Es ist eine Grundregel der deutschen Erinnerungskultur, ein Pfeiler des allgegenwärigen Entsetzens und die Basis bewussten Büßens, dass schreckliche Ereignisse in der Vergangenheit erst mit zunehmendem zeitlichen Abstand wirklich schrecklich und bereuenswert werden. Die wirklichen Opfer des Naziregimes starben nicht in Konzentrationslagern, nein, sie schlabbern heute ihren Latte in Berlin-Mitte und müssen für Griechenland zahlen. Die wirklichen Täter waren deren willige Helfer und die wirklich Schuldigen sind eigentlich nur die, die sich ihrer Schuld nicht mehr erinnern wollen.
Zu denen will niemand gehören. Bundespräsident Joachim Gauck hat das am Wochenende in einer vielbeachteten Open-Air-Messe am Rostocker Sonnenblumenhaus klargestellt. 20 Jahre nach dem Pogrom von Lichtenhagen, bei dem im August 1992 deutsche Nazi-Deppen und Fernsehteams vietnamesische Gastarbeiter jagten, erinnerte der aus Rostock stammende erste Mann im Staat daran, dass "es keine Entschuldigung gibt" für die Geschehnisse jenes Sommers, dafür aber zwei Jahrzehnte danach "zahlreiche Gedenkveranstaltungen" (dpa). Eine Fahrradsternfahrt, die Pflanzung einer Gedenkeiche, eine Erinnerungstafel und viel Kultur auf verschiedenen Bühnen riefen noch einmal ins Bewusstsein, wie Staat, Politik, Behörden, Medien und Zivilgesellschaft seinerzeit kollektiv versagt hatten, als mehrere hundert Rechtsradikale versuchten, die zu DDR-Zeiten nach Rostock geholten vietnamesischen Familien aus ihrer neuen Heimat zu vertreiben.
Nicht nur, dass die Eiche erst jetzt gepflanzt und die Gedenktafel für das "Jubiläum" (Tagesschau) erst jetzt angebracht werden konnte, macht deutlich, wie das erste Gesetz der Mediendynamik in Fällen wie diesem wirkt. Auch Gauck selbst, obschon bereits 1992 Rostocker Bürger, schaltete sich zum 20. Jahrgedächtnis erstmals in die Erinnerungsroutine ein.
Erinnerungsroutine? Nun, Gauck und die ihn begleitende Medienflotille erschufen sie bei der Gelegenheit erst. 1997, als der fünfte Geburtstag der fremdenfeindlichen Krawalle in Rostock-Lichtenhagen zu begehen gewesen wäre, verpasste der Ex-Pfarrer seinen Gedenkeinsatz am Sonnenblumenhaus in der Nachbarschaft ebenso wie 2002, als das zehnjährige Jubiläum anstand.
Und er war nicht allein: Bei beiden Gelegenheiten pflanzte auch kein anderer Spitzenpolitiker eine Eiche, keine Bürgerschaft entschuldigte sich, kein zivilgesellschaftlich engagierter Verein brachte eine Gedenktafel an, kein "Spiegel" konnte über "Das große Verdrängen" berichten.
Sie verdrängten alle kräftig mit. Hatte das Hamburger Magazin die Ursache der Krawalle anfangs noch verharmlost - "nicht nur Fremdenhass, vor allem Enttäuschung über Bonner Politik-Versagen und über das Elend im Osten hat sich bei den Krawallen von Rostock entladen", hieß es da - wurden die ersten beiden runden Jubiläen von der Reportageabteilung begangen. Mahnen, Gedenken, Eichen pflanzen? Fehlanzeige.
Dazu musste erst Zeit ins Land gehen, Zeitzeugen wie der Jogginghosen-Nazi Harald Ewert mussten sterben und der Euro musste eingeführt und beinahe wieder abgeschafft werden. Nun erst ist die Stunde der Erinnerung gekommen, nun erst erreicht das Entsetzen über das, was damals war, auch bei denen das Empörungslevel, denen das 5. und das 10. Jubiläum noch kein Anlass für Heuchelei und hehre Reden waren.
