Schwindeln, lügen, Fakten verbiegen, heute voller Inbrunst das Gegenteil von dem sagen, was man gestern noch behauptet hat - das Leben von Politikern ist wahrlich kein leichtes. Sich immer erinnern müssen, wen man wann womit belogen hat, ist das harte Los jedes Lügners, allerdings im Fall hauptberuflich Politikschaffender dadurch erleichtert, dass nicht nur sie selbst sich nicht erinnern, sondern ihnen auch von der ehemaligen vierten Gewalt keine dummen Fragen mehr gestellt werden.
Sachsen-Anhalts Finanzminister Jens Bullerjahn, ein ehemaliger Volksmarinemaat, der sich selbst heute bescheiden als "Minensuchermatrose" bezeichnet, kommt so seit Jahren mit der Nummer durch, für das jeweils übernächste Jahr einen "Haushalt ohne neue Schulden" zu versprechen. Schon als SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2005 forderte er erstmals sofort Schluss zu machen mit der Schuldenmacherei. Keine neuen Schulden ab 2010 und eine Reduzierung des Landeshaushalts von derzeit rund 10 auf 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 waren stolze Eckpunkte seines Programms.
Dann wurde der Motörhead-Fan aus dem Mansfeld Chef des Finanzministeriums des Landes Sachsen-Anhalt und konkret: 2006 würde er nochmal 783 Millionen Euro Schulden aufnehmen, 2010 aber schon nicht nur ohne neue Schulden auskommen, sondern sogar 100 Millionen Euro Altschulden tilgen.
2008 änderte sich der Plan allerdings ein bisschen. Es fehlte Geld, jede Menge Geld sogar. Jens Bullerjahn verschob das mit der Tilgung erstmal auf 2012. Ein Jahr später schließlich mussten dann "alle Planungen komplett überarbeitet werden", wie Bullerjahn mitteilte. Das Haushaltsdefizit in dem Jahr, in dem mit der Schuldenmacherei endlich Schluss sein sollte, betrug stolze 662 Millionen Euro. Man plane, so die Landesregierung, für 2011 noch ein letztes Mal mit 534 Millionen neuen Schulden. Aber "ab dem Jahr 2012" werde, so Bullerjahn Ende April 2010, dann schon die "vorzeitige Schuldenbremse" gelten.
Man darf sich darauf verlassen, dass es so oder wieder ganz anders kommen wird, denn in den Zahlen ist auf jeden Fall noch Luft. Wie Jens Bullerjahn jetzt bekanntgab, habe Sachsen-Anhalt im vergangenen Jahr "weniger neue Schulden gemacht als erwartet". Laut Rechnungsabschluss liege die Neuverschuldung bei knapp 713 Millionen Euro - 51 Millionen mehr als vor zwei Jahren geplant, aber irgendwie scheinbar doch weniger, als irgendwann mal irgendwo in aller Stille beschwatzt.
Jens Bullerjahn ist zufrieden. 2010 sei der «Spagat zwischen der Haushaltskonsolidierung und der Notwendigkeit einer Konjunkturbelebung» gut gemeistert worden. Für 2011 plane er noch einmal neue Schulden von 541 Millionen Euro, lumpige fünf Millionen mehr als letztes Jahr noch angekündigt. 2013 soll es dann den Etat ohne neue Schulden geben. Oder wenigstens eine neue Ankündigung, dass es 2014 soweit ist.
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