Freitag, 18. März 2011

Atomnachrichten im Abklingbecken

Nichts wird mehr so sein, wie es war, hatte die ehemalige Klimakanzlerin Angela Merkel direkt nach dem ersten "Brennpunkt" in der ARD versprochen, als der Super-Gau in Fukushima gerade passiert war. Eine Woche lang mühten sich Fernsehsender und Radioanstalten, der ersten Physikerin in der Kanzlerwaschmaschine recht zu geben: Morgens bestrahlten Berichte über "verzweifelte Rettungsmaßnahmen" das Volk, mittags, während Japan längst schlief, fuhren Greenpeace-Experten vor, die aus 9000 Kilometern Entfernung der Rat gaben, gar nicht weiter zu versuchen, das Schlimmste abzuwenden. "Der Gau läuft, das wird schlimmer als Tschernobyl", hatten sie schon vor vielen Jahren herausgefunden. Abends gab es dann für die, die tagsüber auf der Jagd nach Jodtabletten gewesen waren, noch einen "Brennpunkt" obendrauf, nun mit kommentierten Kommentaren der Kommentare zu verwackelten Filmaufnahmen von weißen Dampfwolken.

So spitzte sich die Lage unablässig zu, ausgehend von dem Punkt, da nichts mehr zu retten war, die Strahlenwerte "unablässig" (dpa) stiegen und die Ticker bei "Spiegel", n-tv und Handelsblatt heiß liefen. Keine Rede war mehr von Libyen, von Ägypten, von Guttenberg, von Tunesien, von der Euro-Krise, von der Innenpolitik. Alles wartete gespannt auf den Moment, der das Ende der Zivilisation auf der Erde bedeuten würde, auf den Augenblick, in dem die menschliche Geschichte enden und strahlenresistente Käfer das Regiment übernehmen würde.

Der Augenblick ist noch nicht abgesagt, doch die Atomnachrichten liegen zweifellos im Abklingbecken. Nicht nur Entscheidung des Uno-Sicherheitsrates, Libyen wegen des Vorgehens von Muammar Gaddafi gegen Aufständische im eigenen Land demnächst anzugreifen, deutet den nächsten Aufmerksamkeitssprung an. Während beunruhigende Nachrichten des "Live-Ticker zur Katastrophe in Japan" (n-tv) mittlerweile schon lauten müssen "Japans Katastrophe verhindert milliardenschweren Börsengang", damit überhaupt noch ein bisschen Zug in die Geschichte kommt, markiert eine von der ARD direkt unter "Wettlauf gegen den Super-GAU - Stromleitung zu den ersten Reaktoren liegt" gemeldete "News" (Focus) die Wende: "Katie Price hat einen neuen", heißt es da (Rechtschreibung im Original).

Genau eine Woche, nachdem die ARD als erste stolz meldete, dass sie "von Kernschmelze ausgehe",, kehrt das große, abgesagte Gestern mit komischem Grinsen zurück. Es ist der Tag, an dem vielleicht schon der letzte "Brennpunkt" zu Japan ausgestrahlt werden wird. An dem ARD-Mann Robert Hetkämper, Erfinder der "bereits laufenden Kernschmelze" vom letzten Freitag, enthüllt, dass "Obdachlose, Gastarbeiter, Arbeitslose und sogar Minderjährige" gezwungen würden, die Welt vor dem Atomtod zu retten. Kinderarbeit gegen den Gau, an dem Tag, an dem die Leute ihre Jodtabletten aus der Küchenschublade in die Speisekammer legen. Dem Tag, an dem alles nichts mehr so ist, wie es war. Sondern wieder wie davor.

Der lange Abschied vom Atom

Zettel: Eine Tagesschau, 14 sachliche Fehler

Als nichts mehr zu retten war: Tag 2 der Katastrophe

18 Kommentare:

  1. Ich freue mich für die Japaner. Die haben echt Charakter gezeigt und wurden dafür belohnt. Sie können mit erhobenen Haupt aus der Katastrophe gehen. Die anderen sollten sich was schämen.