Gut abgehangen ist das Grauen am brauchbarsten, wenn auch Geschehen Geschichte geworden ist, die keine Konsequenzen mehr befürchten lässt, wird das Aufrütteln zum Alltag. Laut Google News haben engagierte Berichterstatter übers Wochenende sagenhafte 48.500 Beiträge zum "Lichtenhagen+Rostock" verfasst - verglichen mit 2002 eine Steigerung um stolze 48.000 Prozent. Deutlich wird der Zuwachs an Erinnerungskultur beim Stichwort Erinnerung+Lichtenhagen+Rostock: Zwischen 1993 und 2011 gastierte dieser Dreisatz ganze zehn Mal in deutschen Zeitungen und Onlineportalen. In den letzten drei Tagen dann aber wurde alles gut: Knapp 2000 Mal wurde erinnert, gemahnt und "aus der Vergangenheit gelernt" (Stuttgarter Zeitung).
Mehr Gedenken war nie, weniger wird es nun nie mehr werden. Im November steht das 20. Jubiläum des tödlichen Nazi-Brandanschlages von Mölln an, bisher ein Fall für die lokale Linke, die „Antifa Herzogtum Lauenburg“ und die Berichterstattung im Blog "migrantenpop". Da geht aber mehr, nun, wo die Geschehnisse weit genug zurück liegen, um den Tätern entschlossen entgegenzuschmettern: "Unsere Heimat kommt nicht in braune Hände!" Im Frühjahr folgt dann Solingen, wo 1993 fünf Menschen ermordet wurden und seitdem Redner der Anti-Nazi-Koordination im kleinen Kreis erinnern übten. Zeit, die Sache größer anzugehen. Zeit, mit Regionalpolitikern, Journalisten und "Ehrengästen auf überdachten Sitzplätzen" (dpa) richtig zu feiern. Zeit für Kinderchor, Bierstände, Luftballons und Bratwürstchen.
Zu denen will niemand gehören. Bundespräsident Joachim Gauck hat das am Wochenende in einer vielbeachteten Open-Air-Messe am Rostocker Sonnenblumenhaus klargestellt. 20 Jahre nach dem Pogrom von Lichtenhagen, bei dem im August 1992 deutsche Nazi-Deppen und Fernsehteams vietnamesische Gastarbeiter jagten, erinnerte der aus Rostock stammende erste Mann im Staat daran, dass "es keine Entschuldigung gibt" für die Geschehnisse jenes Sommers, dafür aber zwei Jahrzehnte danach "zahlreiche Gedenkveranstaltungen" (dpa). Eine Fahrradsternfahrt, die Pflanzung einer Gedenkeiche, eine Erinnerungstafel und viel Kultur auf verschiedenen Bühnen riefen noch einmal ins Bewusstsein, wie Staat, Politik, Behörden, Medien und Zivilgesellschaft seinerzeit kollektiv versagt hatten, als mehrere hundert Rechtsradikale versuchten, die zu DDR-Zeiten nach Rostock geholten vietnamesischen Familien aus ihrer neuen Heimat zu vertreiben.
Nicht nur, dass die Eiche erst jetzt gepflanzt und die Gedenktafel für das "Jubiläum" (Tagesschau) erst jetzt angebracht werden konnte, macht deutlich, wie das erste Gesetz der Mediendynamik in Fällen wie diesem wirkt. Auch Gauck selbst, obschon bereits 1992 Rostocker Bürger, schaltete sich zum 20. Jahrgedächtnis erstmals in die Erinnerungsroutine ein.
Erinnerungsroutine? Nun, Gauck und die ihn begleitende Medienflotille erschufen sie bei der Gelegenheit erst. 1997, als der fünfte Geburtstag der fremdenfeindlichen Krawalle in Rostock-Lichtenhagen zu begehen gewesen wäre, verpasste der Ex-Pfarrer seinen Gedenkeinsatz am Sonnenblumenhaus in der Nachbarschaft ebenso wie 2002, als das zehnjährige Jubiläum anstand.
Und er war nicht allein: Bei beiden Gelegenheiten pflanzte auch kein anderer Spitzenpolitiker eine Eiche, keine Bürgerschaft entschuldigte sich, kein zivilgesellschaftlich engagierter Verein brachte eine Gedenktafel an, kein "Spiegel" konnte über "Das große Verdrängen" berichten.
Sie verdrängten alle kräftig mit. Hatte das Hamburger Magazin die Ursache der Krawalle anfangs noch verharmlost - "nicht nur Fremdenhass, vor allem Enttäuschung über Bonner Politik-Versagen und über das Elend im Osten hat sich bei den Krawallen von Rostock entladen", hieß es da - wurden die ersten beiden runden Jubiläen von der Reportageabteilung begangen. Mahnen, Gedenken, Eichen pflanzen? Fehlanzeige.
