Mittwoch, 28. März 2012

Armes Deutschland

So schlimm war es noch nie! Deutschland, von seinem Wesen her stets am stärksten betroffen von Hurrikans, Atomlecks und Kriegsangst, leidet auch unter Armut und Einkommensungleichheit mehr als alle seine Nachbarn. Wie das Statistische Bundesamt rückblickend auf das Jahr 2009 mitteilte, war damals etwa jeder sechste Einwohner der Bundesrepublik arm oder doch wenigstens armutsgefährdet. Das ist nach der EU-Definition, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung eines Landes verfügt.

In Deutschland liegt diese Grenze bei einem Jahreseinkommen von 11 278 Euro – wer weniger hat, ist arm dran, ärmer jedenfalls als ein Rumäne, der über mehr als die 1222 Euro pro Jahr verfügt, die in die Armutsgrenze bilden. „Unseren Nachbarn geht es besser“, freut sich die „Welt“ über die guten Nachrichten aus der Vergangenheit. Bis auf Polen, wo vor drei Jahren 17,6 Prozent aller von Armut bedroht waren, ging es allen deutschen Nachbarn besser: Wohlstandskönige sind danach die Tschechen, bei denen nur neun Prozent aller Einwohner statistisch gesehen arm sind.

Völlig unberücksichtig bleibt dabei wegen der besseren Übersichtlichkeit, dass statistisch gesehen reiche Tschechen mit einem Bruchteil der 940 Euro, die in Deutschland die Armutsgrenze bilden, nahezu dieselben Preise zahlen wie ihre deutschen Nachbarn. Viel empörender laut staatlicher Nachrichtenagentur dpa: „Das Einkommen des oberen Fünftels der Bevölkerung in Deutschland ist 4,5 Mal so hoch wie das des unteren Fünftels.“ Allein dadurch, dass Zahnärzte und Manager teilweise zehn- bis 211-mal soviel verdienen wie ein normaler Facharbeiter rutscht letzterer schon in die Randbereiche der gefühlten Armut ab.

Ganz anders als in Ungarn und Slowenien, wo zwar niemand so viel verdient wie die Deutschen, aber eben auch kaum jemand mehr als der andere. Weshalb trotz beinahe deutscher Einzelhandelspreise beinahe alle sehr wohlhabend sind.

Armut im Archiv: Ohne geht es nicht

6 Kommentare:

  1. Deswegen gibt es ja auch immer sozial gerechte Umverteilungsaktionen, mit denen sich unsere ärmeren Nachbarn die Armut aufbessern.

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  2. "Völlig unberücksichtig bleibt dabei wegen der besseren Übersichtlichkeit, dass statistisch gesehen reiche Tschechen mit einem Bruchteil der 940 Euro, die in Deutschland die Armutsgrenze bilden, nahezu dieselben Preise zahlen wie ihre deutschen Nachbarn. Viel empörender laut staatlicher Nachrichtenagentur dpa: „Das Einkommen des oberen Fünftels der Bevölkerung in Deutschland ist 4,5 Mal so hoch wie das des unteren Fünftels.“ Allein dadurch, dass Zahnärzte und Manager teilweise zehn- bis 211-mal soviel verdienen wie ein normaler Facharbeiter rutscht letzterer schon in die Randbereiche der gefühlten Armut ab."

    Richtig. So kommt die statistische Armut zustande.

    Aber sollten uns diese Zahlen nicht einiges aussagen über die inzwischen vorhandene Verteilung der Vermögen und deren ökonomische Relevanz, wobei nicht Armut, Elend und Zähneklappern, sondern Dinge wie die volkwirtschaftliche Gesamtrechnung sowie Handels- und Leistungsbilanzen gemeint sind?

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  3. @Karl Marx

    Durchaus. Aber es ist Humbug zu meinen, dass es den Leuten in Polen oder Tschechien besser geht als denen in Deutschland. Könnte man auch Zynismus nennen. Und Täuschung um die eigenen politischen Ziele besser an den Mann zu bringen.

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  4. Die Statik lügt nicht.

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  5. "Aber es ist Humbug zu meinen, dass es den Leuten in Polen oder Tschechien besser geht als denen in Deutschland. Könnte man auch Zynismus nennen. Und Täuschung um die eigenen politischen Ziele besser an den Mann zu bringen."

    Das bleibt natürlich der Tatbestand. Politische Propaganda unter willkürlicher Verwendung statistischer Daten, ohne sie in den entsprechenden Kontext zu stellen. Bleibt aber dann bei entsprechend häufiger Wiederholung irgendwann im Unterbewußtsein hängen.

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  6. "Gefühlte Armut" - mein Vorschlag für das Unwort des Jahres. Klingt wie geradewegs aus dem globalen Zentrum der "sozialen Kälte", dem in Agonie befindlichen FDP-Bundesparteivorstand, entwichen.

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