Mittwoch, 5. Januar 2011

Eva Strittmatter: Er und kein anderer!

Im Sommer 2008 war ein Loch, das Platz für eine angemessene Bestattung bot. Peter Rühmkorf war verstorben, ein uraltlinker Poet, dessen dichterisches Werk wie Blei in den Regalen lag. "Paradiesvogelschiß", seine finale Gabe an die Welt, lungert auf Amazon-Platz 72.200, als die Todesnachricht die Runde machte. Binnen Stunden hatten alle großen Medien ein besinnliches Würdigungsstück erstellt, die Tagesschau würdigte den Büchner-Preisträger, der "Paradiesvogelschiß" kletterte über die Nacht 72.179 Plätze nach oben.

Eva Strittmatter hingegen trug nur den Heinrich-Heine-Preis des Ministeriums für Kultur der DDR, den ver.di-Literaturpreis und den Verdienstorden des Landes Brandenburg und keiner der drei qualifiziert Dichter, in der Hauptausgabe der Tagesschau beerdigt zu werden. Als die große alte Dame des ostdeutschen Naturgedichts in einem Altersheim in Berlin ihren letzten Atemzug getan hatte, fand ihr Verlag, der sie schnell noch eine "Ausnahmepoetin" genannt hatte, denn auch vermarktungstechnisch nur Unterstützung bei der Internetseite der erst jüngst neugestalteten Aktuellen Kamera.

Hier war Platz für eine geradezu ausführliche Würdigung in 16 mit Herzblut geschriebenen Agentur-Zeilen, die auch nicht verschwiegen, dass Strittmatter "am 8. Februar 1930 als Eva Braun in Neuruppin geboren" worden und zwischen 1956 und 1994 mit dem "18 Jahre älteren Schriftsteller Erwin Strittmatter" verheiratet gewesen war. Auch der "Spiegel" zeigte Rührung: War Rühmkorf seinerzeit noch als "Er und kein anderer!" und auf fünf weiteren Nachrufseiten gerühmt worden, musste für die Ostdeutsche der quantitative Superlativ "DDR-Auflagenmillionärin" reichen.

Nichts, was Leser neugierig macht. Bei Amazon stiegen "Sämtliche Gedichte" der "meistgelesenen und auflagenstärksten deutschen Lyrikerin der Gegenwart" gerademal von Platz 1700 auf Platz 353.

Update: Inzwischen Platz 312.

Update 2: Jetzt auf platz 263.

2 Kommentare:

  1. Der Mitteldeutsche Rundfunk hingegen lässt sich nicht lumpen. Der Tod von Eva Strittmatter ist auf der Startseite im Netz. Gestern ein zweiminütiger Nachruf bei "Brandenburg aktuell". Heute Nacht gar ein Spezial unter dem Titel "Lebensläufe".

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  2. der heimatsender halt. sicher war die da auch öfter mal zur riverboatcouch. oder wenigstens eingeladen

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