Montag, 10. September 2012

Doku Deutschland: Mein Leben als Escort

Ich war damals 22 und hatte gerade begonne, zu studieren. Eine Freundin hat mir dann mal erzählt, in einer Prosecco-Laune, dass sie als Escort­-Dame bei "EscortLady" jobbt. Ich muss dazu sagen, dass ich nachts Regale einräumen gegangen bin, manchmal auch bedienen in einem Irish Pub hier bei uns um die Ecke. Meine Freundin hatte eine ganz ruhige Art darüber zu reden, sie war aufmerksam, kam trotz des Jobs sehr sympathisch rüber. Ich kannte sie mindestens zwei Jahre und hatte nichts geahnt! Natürlich hat man sich manchmal gewundert, wie sie das alles finanziert, sie hatte immer Geld und ging nicht kellnern.

Eine ganz normale junge Frau, nicht so wie in "Pretty Woman", wie ich mir das immer vorgestellt hatte. Hohe Absätze und eine blendende Schönheit. "Weißt Du, ich wünschte mir, dass die Arbeit als Escort-Dame nichts so Verwerfliches an sich hätte", sagte meine Freundin, ich will ihren Namen mal lieber nicht sagen, wer weiß, was sie heute darüber denkt. Sie hat Familie, ich glaube zwei Kinder, wir haben uns ein bisschen aus den Augen verloren, wie das so ist.

Ich dachte danach jedenfalls, ich hatte ja auch prosecco, "eigentlich ist doch gar nicht so viel dabei, eigentlich bist du ja schön blöd, dass du dich in der Kneipe von besoffenen Studenten begaffen lässt statt schön mit einem Geschäftsmann mit guten Umgangsformen was Teures essen zu gehen."

Ich habe dann ein Buch gelesen, in dem Escort-Damen von ihren Erlebnissen erzählten, das war unheimlich spannend, aber ich hatte einfach nicht den Mut, losugehen und zu fragen, ob sie mich nehmen. Meine Freundin hatte da nur gekichert, "guck Dich an2, hat sie gesagt. ich dachte, so schlecht stehen meine Chancen wohl nicht.

Aber ich war noch nicht so weit. Erst ein halbes Jahr später, ich hatte mich mit dem Chef von dem Pub gezofft, weil der mehr wollte als meine Arbeitskraft, dachte ich, mir jetzt auch egal, ich versuche es mal. Ich wollte mich auch selber testen und sehen, ob ich das hinkriege, verstehen Sie? Aber klar lockte auch das Geld.

Beim Kellner hatte ich mit Trinkgeld 15 Euro die Stunde, meine Freundin hatte mir erzählt, dass sie als Hostess 500 für eineinhalb Stunden bekommt. Das ist verlockend für ein junges Ding. Stellen Sie sich mal vor: Wenn du da zehn Termine im Monat machst, verdienst Du mehr als Deine Eltern.

Und mit Prostitution hat das wenig gemein, wirklich. Die Chefin von "Escort Lady", wo ich dann schließlich mit meiner Freundin hingegangen bin, weil die ja dort bekannt war, hat mir in aller Ruhe erklärt, wie das läuft. Es ist wirklich Begleitservice - Du triffst den Mann, Du gehst mit ihm Essen, Theater, Kino, Konzert, Du redest. Wenn er möchte, dass da mehr läuft, hast Du wie bei jedem normalen date die Wahl: Möchtest Du auch?

Ich habe mich bei meinen Terminen von Anfang an so verhalten, dass der respekt auch von der anderen Seite da war. Das beginnt beim Auftreten – ich trete sehr selbstbewusst auf. Ich mache mich vorher zurecht, ich bin gespannt, aber nicht unruhig. Die Männer behandeln einen dann auch zuvor­kommend – es ist wie ein ganz ­normales Date, ausser, dass halt ein Preis dahintersteht.

Mit den meisten Kunden ist ­es einfach ein angenehmes Gefühl: Man kennt es aus dem Alltag nicht, dass jemand einem die Türe aufhält und den Stuhl zurechtrückt. Man erlebt es heute nicht mehr so oft, dass man wie eine Dame behandelt wird. Das ist bei den Terminen aber immer so.

Aus meiner Sicht liegt das am Publikum. Das sind überwiegend Manager, Firmeninhaber oder zumindest Leute, die behaupten, das zu sein. So zwischen 55 und 65, Männer, die Geld haben und viel herumkommen in der Welt. Die haben Stil, wenigstens mehr oder weniger. Wobei einem schon klar wird, dass es das Kleinhirn ist, das sie dirigiert. Sie sagen sich, hach, ich bin so oft allein unterwegs und lebe so viel in Hotels, ich will nicht ­immer allein rumziehen. Aber so gut ich das verstehen kann, geht es doch am Ende eigentlich immer um das Eine, Sie wissen schon.

