Donnerstag, 18. August 2011

Regierung wählt sich neue Regierung

Die Not ist groß, der Unmut heftig, die Krise will und will nicht weichen, obwohl die Machtausübenden sie seit mehr als einem Jahr für beendet erklärt haben. Was tun?, fragten sich Angela Merkel und Nikolas Sarkozy. Nun, wenn die Regierung sich schon kein neues Volk wählen kann, warum dann nicht wenigstens eine neue Regierung?

Eine Wirtschaftsregierung wenigstens, wie sie Osteuropa vierzig Jahre lang so erfolgreich ertrug. Unter dem Dach des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, trotz des Namens in drei Großbuchstaben RGW abgekürzt, plante, leitete und beaufsichtigte die wirtschaftliche Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen den sozialistischen Staaten. Ziel war es, allmähliche Angleichung der sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Bedingungen zu erreichen. Wer etwas besonders gut konnte, sollte sich darauf spezialisieren. Dafür würde er es sich ersparen, sich mit Dingen herumzuschlagen, die andere ohnehin besser machten. Omnibusse stellte deshalb Ungarn her, Flugzeuge lieferte die UdSSR ebenso wie Öl, Polen machte Stahl, Fischverarbeitungsschiffe baute die DDR, die auch LKWs konnte, dafür aber Diesellokomotiven aus Rumänien importieren musste.

Leider belieferten die RGW-Ländern sich trotz gemeinsamer Wirtschaftsregierung genauso beiläufig wie sie ihre gegenseitigen Schulden beglichen. Die Loks fuhren nicht, der Stahl kam nicht, das Öl blieb aus, daraufhin gab es nicht genügend Lkw, keine Omnibusse und so weiter.

In der DDR versuchten sie, die fehlenden Zulieferungen durch Importe aus dem Westen auszugleichen, um die eigegen Lieferungen an die Partner wie vereinbart leisten zu können. "Der Passivsaldo Ende 1960 mit dem kapitalistischen Weltmarkt betrug etwa 550 Mio DM", klagte Walter Ulbricht schon 1961. Gleichzeitig hatte die DDR gegenüber einigen volksdemokratischen Ländern ja "einen bedeutenden Aktiv-Saldo, gegenüber Bulgarien z.B. von 150 Mio Valuta-DM. Auch gegenüber der CSSR und Ungarn bestehen gewisse Aktiv-Salden."(Ulbricht)

Der nütze aber nichts, weil die Bruderländer nicht zahlten. Letztlich lief das gemeinsame Wirtschaften also darauf hinaus, dass die gegenseitige Wirtschaftshilfe die wirtschaftlich stärkeren Länder wie die Sowjetunion, die DDR, die Tschechoslowakei und Ungarn verpflichtete, die schwächeren wie Bulgarien, Rumänien, Kuba, Mongolei und Vietnam durchzuschleppen, eng gecoacht von der damals "Ratstagung" genannten Wirtschaftsregierung, in der Delegierte aller Mitgliedsländern einmal pro Jahr zusammenkamen, um zu beschließen, wie die gemeinsame Wirtschaft noch besser bewirtschaftet werden könnte.

Die Geschichte des RGW endet dennoch im Jahr 1991, als alle Mitglieder ausgetreten waren. Erst zwanzig Jahre später kommt es nun aufgrund der Initiative von Angela Merkel, die ihre Jugend in einem RGW-Land verbrachte, und Nikolas Sarkozy, der sich viel davon verspricht, zu einer Wiederauflage der Wirtschaftsregierung, die diesmal allerdings - ein riesengroßer Unterschied - zweimal jährlich tagen und - auch das unterscheidet den neuen RGW vom alten - nicht in Moskau, sondern in Brüssel regieren soll.
EF zu noch mehr Kommissare für die EUdSSR

3 Kommentare:

  1. RGW passt: Rat für gegenseitige Währungshilfe !

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  2. Ich frag mich immer, wieso der Staat bei dem Handel mit anderen Ländern beteiligt ist!? Wo doch aufgedröselt das Ganze die Summe von vielen privatwirtschaftlichen Verträgen und Güteraustausch ist, oder wie läuft das?

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  3. Ratlosigkeit gegenüber Währungsabstürzen (RGW). Daß sich die Regierung eine Regierung wählt, auf welche dann die Verantwortung für den Währungsschwindel geschoben werden kann, ist hilfreich und alternativlos.

    Ob dennoch dem märkischen Mauerblümchen das gleiche Schicksal wie der ukrainischen Gartenrose blühen wird?

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