Selten kommt es vor, dass die große weite Medienwelt Notiz nimmt von der kleinen Kulturstadt an der Saale, doch in Ijoma Mangolds "Zeit"-Serie "Berliner-Canapes" ist es nun doch passiert: Die neueste Folge "Verliebt in Halle" schildert einen Betriebsausflug der Berliner Kulturförderszene nach Sachsen-Anhalt, wo, so Mangold, die "Hanseln des Kulturbetriebs" in ihren schwarzen Uniformen der Theaterleute, mit der "modischen Verschwommenheit der schreibenden Zunft" und im "dunkelblauen Arbeitsanzug der politischen Klasse" antraten, das zehnjährige Jubliäum der Bundeskulturstiftung zu feiern.
Es muss ein Abend voll imponierender Dekadenz gewesen sein. Bis heute, so schreibt der "Zeit"-Mann, pendeln selbst die Bundeskulturförderer noch immer zur Arbeit aus Berlin ein. Man erkenne sie bis heute - angeblich - noch immer daran, "dass sie den Stadtplan brauchen, um ihren Weg vom Bahnhof zu den Franckeschen Stiftungen, in denen die Bundesbehörde residiert, zu finden".
Dennoch, die Party fand in Halle statt, so dass nun ausnahmsweise mal alle und noch viel mehr am Wochenende morgens um halb neun einen ICE von Berlin nach Halle besteigen mussten. Nur die Kanzlerin nicht, die abgesagt hatte, weil sie Europa zu retten hatte. Mangold kam dann auch an - um was zu tun? "Um sich sofort zu verlieben – in diese Provinzstadt, die geradezu herzerweichend pittoresk ist und allen hauptstädtischen Dünkel im Keim erstickte."
Staunend besichtigt er "das ganze Panorama einer geistig vollständigen Stadt" samt "Universität, Theater, Museen, Kirchen, mit einer reichen Kulturgeschichte von Händel über Francke bis Lyonel Feininger".
Umso krasser der Kontrast am roten Teppich des Feiervolkes. "Über den roten Teppich zogen die Gilden und Stände des deutschen Kulturbetriebs und der Politik in das Theater ein", heißt es, "wie bei einem mittelalterlichen Volksfest waren sie alle an ihrer Kleiderordnung leicht zu erkennen."
Erst sprach dann Bundestagspräsident Norbert Lammert, dann Ministerpräsident Reiner Haseloff, wie gewohnt "in einfachen, aber ernsthaften Worten". Später rühmte der Dichter Durs Grünbein die Lyrik und trug "eigene Gedichte" (Mangold) vor, ehe man gemeinsam zur tat schritt und zur Feier des ehrenvollen Tages Fußball guckte: Vier zu zwei für Deutschland gegen die Griechen!
Ein "vergnüglicher Tag in Halle", alles in allem, der mit dem Abtransport der Ehrengäste in Bus-Shuttles zurück nach Berlin endete. Neue Liebe hin, Liebe her. Man übernachtet ja nicht gleich bei ihr.
Vorallem den Dichter Dursbein sollte man im Auge behalten. Der ist ein vielversprechender Kandidat, die Lücke, die der Tod des dichtenden Kaschuben hinterlassen wird, würdig auszufüllen. Als Mahner und Erinnerer hat er schon einiges vorgelegt. Bestens vernetzt ist er auch. Und was er zum Festakt abgelassen hat, nannte sich "poetische Intervention". Damit ist er schon einen Schritt weiter, als der diesjährige Träger des Max-Zimmering-Ordens.
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