Sie schwören darauf. Aber sie pfeifen auch drauf. Die politische Klasse in Deutschland, nach eigener Einschätzung berufen, das Land zu leiten, zu führen und seinen Menschen mit Ver- und Geboten jeden Tag ein bisschen deutlicher klarzumachen, wie sie korrekt zu leben haben, bekam vor drei Jahren vom Bundesverfassungsgericht den Auftrag, bundesdeutsche Wahlrecht bis 2011 verfassungskonform zu gestalten. Die bisherige Praxis der Vergabe von Überhangmandaten, die teilweise dazu führte, dass Partein mehr Mandate dadurch erhielten, dass weniger Zweitstimmen bekommen hatten, sei grundgesetzwidrig. Eine Neufassung müsse bis spätestens zum 30. Juni 2011.
Drei Jahre, vorüber wie ein Traum. Inzwischen haben die Regierungsparteien mitgeteilt, dass sie den Termin nicht halten wollen. Oder wie es der "Focus" das klitzekleine Verfassungsversäumnis freundlich entschuldigt: "Bundestag versäumt Frist für Wahlrechts-Reform".
Das klingt, als habe da wer den Bus verpasst, sei von einer höheren Macht gehindert oder von böswilligen Menschen abgehalten worden. Dabei handelt es sich einmal mehr um einen Fall von offenem Verfassungsbruch, selbstbewusst durchgeführt in der Gewissheit, dass keine Institution, kein Volk, ja nicht einmal die Medien dem Vorgang mehr Aufmerksamkeit widmen werden als einem in Ruanda grassierenden Darmkeim. Das sei kein "Ruhmesblatt" für die Koalition, dass man die Vorgabe aus Karlsruhe wegen der schwierigen Materie nun nicht erfülle, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Strobl in der Welt, aber es liege eben "an der komplizierten Materie".
Die nahe zurückliegende Vergangenheit lehrt, dass die meisten Verfassungsbrüche und -verstöße hierzulande im Namen und angeblichen Auftrag der Wähler geschehen sind, durchgeführt von Volksvertretern und Verfassungsinstitutionen, die auf das Grundgesetz geschworen haben, bei der Umsetzung ihres Versprechens, die Verfassung zu verteidigen, aber immer nur bis zu dem Punkt kommen, wo sie ihnen hinderlich erscheint und also ausgehebelt wird.
Ginge es nach den Fakten, müssten sämtliche Regierungsparteien der letzten zehn Jahre wegen erwiesener verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten werden - inklusive der derzeitigen Opposition, die wegen der Wahlrechtsreform von einer "unglaublichen Respektlosigkeit" gegenüber Karlsruhe spricht und den Vorgang eine "groben Missachtung" der Rechtsprechung nennt. Die SPD hatte sich einst selbst von den Verfassungsrichtern bescheinigen lassen müssen, dass das von der Regierung Schröder erlassene Verbot von Studiengebühren verfassungswidrig war. Später hatte das höchste deutsche Gericht die Abschaffung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt, die Hartz4-Sätze als verfassungswidrig gekippt, die Übertragung von immer mehr Entscheidungsbefugnissen an die EU gestoppt und die zwangsweise Vorratsdatenspeicherung aufgehoben.
Doch sie versuchen es wieder. Und immer wieder. Und kein Aufschrei geht durchs Land, kein Proteststurm bricht los, es ist alles wie immer. Im Schatten von Ehec, Fukushima und Kachelmann kann die politische Klasse ungestört weitermachen mit dem Abbau von Grundrechten durch die Aushöhlung per Gesetz oder Umformulierung des Grundgesetzes selbst. Aus 11000 Worten, aus denen das Grundgesetz ursprünglich bestand, wurden im Zuge von bisher 57 Änderungsgesetzen, die 114 Artikel 209 mal änderten, mehr als 21000 Worte. So viel Arbeit für die Parlamentarier. Da bleibt kaum Zeit sich zu wundern, dass niemand mehr diesen Staat und seine Institutionen ernst nehmen möchte.
Gravierendes Thema. Demokratie und so. Auf jeden Fall sind die Gänsefüßchen auf dem abgebildeten Schild eine typographische Katastrophe!
AntwortenLöschenUnd jede Zeile mit Großbuchstaben beginnen zu lassen, scheint auch mal eine Seuche gewesen zu sein.
AntwortenLöschenOder immer noch. Ich erinnere mich gerade an eine Aufforderung auf einer Toilettentür, seine Spuren doch bitte selbst zu beseitigen:
Keinerlei Satzzeichen, dafür jede Zeile mit Großbuchstaben begonnen.
Innerhalb von drei Jahren das Wahlgesetz ändern, das geht gar nicht, wegen "der komplizierten Materie".
AntwortenLöschenAber ein Programm für Zerstörung (das klappt bestimmt) und vollständigem Neuaufbau (das klappt garantiert nicht) der energetischen Grundlagen des Landes – das kriegen die in einem Monat hin.
ein monat? soweit ich hgesehen habe, brauchten die dazu nicht mal einen tag! der ethikrat hat seinen bericht heute vormittag abgegeben, heute nachmittag war dann der fahrplan soweit, dass er öffentlich verkündet werden konnte. superleistung
AntwortenLöschenUnd warum kann sie das? Die politische Klasse. Weil sie demokratisch legitimiert ist, so demokratisch wie damals das Politbüro der SED oder heute dieser Terrorfürst Gadaffi.
AntwortenLöschenBald werden die Wahlen in ganz Deutschland wie in Bremen ausgezählt. Das bringt Planungssicherheit.
AntwortenLöschenDer Ethiksowjet ist nur ein Feigenblatt der Ökolobby gewesen. Es wird Zeit, daß in Deutschland die Sowjets wahre Macht erlangen.
Vorwärts und nicht vergessen!
In die Ökodiktatur! (oder wie das Lied ging)