wirtschaft". In der "Topführungsriege" von Unternehmen säßen "ganz, ganz selten Ostdeutsche". In der Justiz sei es ähnlich.
Auch die Politik werde nur im Osten von Ostdeutschen bestimmt. Trotz eines Bevölkerungsanteils von etwa 17 Prozent besetzten Ostdeutsche nur ungefähr fünf bis neun Prozent der Elitepositionen. In den westdeutschen Landesregierungen sitze mit Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) in Niedersachsen lediglich eine Ostdeutsche, während in den ostdeutschen Landesregierungen 30 Prozent Westdeutsche säßen. Bei rund 200 Bundeswehr-Generälen aus dem Westen gebe es nur einen weiblichen General aus dem Osten, in den Dax-Unternehmen nur zwei ostdeutsche Manager.
Dabei könnte der Erfahrungsschatz der Ostdeutschen, die inzwischen meist unerkannt unter den Bundesbürgern leben, gerade heute so wichtig für die Weiterentwicklung der Demokratie im Landes sein. Denn vieles von dem, worüber autochthone Westdeutsche noch ungläubig staunen, erinnern Menschen aus Sachsen, Mecklenburg und Thüringen noch als ganz normale Lebensumstände: Wer dumm genug ist, das Falsche zu denken, verliert seinen Job. Wer Umgang mit den verkehrten Leuten pflegt, riskiert seine Karriere. Wer am Fernseher von Kanal 1 auf Kanal 2 umschaltet, ändert nur das Senderlogo, nicht aber den Sendungsinhalt. Und der bringt dann häufig Saiten im ostdeutschen Publikum zum schwingen, die bis 1989 kaum zur Ruhe kamen: Statt der "entwickelten sozialistischen Demokratie" geht es jetzt eben um ein "gemeinsames Europa", statt von oben verordneter Liebe zum "Bruderland Sowjetunion" soll diese nun empfunden werden für die europäische Idee von einer allmächtigen Wirtschaftsregierung.
Konsequent: Die allgemein unauffällig amtierende Linkspartei-Chefin Katja Kipping forderte zum Jubiläum "einen Ostdeutschland-Gipfel, auf dem Politik, Verbände und Wissenschaft beraten, wie ostdeutsche Erfahrungen für den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft genutzt werden könnten". Das wird eine Sitzung von Ostdeutschen mit Ostdeutschen für Ostdeutsche, die in München, Hamburg und Bochum, wo ein Ostdeutscher den Fußballklub trainiert, viel Beachtung finden wird.
Experten empfehlen ein Aufeinanderzugehen. Integration sei möglich, es gebe aber ein Bringepflicht beider Seiten. Die "kulturelle Fremdheit" abzubauen, die viele Ostdeutsche heute noch fühlen, obwohl sich die Bundesrepublik sichtlich bemühe, der DDR auf vielen Gebieten nachzueifern, erfordere ein Geben und Nehmen. Einerseits seien die Bürger auf den fünf auf ewig neuen Bundesländern gefordert, ihre Kleidung, ihr Auftreten, ihre Sprache und Gestik bis hin zum Musikgeschmack zu ändern. Nicht mehr Puhdys, sondern Pur!
Andererseits könne das neue, größer gewordene Deutschland durch den weiteren konsequenten Aufbau einer "defizitären Demokratie", durch höhere Schulden und größere Sozialleistungen, durch staatliche Kümmererprogramme und strikte Denk- und Handlungsverbote dafür sorgen, dass die heimatlos gewordenen ehemaligen Sozialistinnen und Sozialisten sich mehr und mehr heimisch fühlen im neuen Gemeinwesens.
Es nützt allerdings nichts. Zum 23. Jahrestag des inoffiziellen Beitritts der Ostdeutschen zur Bundesrepublik herrscht zum Thema weitgehend Schweigen im Blätterwald. Stattdessen Tagesthemen: Die Senkung der Neuverschuldung auf 17 Milliarden - etwa das Siebzehnfache dessen, was die DDR in 40 Jahren an Schulden aufgehäuft hatte. Ein Gewinnsprung bei der Allianz-Versicherung, die die DDR-Staatsversicherung inzwischen rückstandslos verdaut hat. Und Helmut Schmidt, einst ein guter Jagdfreund von DDR-Chef Erich Honecker, der mit den Ungefangenheit des Ehrgeizlosen darüber schwadroniert, dass Europa vielleicht eine "Revolution" bevorstehen könnte.
Schmidt Revolution wäre eine solche mit Bahnsteigkarten. Die letzte hingegen ist bereits vergessen. Nur die aller paar Jahre mal wieder erneuerte Klage von Politikern über "zu wenige Ostdeutsche in den deutschen Eliten" erinnert am Jahrestag daran, dass da mal etwas war, das nicht mehr ist: Ein System hatte sich bis über den Rand der eigenen Legitimationsfähigkeit regiert. Am Ende fehlte ihm sogar die Kraft, sich selbst aufrecht zu halten.
