Donnerstag, 28. Juni 2012

Kamerad Karl, der Käfer

Auch für eine erfolggewohnte Partei wie die kurz vor dem erneuten Verbot stehende NPD war es kein einfaches Unterfangen, einen Kandidaten zu finden, der so genau wie Andreas Karl allen Klischees entspricht. Glatzköpfig, mit einem Haifischlächeln und Türsteherschultern, so sieht er aus, der Spitzenkandidat des deutschen Neonazismus für die Oberbürgermeisterwahl in Sachsen-Anhalts größter Stadt.

Karl, geboren im fremdstämmisch bevölkerten Glauchau, nicht im halleschen Stadtteil Glaucha, hat große Erfahrung in kommunalen Wahlkämpfen. Der mehrmalige Landesvorsitzende der NPD, die ihre Mitgliederzahl zuletzt explosiv von 240 auf 250 ausbauen konnte, kandidierte eigentlich stets für alle Ämter, die irgendwo zu besetzen waren. Er wollte Landrat des Burgenlandkreises werden, in den er nach einer zwischenzeitlichen Ausbildung zum Dachdeckergesellen in zurückemigriert war, dann bewarb er sich um das Bürgermeisteramt in Laucha, bei der Bundestagswahl 2005 holte er 4,7 Prozent der Erststimmen und bei der letzten Wahl zum Oberbürgermeister in Halle/Saale langte es für 1,74 Prozent.

Entsprechend siegessicher geht der offenbar gerade wieder als NPD-Landeschef amtierende ehemalige Bundeswehrfunker die neue Kür an. „Halle – die Stadt / Karl – der Käfer“ plakatiert der 49–Jährige Verfechter des Volksfrontgedankens, der sich selbst als „Bürger des Deutschen Reiches“ versteht, das nie untergegangen, sondern nur fremdverwaltet werde. Obwohl Andreas Karl damit der Jurisdiktion der unzähligen Kommissarischen Reichsregierungen untersteht, die landauf, landab auf den Moment warten, an dem Barbarossa aus dem Berg steigt, um sich einen neuen Bartschnitt zuzulegen, würde Karl den Posten annehmen, um mit einem „Klima aus Vorteilsnahme, Vetternwirtschaft und Volksbetrug“ (Karl) aufzuräumen. Klimawandel auf dem Wahlzettel! An die Stelle des „korrupten Filzes“ (Karl) träte nach Karls Wahlsieg dessen eigene „mafiös verflochtene Clique“.

Zur Konkurrenz in PPQs kulturkritischer Reihe "Wahl als Qual"

5 Kommentare:

  1. Dachdecker? Schon einmal gelang einem Dachdecker aus dem Ausland (Neunkirchen) in Deutschland eine große Karriere. Man kann der NPD vieles vorwerfen, jedoch nicht, nichts aus der Geschichte gelernt zu haben und vor keiner historischen Parallele zurückzuschrecken.

    Erfrischend, wie es dem Kandidaten gelingt, von seinem Kampf um das Rathaus abzulenken ("Meine Botschaft: In wenigen Tagen wird in Halle ein neuer Oberbürgermeister gewählt"), und dazu ernährungsreformerisch tätig werden ("sprießen fast täglich und überall neue Dönerbuden wie Giftpilze aus dem Boden und gefährden die Gesundheit die [sic!] Bürger") oder die große Weltpolitik ("den US-Terror zu fernen Völkern zu tragen") nicht vergessen zu drohen.

    Den gebildeten ppq-Leser muß ich sicherlich nicht erst auf die bilderbuchhafte Assoziation der Begrifflichkeit "Der Giftpilz" hinweisen. Die wird im Verbotsverfahren Verwendung finden.

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  2. NPD Politiker steigen anderen Leuten halt gerne aufs Dach. Siehe Lutz Battke.

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  3. Gesucht, gefunden, vernichtet: Verfassungsschutz soll NSU-Akten beseitigt haben

    Die schützen ihre IMs besser als das MfS.

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  4. Die Zeiten sind hart -
    für einen Käfer mit Bart!

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  5. Ob "Der Giftpilz" noch antiquarisch zu haben ist? So als Geburtstags- oder auch Purimgeschenk für Bernd Knoblauch... den Sohn der flotten Lotte...

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