Dienstag, 17. Mai 2011

Epochal geht anders

Eine neue Maßeinheit macht Furore. Seit das An-Institut für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung in Halle an der Saale im März hier bei PPQ exklusiv seine neue Studie zum grassierenden Themensterben in der deutschen Medienlandschaft vorstellte, hat die Idee einer einheitlichen Messgröße für die vielbeschworene Nachhaltigkeit von Aufregung im öffentlichen Raum zahlreiche Freunde und Unterstützer gewonnen: Das Emp als Messgröße überzeugte. Bei Heise schlägt jetzt Florian Rötzer in die Kerbe, der die Tötung des Terrorfürsten Bin Laden in Pakistan auf die elektronische Emp-Waage legt und das "epochale Ereignis" (Rötzer) an seinen Wirkungen misst.

Mit erschütternden Ergebnissen. Obwohl der Tod des Terrorfürsten nach dem zweiten Grundgesetz der Mediendynamik theoretisch alle Chancen gehabt hätte, mehrere Emp auf der nach oben offenen Aufregungsskala zu erreichen, konstatiert Florian Rötzer nur einen kurzzeitigen Ausschlag. "Die Werte für Barack Obama schossen in die Höhe (Im Nebel des Antiterrorkampfes)", schreibt er, "aber schon zwei Wochen nach dem Spektakel scheint alles – so eine Gallup-Umfrage - verpufft zu sein und die Wirklichkeit den Präsidenten wieder eingeholt zu haben."

Ein frustrierendes Ergebnis für die Öffentlichkeitsarbeiter im Weißen Haus, aber auch ein verheerender Leistungsnachweis für die Transmissionsriemen in privaten und öffentlich-rechtlichen Medienhäusern. "Der Ausschlag war sogar geringer als der, den Bush noch durch die ebenfalls mächtig inszenierte Festnahme von Saddam Hussein erzielte", hat Rötzer herausgefunden. Damals sei die Popularität des verhassten Bush immerhin für sieben Wochen um 15 Punkte in die Höhe geschnellt, Obama dagegen habe gerade einmal 6 Prozent Zuwachs erzielen können – "und das auch nur für zwei Wochen."

Inzwischen ist Osama bei vielen im Publikum bereits wieder vergessen und die Popularität Obamas liegt wieder wie vor Osamas Tötung bei 46 Prozent. Das Allzeitereignis, das die höchsten Emp-Raten erreicht, da gleicht Rötzers Analyse der der Forscher vom Institut für Angewandte Entropie, bleibe damit der Terroranschlag von 9/11 anno 2001. Er hielt sich über Wochen und "katapultierte Bush um 35 Punkte nach oben – und das für lange Zeit, viel länger als Roosevelt nach Pearl Harbour".

Seitdem habe aber die mediale Aufmerksamkeit noch einmal in ihrer Selektivität beträchtlich zugelegt. Gleichzeitig habe die Erregbarkeit der Menschen zugenommen, aber auch ihre Vergesslichkeit. Ein unguter Mix, meint Rötzer: Politische Inszenierungen verfingen nicht mehr so leicht, vor allem aber könnten sie eine politische Strategie nicht mehr nachhaltig stützen.

2 Kommentare:

  1. "Das Emp als Messgröße überzeugte."

    Das Emp ist aus dem alltäglichen Leben kaum mehr wegzudenken. Das kann ich nur bestätigen.

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  2. Das EMP spielte hier doch keine Rolle, beim "Kill bin Laden" ging es um die Inszenierung eines Thrillers mit Wiedererkennungswert, Gruselfaktor, Liebesszene und Unterhaltung. Empörung geht anders.

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