Mittwoch, 27. Juni 2012

Euro-Zone: Vorn ist die Vertiefung

Er setzte einst "im Interesse der Finanzgroßwirtschaft die gefährlich falsche Deregulierung der Finanzmärkte durch" (Die Zeit), überlebte das Ende der großen Koalition, indem er seinen Minister wechselte, und bestimmt heute als EZB-Direktor über Freud und Leid des krisengeschüttelten Kontinents.

Jörg Asmussen weiß aber auch: In der Stunde der Not, wenn einmal mehr das Ende droht und kein Silberstreif am Horizont mehr Hoffnungszeichen sendet, sind schnelle und entschlossene Interviews Voraussetzung für Ruhe an der Heimatfront, gerade nachdem böswillige Ratingagenturen zwei Dutzend spanischer Banken, denen es in Wirklichkeit prima geht, böswillig herabgestuft haben. Asmussen hat dem Focus eine Audienz gewährt, PPQ hat durch die Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech übersetzen lassen, was der Finanzmarktspezialist dabei wirklich gesagt hat, wo er nach der Lesart des Münchner Blattes "deutschen Sparern Ängste nehmen und die fehlenden politischen Perspektiven für den Euro" anprangern will. Hanwechs Übersetzung ist ein beeindruckendes Dokument: Zum ersten Mal spricht ein Insider der große Krise Klartext.


Frage: Angeblich werden in einer britischen Druckerei bereits Drachmen für den Fall gedruckt, dass Griechenland den Euro verlässt. Die Vorbereitung auf den Ernstfall?

Jörg Asmussen: Ich habe diese Gerüchte natürlich auch gehört, die gibt es ja seit zwei Jahren. Mal ist es diese Druckerei, mal jene, mal wird schon die "Neue Markt" gedruckt, mal der Nordeuro. Ich kann dazu wirklich nichts sagen, denn wenn es wahr wäre, würde die Vorbeugungsmaßnahme verpuffen, sobald ich sie bestätige. Und wenn es gelogen ist, glaubt mir ja keiner.

Frage: Aber wie soll denn Vorsorge getroffen werden für den Fall der Fälle?

Asmussen: Zum Beispiel gebe ich Ihnen jetzt hier dieses beruhigende Interview. Viel mehr können wir in einer solchen Situation nicht machen als einfach Zuversicht ausstrahlen und immer wieder sagen: Es ist meine und die Präferenz der EZB, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt. Das Problem ist ja, dass wir alle total blamiert wären, wenn das nicht so kommt.


Frage: Hat die Troika aus EZB, Kommission und IWF denn einen Plan B für Griechenland?

Asmussen: Wenn wir öffentlich über Plan B, C und D spekulieren, geht Plan A kaputt. Wir wollen, dass Plan A funktioniert. Also: Nein, wir haben keinen Plan B und wenn wir einen hätten, dann dürften wir nicht darüber sprechen, weil Plan B nur schweigend funktioniert. Wir nennen ihn deshalb auch "Kartäuser-Plan", nicht "Plan B", wegen der Mönche, wissen Sie? Die mit dem Schweigegelübbte.

Frage: Die Mehrheit der Deutschen ist für einen Ausstieg Athens aus dem Euro. Machen sich die Befürworter da falsche Vorstellungen über die Konsequenzen?

Asmussen: Ach, die Leute reden. Die Leute waren mehrheitlich auch für Hitler. Darauf darf man als Angehöriger der europäischen Führungselite nichts geben. Viele Leute waren ja gar nicht in die Einführung unseres neuen Europa involviert, klar, dass die jetzt sagen: Das haben wir nie gewollt. Dann redet man eben leichtfertig darüber, was es für uns alle bedeutet, wenn ein Land eine Währungsunion verlässt. Aber ich sage Ihnen: Geldumtausch. Neue Preisschilder. Blinde müssten wieder neu lernen, mit den Banknoten umzugehen. Wer kann das wollen?

Frage: Die spanischen Banken sollen Hilfen bis zu 100 Milliarden Euro erhalten, aber die Zinsen für spanische Staatsanleihen sind dennoch wieder stark gestiegen. Ist der Effekt der Hilfe verpufft?

Asmussen: Es ist wahr, manchmal bin ich auch erschrocken, wie wenig wir mit unseren dauernden Ankündigungen in den letzten beiden Jahren erreicht haben. Aber noch habe ich die Ausrede, dass ich sagen kann, Spanien hat noch keinen konkreten Antrag hat, weil noch nicht im Detail bekannt ist, wie hoch der Mittelbedarf für den Bankensektor exakt sein wird.


FOCUS: Darauf reagieren die Märkte...

Asmussen: Natürlich, die riechen den Braten. Alles könnte noch viel schlimmer sein als alle glauben. Und wenn Spanien fällt, dann weiß ich nicht, ob wir das beherrschen. Als Folge steigen die Zinsen, weil Investoren mehr Geld als Bezahlung dafür haben wollen, dass sie dem unsicheren Schuldner etwas leihen. Erst ein glaubwürdiges Sanierungsprogramm wird wieder einen positiven Effekt auf den Märkten haben, doch woher nehmen und nicht stehlen? So lange Gläubiger annehmen konnten, Deutschland werde am Ende für alle zahlen, sanken die Zinsen. Aber nun setzt sich der Gedanke durch, dass Deutschland das wohl nicht leisten kann. Dadurch gehen die Renditespreads immer weiter auseinander.

Frage: Die EU denkt jetzt über eine Bankenunion nach. Ist das nicht in Wahrheit eine trickreiche Umgehung der EU-Verträge?

