Sonntag, 29. Juli 2012

Der Irrtum der Amputationsfeinde

Selbsterklärte Verteidiger des Kindeswohls wettern gegen die Amputation nachweisbar unwichtiger Körperteile. Dabei ist ihnen keine Übertreibung zu billig, kommentiert Lutz Beven exklusiv bei PPQ. Der Autor verteidigt die religiöse Praxis der Gemeinde der Skopzen, Mitgliedern ihrer Glaubensgemeinschaft Körperteile zu amputieren. Dies sei sehr sinnvoll und überhaupt nicht schmerzhaft. Lutz Beven bezieht endlich einmal deutlich Stellung gegen Weicheier, Selbstbestimmungstaliban und Vollfingerfanatiker. Wir freuen uns deshalb besonders, dass er uns den mutigen Text zur Verfügung gestellt hat.

Historisch gebe es eine große Tradition der Verstümmelung: Selbstbeschädigungen kamen, besonders im Mittelalter und Altertum, zahlreich aus religiösen Motiven vor, um ein Opfer zu bringen. Aber auch Amputationen von Fingern und Fingergliedern als Ausdruck von Trauer sind nach einer Studie der Uni Münster aus verschiedenen Kulturkreisen bekannt.

Wie gut, dass das Kölner Landgericht die nicht medizinisch indizierte Amputation als "Körperverletzung" eingestuft hat. Seitdem können alle, denen religiöse Rituale aller Art schon immer ein Gräuel waren, insbesondere bei Andersgläubigen, ihren Ressentiments freie Bahn lassen – unter dem Deckmantel des Säkularismus und des Gesundheitsschutzes.

Die Kritik bezieht sich neuerdings auch auf die vom Bundestag beschlossene Resolution zu dem Kölner Urteil. Darin haben alle Fraktionen, bis auf die Linke und ein Teil der Grünen sowie einige SPD-Abgeordnete, ihre Absicht erklärt, Amputationen aus aus religiösen Gründen durch ein Gesetz möglichst noch im Herbst straffrei zu stellen. Zumindest sofern diese von einem Arzt fachgerecht und ohne unnötige Schmerzen für die zu Amputierenden vorgenommen wird.

Denn die Empörung und Verunsicherung in Deutschland über das Verdikt der Richter aus Köln ist verständlicherweise groß. Schließlich hatte es hierzulande noch nie ein vergleichbares Urteil gegeben, das die Jahrtausende alte Praxis von Gläubigen in Frage stellt, Säuglingen als Zeichen des ewigen Bundes mit Gott einen der kleinen Finger entfernen zu lassen. Nun sehen sie sich als potenziell Kriminelle an den Pranger gestellt. Angeblich sei die körperliche Unversehrtheit der Kinder dadurch verletzt, auch sei ein Mensch mit nur neun Fingern (Foto links oben) in seiner Entfaltung gehindert.

Dabei gibt es natürlich genügend wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass die Amputation eines kleinen Fingers überhaupt nicht stört, wenn sie gut und fachgerecht gemacht ist. Selbst Klavierspielen können die so mit Gott Vermählten weiterhin ungehindert, so lange sie sich nicht an Liszt versuchen, der bekanntlich elf Finger hatte.

Doch auch nach der Willensbekundung des Bundestages und vieler Politiker geben die selbsterklärten Verteidiger des Kindeswohls nicht auf. Manche dieser Verteidiger halten es schon für einen "unglaublichen Vorgang", in der Abwägung zwischen dem Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und der Religionsfreiheit sowie dem Erziehungsrecht der Eltern letzteren den Vorrang zu geben. Dabei nehmen eine solche Abwägung gleichrangiger, gleichwertiger Grundrechte fast täglich deutsche Gerichte und erst recht das Bundesverfassungsgericht vor. Das wird am Ende, wie es aussieht, auch diese Frage entscheiden und zwar natürlich im Sinne der mittelbaren Rechte der Eltern, die allein schon wegen deren Wahlrecht höherrangiger sind als die unmittelbaren Rechte des Kindes, das kein Wahlrecht hat.

Erst recht schief wird es, wenn Kommentatoren dann auch noch die Abnahme eines kleinen Fingers mit der Amputation ganzer Finger bei den Gangsterbanden der Yakuza oder auch "bōryokudanin" in Japan vergleichen. Wie diesen werde Kindern in Deutschland, argumentieren die Amputationsfeinde plump, keine schwere Verletzung zugefügt, die sie traumatisiere und zu Verwachsungen, dem Verlust der Fähigkeit, ein Instrument zu spielen, oder gar zum Tod führen könne, mindestens aber zu Problemen mit Winterhandschuhen! Kein Schrecken ist hier schlimm genug, um ihn nicht in die Waagschale zu werfen.

Natürlich kann man über den Sinn althergebrachter religiöser Initiationsriten streiten und darüber, ob sie wehrlosen Kleinkindern heute noch zugemutet werde dürfen. Aber doch nicht hier, nicht heute, nicht auf diese Art und nicht mit der Folge, dass Maßnahmen wie religiös notwendige Amputationen nicht mehr durchgeführt werden dürfen! Dass eine von einem Arzt – nicht von einem Hinterhof-Beschneider – ausgeführte Amputation eines kleinen Finger zu gravierenden Folgeschäden führt, glaubt doch kein Mensch, es behauptet auch kaum ein Mediziner. Folglich sind die Folgeschäden winzig und so winzig sollte auch die Diskussion bleiben, die wir darüber führen!

5 Kommentare:

  1. Endlich hat jemand der kompetent ist etwas Wahres und Richtiges zu dieser elenden Debatte gesagt. Vielen Dank

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  2. Aber janz, jenau !- Ent-winzigt wird die Diskussion offensichtlich doch wieder mal von den üblichen rechts-reaktionären Kreisen, die ihren anti-aztekischen Honig auch aus den letzen Lappalien zu saugen versuchen.

    Zudem wissen wir ja heute, dank feministischer Aufklärung nach langer patriarchalischer Dunkelheit, welch eine Fehlkonstruktion der Mann und damit auch der männliche Körper ist. Um so erstaunlicher ist es da, dass gewisse Religionen in ihrer Weisheit dies schon vor Jahrtausenden antizipierten und mittels Korrektur-Amputationen wenigstens geringfügige Verbesserungen an den sonst heillos fehlkonzipierten Körpern erzielten. - Allein chauvinistische Ignoranz zum Einen Seite, und verbohrter Anti-Aztekismus zum Anderern verhindern, dass nicht nur diese Korrektur-Amputation nicht allgemein praktiziert, sondern auch noch gehässig geschmäht wird.

    Obo

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  3. Das petz' ich dem David Graumann, daß du das Licht der Völker verscheißerst, so! Ich petze nämlich gerne!
    - Hans Jagnow, Hausburgstraße 7 -

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  4. Mein Jott, da wird eine Vorhaut abgeschnippelt - in anderen Religionsgemeinschaften (Pöbelreligion) werden ganze Embryos abgetrieben und niemand regt sich auf.

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  5. Nun ja, ein Embryo dürfte sehr viel weniger Schmerzempfinden haben, als ein achttägiger Säugling.
    Bis zur achten Woche gar keins. Ab der 13. Woche (Fetus, nicht mehr Embryo)wird es schon prickelnder.
    Bis vor ein paar Jahren hat man noch Neugeborenen bei Bedarf am offenen Herzen herumgesäbelt und -genäht...

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