Es ist eine große Einsamkeit in diesen Erfolgsphären. Die suchen das Zwischenmenschliche, Gespräche, Wärme, jemanden, der zuhört. Irgendwann redet man dann auch über Sex, man erfährt von den Frauen zu Hause, vom Frust, von der Liebhe, die noch da ist oder auch nicht. Man kommt sich nie vor wie eine Betrügerin oder Ehebrecherin, man kommt sich auch nicht vor wie eine Hure, wenn Sie das glauben.

Ganz im Gegenteil. Soll ich Ihnen mal mein größtes Geheimnis verraten? Ich habe meinen späteren Mann auf einem dienstlichen Date kennengelernt.


Zur zivilisationskritischen Reihe Doku Deutschland



12 Kommentare:

  1. Das ist nur der Kreis, der sich schliesst zum Alltagsleben vieler Menschen. Dates, Onenightstands, Discobekanntschaften u.ä.

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  2. Ehrlichere Arbeit als die von Volksvertretern ist es allemal.

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  3. @ppq:

    Ich habe Sie ja neulich harsch kritisiert; diese Kritik nehme ich nun ausdrücklich zurück.

    Wer so mutig ist, in aller Öffentlichkeit zu seinem Vorleben als Escort zu stehen, dem gestehe ich gern das Recht zu, Frau Wulff zu kritisieren.

    Sind weitere Enthüllungen zu erwarten?

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  4. danke. als enthüllung verstehe ich das aber nicht. mein umfeld weiß seit langem davon, das ist ja heutzutage auch nicht mehr ehrenrührig, wir waren schließlich alle mal jung und brauchten das geld

    aber weitere enthüllungen gibt es ja eigentlich immer, nicht wahr. ich kann mich an kein jahr erinnern, in dem das nciht so wahr.

    in dieser hinsicht kann ich sie also beruhigen. es bleibt spannend - schon für morgen rechne ich mit einer neuen krachermeldung in der sache

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  5. irgendwas muss ja noch kommen, denn platz 2 in der biografien-bestsellerliste hinter Shin Dong-hyuk, das kans nicht gewesen sein. und platz 83 in der richtigen hitparade, wo es selbst der sarrazin nach ganz oben geschafft hat... blamabel.

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  6. Endlich sagt's mal einer! ;)

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  7. Sehr schöner Text. Wenn ich dann lese "Nutte bleibt Nutte"... es gehören immer zwei dazu und wenn es nicht sie ist, sucht sich ein Mann mit so einer Absicht, der sogar für so ein Date zahlt, eben eine andere. Anders als im Prostitutionsgewerbe bedeutet Escort nicht zwangsläufig, dass mehr passiert. Es ist eine Möglichkeit, aber Respekt und Höflichkeit wird großgeschrieben. Zu allererst steht die Konversation im Vordergrund. Der schöne Abend. Ich finde es gut, dass es auch solche Texte gibt, von der "anderen Seite".

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  8. Gustaf FröhlichSeptember 10, 2012

    "irgendwas muss ja noch kommen, denn platz 2 in der biografien-bestsellerliste hinter Shin Dong-hyuk, das kans nicht gewesen sein. und platz 83 in der richtigen hitparade, wo es selbst der sarrazin nach ganz oben geschafft hat... blamabel."

    ja früher .. da hat noch der Maschi mal 'nen Hunni für die buchwerbung locker gemacht .. und jetzt: da muß die Betti wieder selbst ran ..

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  9. Gustaf FröhlichSeptember 10, 2012

    "Anders als im Prostitutionsgewerbe bedeutet Escort nicht zwangsläufig, dass mehr passiert."

    Genau .. der Pöbel will nur Sex .. in der feinen Gesellschaft sucht man nach Kontemplation ..

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  10. Junge Frau, heißest Du etwa ... ;-)

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  11. Genau .. der Pöbel will nur Sex. In der feinen Gesellschaft sucht man nach Zerstreuung.

    ... muß das heißen.

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  12. Gustaf FröhlichSeptember 10, 2012

    Ja .. so kann man das auch sagen ..

    BTW: Das war sicher kein Zufall, dass die Wulff ihre Hochzeit damals auf Schloß Münchhausen feierten ..

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