Dazu musste erst Zeit ins Land gehen, Zeitzeugen wie der Jogginghosen-Nazi Harald Ewert mussten sterben und der Euro musste eingeführt und beinahe wieder abgeschafft werden. Nun erst ist die Stunde der Erinnerung gekommen, nun erst erreicht das Entsetzen über das, was damals war, auch bei denen das Empörungslevel, denen das 5. und das 10. Jubiläum noch kein Anlass für Heuchelei und hehre Reden waren.
Gut abgehangen ist das Grauen am brauchbarsten, wenn auch Geschehen Geschichte geworden ist, die keine Konsequenzen mehr befürchten lässt, wird das Aufrütteln zum Alltag. Laut Google News haben engagierte Berichterstatter übers Wochenende sagenhafte 48.500 Beiträge zum "Lichtenhagen+Rostock" verfasst - verglichen mit 2002 eine Steigerung um stolze 48.000 Prozent. Deutlich wird der Zuwachs an Erinnerungskultur beim Stichwort Erinnerung+Lichtenhagen+Rostock: Zwischen 1993 und 2011 gastierte dieser Dreisatz ganze zehn Mal in deutschen Zeitungen und Onlineportalen. In den letzten drei Tagen dann aber wurde alles gut: Knapp 2000 Mal wurde erinnert, gemahnt und "aus der Vergangenheit gelernt" (Stuttgarter Zeitung).
Mehr Gedenken war nie, weniger wird es nun nie mehr werden. Im November steht das 20. Jubiläum des tödlichen Nazi-Brandanschlages von Mölln an, bisher ein Fall für die lokale Linke, die „Antifa Herzogtum Lauenburg“ und die Berichterstattung im Blog "migrantenpop". Da geht aber mehr, nun, wo die Geschehnisse weit genug zurück liegen, um den Tätern entschlossen entgegenzuschmettern: "Unsere Heimat kommt nicht in braune Hände!" Im Frühjahr folgt dann Solingen, wo 1993 fünf Menschen ermordet wurden und seitdem Redner der Anti-Nazi-Koordination im kleinen Kreis erinnern übten. Zeit, die Sache größer anzugehen. Zeit, mit Regionalpolitikern, Journalisten und "Ehrengästen auf überdachten Sitzplätzen" (dpa) richtig zu feiern. Zeit für Kinderchor, Bierstände, Luftballons und Bratwürstchen.
Tja, was soll man dazu sagen? Es sind nun einmal die Nazi, die mit ihrem europaweit laufenden Projekt zur besseren Regierbarkeit des Kontinents unseren freiheitlichen Rechtsstaat unterhöhlen, denen offene Debatten ein Grauen sind, die die Wirtschaft zu ruinieren drohen und Deutschland für zuwandernde Leistungsträger unattraktiv machen.
AntwortenLöschenDaran, und natürlich auch an den Mut machenden Mut, diese Wahrheiten öffentlich zu machen, sollte man, wenigstens einmal im Jahr, schon erinnern dürfen.
@ppq:
AntwortenLöschen"wie Staat, Politik, Behörden, Medien und Zivilgesellschaft seinerzeit kollektiv versagt hatten, als mehrere hundert Rechtsradikale versuchten, die zu DDR-Zeiten nach Rostock geholten vietnamesischen Familien aus ihrer neuen Heimat zu vertreiben."
Es ist doch aber schon bekannt, daß es dabei nicht um die vietnamesischen Gastarbeiter, sondern um die angereisten "Asylanten" - um nicht zu sagen Zigeuner rumänischer Abstammung - ging, die das Viertel rings um das Flüchtlingswohnheim besetzt hielten und die Bevölkerung in bekannter Weise mit Kriminalität, aggressivem Betteln, tätlichen Belästigungen und einem sagen wir mal unkonventionellem hygienischen Verhalten in der Öffentlichkeit überzogen. Die Proteste der Rostocker Bevölkerung wegen der unhaltbaren Zustände verhallten wie früher die Eingaben an den Staatsrat der Deutschen Demokratischen Republik, da sich niemand an dieser politisch so greulich unkorrekten Sache die Finger verbrennen wollte. Weder Ausländerbehörden noch Polizei noch Politiker noch Medien waren gewillt, sich diesem Problem anzu- oder es auch nur zu Kenntnis zu nehmen. Nachdem es dann im Umfeld zu einer Vergewaltigung einer Rostockerin kam oder gekommen sein sollte, was bei solchen Sachen immer nur der Tropfen ist, der das Faß überlaufen läßt, kam es dann zu den Protestaktionen, die später ausarteten und wo sich ein gewalttätiger Mob an die Spitze setzen konnte. Die alarmierte Polizei karrte dann die Zigeuner bei Nacht und Nebel fort, ohne die Öffentlichkeit darüber informieren. In der folgenden Nacht kam es dann zu dem Brandanschlag auf das Wohnheim, in dem noch die vietnamesischen Gastarbeiter saßen, die ebenfalls niemand informiert hatte.
