Donnerstag, 3. Februar 2011

Der Heiler der westlichen Glaubwürdigkeit

Er heißt Jakob Augstein, ist Jahrgang 1967, seit 2008 Verleger der Wochenzeitung "Der Freitag" und ein Neuling im Ägyptengeschäft. Bis eben gerade hat der Erbe des "Spiegel"-Gründers publizistisch keine Spuren als Analytiker des Elends des Mubarak-Regimes hinterlassen. Doch für Gratis-Mut ist es nie zu spät, weshalb der Online-Kolumnist jetzt erst recht vom Leder zieht. Der Aufstand in Ägypten, analysiert Augstein aus der Ferne, bedeute nicht weniger als "Das Ende der westlichen Glaubwürdigkeit".

Um dorthin zu kommen, zitiert der Herzenslinke den Teufel selbst. George Bush, der, so schrieb Augstein im Februar vor einem Jahr, damals "den Krieg gegen den Irak vom Zaun brach", habe mal gesagt: ""60 Jahre lang hat der Westen Vorwände für die Unfreiheit im Nahen Osten gefunden und sich mit ihr gut eingerichtet. Aber diese Strategie hat uns nicht mehr Sicherheit gebracht. Auf lange Sicht lässt sich Stabilität nicht auf Kosten von Freiheit kaufen." Das findet Augstein voll gut, denn ihm stinkt sie ein bisschen, "die westliche Doppelmoral", die "schöne Worte oder kluge Einsichten" (Augstein) hat, der aber immer "die richtige Politik und der Glaube an die eigenen Werte" fehlt.

Würden die Herrschaften in Washington und Berlin ihn mal fragen, er könnte beides anbieten. Vor einer Woche erst hatte Jakob Augstein messerscharf klargestellt, wie die Strategie in Afghanistan aussehen muss: "Die Bundeswehr muss dort abziehen: Der Krieg ist nicht zu gewinnen und ein Aufbau des Landes nicht möglich".


Raushalten wäre das Richtige, aber eben nur in Afghanistan. In Ägypten dagegen, wo der Westen von Obama bis Westerwelle krampfhaft bemüht ist, sich herauszuhalten, ist es falsch. Diesmal steht der Westen nicht auf der Seite der Verkünder der Freiheit, sondern zählt zu den Verbündeten der Unterdrücker, urteilt Augstein, der für ein sofortiges Eingreifen ist, um "diese Wunde der zerstörten Glaubwürdigkeit heilen" zu können. Eine Amtsenthebung des Diktators, den auch Augstein zuvor nie so nannte, durch eine von Angela Merkel einzuberufende Vollversammlung aller deutschen Chefredakteure, dann ein Bundestagsmandat für die "Gorch Fock" zum Einlaufen in Alexandria mit anschließenden Patrouillenfahrten auf dem Nil, Bundeswehrkommandos auf dem Tahrir-Platz, die sich schützend vor die Steinewerfer auf der demokratischen Seite stellen, schließlich Frieden, Freude und Eierkuchen.

Und am Ende dann eine neue Kolummne des zweifelhaften Linken: "Raus aus Ägypten, die Bundeswehr muss sofort abziehen, der Krieg ist nicht zu gewinnen und ein Aufbau des Landes nicht möglich".

Frontlage, 14 Uhr: Die SPD fordert "härtere Maßnahmen" gegen Mubarak. Das politische Berlin munkelt, der Einsatz von deutschen Fallschirmspringern stehe bevor. Die Weltgemeinde könne nicht zuschauen, wie der Diktator seinen "Hufeisenplan" (Fischer) umsetze.

Frontlage, 17 Uhr: n-tv stellt die Übertragungen vom Schlachtfeld ein. Die Quoten waren nach 36 Stunden voller Bilder von Leuten, die auf der Straße rumrennen, heulen, Steine werfen, wieder rumrennen, rumstehen, heulen und Steine werfen nur noch katastrophal. Die ursprünglich geplante Wiederholung der Sendung "Hitlers krieg in Ägypten - Rommel und die Demokratie" fällt allerdings aus aktuellem Anlass aus, dafür läuft die markerschütternde Mitleidsdoku "Das Manager Survival-Training".

Die Farbenlehre der Revolutionen erkundet Netzwerkrecherche

2 Kommentare:

  1. Der ägyptischen Revolution fehlt noch der Farbanstrich.

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  2. Und wie heilt man "Wunden zerstörter Glaubwürdigkeit"? Richtig, mit Geld, richtig viel Geld für "das Land am Nil", damit Otto Normalägypter weiter randalieren kann, ohne sich um seinen persönlichen Unterhalt zu kümmern, mittlerweile herangezüchtete 85 Millionen Mäuler wollen schließlich gestopft sein.

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