Asmussen: Darauf antworte ich Ihnen gar nicht. Wir müssen uns entscheiden, ob uns die gemeinsame Währung wichtiger ist oder das, was man früher Demokratie nannte. Man kann nicht beides haben. Ich glaube, dass der Weg zu mehr Europa in der Summe mehr Wohlstand bringt, als einen Schritt zurückzugehen. Wozu also noch Demokratie? Wenn wir wollen, dass jemand zehnjährige europäische Staatsanleihen kauft, dann müssen wir auch erklären, wo Europa in zehn Jahren steht.

Frage: Soll man die Währungsunion vertiefen?

Asmussen: Es gibt kein Zurück. Wir stecken mittlerweile so tief im gemeinsamen Sumpf, dass es für uns Eliten nur noch einen Weg gibt: Nach vorn, zur weiterer Vertiefung. Da gibt es drei große Bereiche: Erstens eine Fiskalunion, zweitens eine Finanzmarktunion und dann drittens eine politische Union. Die muss demokratisch legitimiert sein, auch wenn sie nach Schritt eins und zwei gar nicht mehr zu verhindern sein wird. Ich denke mir, wir werden in den Ländern, in denen Volksabstimmungen leider unumgänglich sind, wieder so lange abstimmen lassen, bis es passt.

Frage: Das heißt, eine Bankenunion ist ohne Änderung der EU-Verträge möglich?

Asmussen: Ja, wenn wir mit der Finanzmarktunion anfangen, sehe ich die Notwendigkeit einer Änderung der EU-Verträge nicht, so lange wir trickreich genug um die EU-Verträge lavieren. Und wenn wir sie dann haben, lässt sich die Uhr nicht zurücktreten.

Frage: Wer soll in einen solchen EU-weiten Fonds zur Einlagensicherung einzahlen?

Asmussen: Er bezieht sich auf die Länder der Euro-Zone. Die Banken sollen, wie wir das auch national kennen, entsprechend ihrer Größe einzahlen.

Frage: Spanische und irische Banken haben doch das Geld gar nicht dafür?

Asmussen: Spanische Banken zahlen ja auch in nationale Einlagensicherungssysteme ein. Das wäre ja ein grenzüberschreitender Ersatz in ganz Europa, der nicht besser ist, aber viel größer. Damit hätten wir eine europäische Auffanglösung, die uns die Möglichkeit gibt, von da aus einen schritt nach vorn zu machen zu einer politischen Union.

Frage: Führt eine Bankenunion nicht dazu, dass letztlich deutsche Sparer für marode südeuropäische Bankhäuser haften?

Asmussen: Selbstverständlich. Überdies werden es Banken in Staatsbesitz sein, die da zahlen, denn inzwischen konnten wir ja alle großen deutschen Geldhäuser von der Deutschen Bank abgesehen verstaatlichen. Letztlich zahlt also der Steuerzahler. Es trifft also keinen Armen. Deshalb muss sich der Sparer in Deutschland auch keine Sorgen über die Sicherheit seines Geldes machen. Im Gegenteil.

Frage: Die Mehrheit der Deutschen fürchten dennoch um ihre Spareinlagen. Was tun Sie als Zentralbanker dagegen?

Asmussen: Die EZB hat eine wichtige, aber auch begrenzte Rolle. Wir sichern Preisstabilität im Euro-Raum. Das ist wichtig für alle Sparer: Ihr Geld ist sicher vor Inflation. Und wir tragen zur Finanzmarktstabilität bei, wie man an der Entwicklung der Aktienkurse, aber auch der Devisenkurse sehen kann.

Frage: Geht es in Europa nicht nur noch ums Geld?

Asmussen: Es ist schon bedauerlich, wenn wir in Europa immer nur fragen, was kostet uns das. Dabei ist es doch schön, auch mal zu sagen: Das leiste ich mir! Wir können doch alle nichts mitnehmen. Dabei wird manchmal auch vorschnell gerechnet, und manche tun so, als sei Geld, das für Kredite oder Garantien zur Verfügung gestellt wurde, schon verloren. Das ist falsch. Das kommt erst noch! Schon jetzt ist Deutschland der größte Profiteur des Binnenmarkts und des Euro. 40 Prozent unseres Handels gehen in die Euro-Zone, das ist fast soviel wie in der Zeit, als wir noch die D-Mark hatten. Aber ich sage immer: Manchmal sieht es so aus, als sei uns im Verlauf der Krise eine Zukunftsvision für Europa verloren gegangen, die viele nie hatten. Außer dem Erhalt des Euro haben wir eigentlich kein Ziel, oder? Dabei ist es andersherum: Erst seit die Krise tobt, gelingt es uns, ein neues Europa von oben zu gestalten

4 Kommentare:

  1. Sch... Planwirtschaft.

    Ist absolut alternativlos.

    Jetzt geht eben der Westen auch daran zugrunde.

    Ätsch.

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  2. Cool. Das ist mal wieder Meisterklasse.

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  3. Ich finde es doof, wenn die die Interviews nicht wortgetreu wiedergeben ...

    Ansonsten macht es einen Riesenspaß, das parallel zu lesen. "Darauf antworte ich Ihnen gar nicht." - Herrlich.

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  4. das ist schon wörtlich beim fuckus, aber die haben eben nicht diese gebärdendolmetscherin. erst die liest raus, was der wirklich sagen will. ich frage mich nur, wenn sie jetzt karriere macht (wir haben schon vier anfragen großer medien um eine kontaktvermittlung) - was sagen die asmussens dann? nehmen sie gebärdenunterricht? treten sie hinter vorhängen auf? werden sie burka tragen?

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