Es wird heute allgemein der Verdacht geäußert, daß man damals durch die Politik die Geschichte bewußt eskalieren ließ, um einen Anlaß für die Verschärfung des Asylrechtes zu bekommen. Die Rostocker im besonderen und die Ostdeutschen im allgemeinen fungieren aber spätestens seit dem als Projektionsfläche für alles, was die linksgrüne Gutmenschfraktion am eigenen Land haßt. Man kann diese Ereignisse aus Ausgangspunkt für den heutigen K(r)ampf-gegen-Rechts sehen. Seitdem laufen in Medien und offizieller Staatspropaganda diese volkspädagogischen Maßnahmen inklusive der antideutschen Apologetik besonders mit den Ossis als Zielscheibe. Diese Vorfälle sind inzwischen als "Lichtenhagener Pogrom" Teil des gutmenschlichen Kanons in Medien und Politik, ähnlich wie der Fall Antonio Amadeo, ein mocambiquanischer Gastarbeiter, der 1991 von Jugendlichen aus der Straßenbahn gestoßen wurde und an den Verletzungen starb. Diese Jugendlichen können nach vorherrschender Deutung in den Medien nur deutsche Nazis gewesen sein, was schon damals ungeprüft als offizielle Version übernommen wurde und zur Gründung der Antonio-Amadeo-Stiftung unter der bewährten Führung Anetta Kahanes führte, die bei der medialen und pekuniären Ausschlachtung solcher Vorfälle ihre reichhaltigen Erfahrungen aus einer vertrauensvollen IM-Tätigkeit verwerten konnte.
Was die Ereignisse selbst angeht, so sind diese sicherlich jämmerlich und schandbar zu nennen. An denen ist aber nichts, was nicht so oder ähnlich überall passieren kann und in den letzten Jahrhunderten in Europa immer wieder passiert ist. Da brauche ich nur die Auseinandersetzungen in Ungarn zu nennen, wo die Zigeuner durchaus nicht immer Opfer sind; wägt man die Dinge nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte ab, sind die Ungarn sogar recht häufig das Opfer dieser Konflikte. Wer aber nicht so weit gehen will, der soll sich mal die Dinge ansehen, die noch im letzten Jahre auf der tschechischen Seite in Grenznähe zu Deutschland gelaufen sind.
http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/395602_Die-Anti-Roma-Stimmung-in-Boehmen-eskaliert.html
Sollte dieser Artikel aber paraphrasierend gemeint gewesen sein, dann bitte ich Dummerchen im voraus um Entschuldigung für meine Naivität.
diese einzelheiten sind eigentlich egal. was schlimm ist, ist diese nachholende art des entsetzens, hier auch noch personifiziert in dem gauck, der von dort kommt und 19 jahre lang keinen moment entsetzt war. wie ja alle anderen auch nicht
AntwortenLöschenKorrektur: Harald E. hieß der Verstorbene. Schreibt zumindest der Berliner Kurier.
AntwortenLöschenBei der NSU gab's aber gleich im Anschluß Erinnerung, garniert mit Schweigeminute und Entschädigungsgeld. Was da in 20 Jahren abgehen könnte - Fackelmärsche, Lichterketten, Mahnkolonnen, Ansprachen der Bundeskanzlerin vor den getreuen Millionen, Stelenfelder - unvorstellbar!
Je ziel- und geistloser die Herrschaft, desto kolossaler solch ein Brimborium!
"Je ziel- und geistloser die Herrschaft, desto kolossaler solch ein Brimborium!"
AntwortenLöschenDas war schon so bei Merkels politischen Vorbildern.
Die Horst-Wessel-Gedenkfeiern wurden immer pompöser, je länger Wessel tot war
da trog mich die erinnerung. harald ewert ist richtig. mal soll immer lieber nachschauen
AntwortenLöschenBaumpogrom in Rostock ! Deutsche Eiche tot !
AntwortenLöschenWehret den Eichen!
AntwortenLöschenWenn das echt die Antifa war, dann sind die noch hohler als allgemein angenommen.
re Karl Murx : besten Dank für diesen hervorragenden Text !
AntwortenLöschenVRIL