Es sind selbstverständlich Ostdeutsche, denen das Fehlen anderer Ostdeutscher in den inneren Machtzirkeln und in den Kulissen rundherum auffällt. Die Linke Katja Kipping, der CDU-Mann Reiner Haseloff und der SPD-Hinterbänkler Carsten Schneider beklagen die "Undurchlässigkeit" der "Eliten", "insbesondere in der Wirtschaft". In der "Topführungsriege" von Unternehmen säßen "ganz, ganz selten Ostdeutsche". In der Justiz sei es ähnlich.
Auch die Politik werde nur im Osten von Ostdeutschen bestimmt. Trotz eines Bevölkerungsanteils von etwa 17 Prozent besetzten Ostdeutsche nur ungefähr fünf bis neun Prozent der Elitepositionen. In den westdeutschen Landesregierungen sitze mit Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) in Niedersachsen lediglich eine Ostdeutsche, während in den ostdeutschen Landesregierungen 30 Prozent Westdeutsche säßen. Bei rund 200 Bundeswehr-Generälen aus dem Westen gebe es nur einen weiblichen General aus dem Osten, in den Dax-Unternehmen nur zwei ostdeutsche Manager.
Dabei könnte der Erfahrungsschatz der Ostdeutschen, die inzwischen meist unerkannt unter den Bundesbürgern leben, gerade heute so wichtig für die Weiterentwicklung der Demokratie im Landes sein. Denn vieles von dem, worüber autochthone Westdeutsche noch ungläubig staunen, erinnern Menschen aus Sachsen, Mecklenburg und Thüringen noch als ganz normale Lebensumstände: Wer dumm genug ist, das Falsche zu denken, verliert seinen Job. Wer Umgang mit den verkehrten Leuten pflegt, riskiert seine Karriere. Wer am Fernseher von Kanal 1 auf Kanal 2 umschaltet, ändert nur das Senderlogo, nicht aber den Sendungsinhalt. Und der bringt dann häufig Saiten im ostdeutschen Publikum zum schwingen, die bis 1989 kaum zur Ruhe kamen: Statt der "entwickelten sozialistischen Demokratie" geht es jetzt eben um ein "gemeinsames Europa", statt von oben verordneter Liebe zum "Bruderland Sowjetunion" soll diese nun empfunden werden für die europäische Idee von einer allmächtigen Wirtschaftsregierung.
Konsequent: Die allgemein unauffällig amtierende Linkspartei-Chefin Katja Kipping forderte zum Jubiläum "einen Ostdeutschland-Gipfel, auf dem Politik, Verbände und Wissenschaft beraten, wie ostdeutsche Erfahrungen für den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft genutzt werden könnten". Das wird eine Sitzung von Ostdeutschen mit Ostdeutschen für Ostdeutsche, die in München, Hamburg und Bochum, wo ein Ostdeutscher den Fußballklub trainiert, viel Beachtung finden wird.
Experten empfehlen ein Aufeinanderzugehen. Integration sei möglich, es gebe aber ein Bringepflicht beider Seiten. Die "kulturelle Fremdheit" abzubauen, die viele Ostdeutsche heute noch fühlen, obwohl sich die Bundesrepublik sichtlich bemühe, der DDR auf vielen Gebieten nachzueifern, erfordere ein Geben und Nehmen. Einerseits seien die Bürger auf den fünf auf ewig neuen Bundesländern gefordert, ihre Kleidung, ihr Auftreten, ihre Sprache und Gestik bis hin zum Musikgeschmack zu ändern. Nicht mehr Puhdys, sondern Pur!
Andererseits könne das neue, größer gewordene Deutschland durch den weiteren konsequenten Aufbau einer "defizitären Demokratie", durch höhere Schulden und größere Sozialleistungen, durch staatliche Kümmererprogramme und strikte Denk- und Handlungsverbote dafür sorgen, dass die heimatlos gewordenen ehemaligen Sozialistinnen und Sozialisten sich mehr und mehr heimisch fühlen im neuen Gemeinwesens.
Wer dumm genug ist, das Falsche zu denken, ...
AntwortenLöschenVielen Dank für diesen zweideutigen Merksatz.
Weiß nicht, was die immer meckern? Den Ostlern sollte genügen, bei der Wiedervereinigung gewonnen zu haben. Gut, es hat ein wenig gedauert, bis sich das Bewährte durchgesetzt hat.
AntwortenLöschenwer meckert denn? von osten höre ich nichts
AntwortenLöschenPunktabzug, PPQ.
AntwortenLöschen"entwickelte sozialistischen Demokratie"
ist falsch.
Es gab nämlich die
"entwickelten sozialistische Gesellschaft"
vom Dozenten an der Tafel mit ESG abgekürzt.
@volker: völlig korrekt. da streu´ ich mir asche aufs haupt, angefertigt aus einer zur feier des tages verbrannten ddr-fahne
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