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  2. Politik ist oft leider ein Betätigungefeld der Wendehälse. Je nach Wahljahr ausgeprägter oder nicht.

    siehe auch meinen Kommentar dazu:
    "Kernenergie nutzen = Fliegen ohne Landebahn" http://swiss-lupe.blogspot.com/2011/03/atomkraft-nutzen-fliegen-ohne-landebahn.html

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  3. "Nicht nur Entscheidung des Uno-Sicherheitsrates, Libyen wegen des Vorgehens (...) demnächst anzugreifen, "

    Eigentlich heißt die derzeitige Erzählung: "Wie Westerwelle die Revolution der Guten eigenhändig verhindert hat".

    P.S. Es gibt Gerüchte, daß n-tv demnächst in *comedy federal* umbenannt wird.

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  4. In der FAZ steht hier:
    http://www.faz.net/s/RubB08CD9E6B08746679EDCF370F87A4512/Doc~E3C3F2F3178964159AC700871C7415730~ATpl~Ecommon~Scontent.html
    ein satirischer Beitrag über das gestrige "heute-journal" des ZDF.

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  5. Sorry, der Link war eben nicht vollständig:
    http://www.faz.net/s/RubB08CD9E6B08746679EDCF370F87A4512/Doc~E3C3F2F3178964159AC700871C7415730~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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  6. Wieder mit kopieren nicht geklappt (der Editor hier will offensichtlich keine langen Zeichenketten, deshalb nochmal der Versuch den Link stückweise zu kopieren):

    http://www.faz.net/s/RubB08CD9E6B08746679EDCF370F87A4512/Doc~E3C3F2F3178964159AC700871C7415730
    ~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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  7. der ging, aber ich habe ihn mal klickbar gemacht: FAZ zu "Der Moment, in dem man versteht"

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  8. habs jetzt gelesen. ein schirrmacher. was will er uns damit sagen?

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  9. das heute-journal von gestern Abend war auch für mich ein tiefer Einschnitt^^ lol

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  10. Bitte keine Tautologien.
    "ein Schirrmacher" reicht.

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  11. "Und bewiesen, dass es historische Momente gibt, in denen es politisch und gesellschaftlich zwingend ist zu sagen, dass man einen Fehler gemacht hat, und selbst ein Ende setzt, um den verhängnisvollen Kreislauf zu unterbrechen. Nicht irgendeinen Fehler, der sich mit Updates und Nachrüstung beheben ließe."

    Wenn Genosse Journalist das zum Thema "Masseneinwanderung" gesagt hätte, ...

    ... so bleibt nur der Odem der Heuchelei.

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  12. "Weil diese wenigen Sätze zeigten, dass, jenseits der materiellen und körperlichen Schäden, die Tragik eines solchen Unglücks darin liegt, dass die Logik eines ganzen gelebten Lebens plötzlich widerlegt werden kann."

    Na, DAS steht den deutschen Linken ja noch bevor.

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  13. @vakna

    Das hast du schön gesagt.

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  14. Gustaf FröhlichMärz 19, 2011

    ich glaube, daß es hier nicht nur um das Versagen nur einer Technolgie geht, sondern gleich mehrere Techniken incl. des gesunden Meneschenverstandes versagen..

    Die Omnipotenzfantasie der Qualitätsjournalisten hat nahezu schneller zu einem strukturellen Versagen geführt, wie das für das Atomkraftwerk jemals der Fall sein wird (wenn überhaupt)..

    BTW: Der SPON nennt seinen Teaser jetzt treffenderweise als "Breitwandaufmacher":
    http://www.spiegel.de/images/image-193845-breitwandaufmacher-llde.jpg

    mal abgesehen davon: die drei Typen auf dem Foto erinnern mich sehr stark an die Abrafaxe (sind die nicht auch durch die Geschichte gereist?)

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  15. Sind das die Guten oder die Bösen auf dem Breitbandaufmacher?

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  16. Gustaf FröhlichMärz 19, 2011

    natürlich die "Guten": http://www.helles-koepfchen.de/Bilder/Originale/Freizeit/Lesen_und_Vorlesen/abrafaxe.gif

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