Freitag, 10. Dezember 2010

Abgesetzt: Terrorstück im Staatstheater

Selten, sehr selten nur war eine allgemeine Panik so besonnen ausgelöst worden, hatten alle verfügbaren Kanäle einhellig so zurückhaltend Angst geschürt, sämtliche Kommentatoren kompetent und aufgeregt auf Ausnahmezustand geschaltet. es war eigentlich also alles wie immer - wie damals, als die Schweinegrippe als das größte Massensterben seit der Pest im Mittelalter einläuten sollte, als die Rinderpest mit Seuchenmatten vor Rügen bekämpft wurde, als der Orkan Daisy antrat, Mitteldeutschland von der Landkarte zu blasen, als das Lebkuchenmesserattentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl amtlich von einer neuen Qualität rechtsradikaler Gewalt kündete.

Ende November, hieß es diesmal im zum Hysteriechannel umdekorierten deutschen Staatsfernsehen mit seinen 22 Kanälen, werde der islamistische Terror gegen Deutschland losschlagen. Der Innenminister blies im Mordenmagazin des Ersten zur Herzattacke, der stets besonnene "Spiegel" zitierte frei erfundene Quellen, die mal den Reichstag, mal den Weihnachtsmarkt, mal einen Bahnhof und mal einen Flughafen als Anschlagziel nannten, nie aber den Kölner Dom, das für jeden Amateur-Killer leicht zu erobernde Wochenend-Häuschen der Kanzlerin oder gar das Frankfurter Bankenviertel.

Die panikschaffende Kraft medialer Bemühungen erzeugte einen Strudel aus sich gegenseitig verstärkendem Humbug. Die angebliche vorliegenden "sehr konkreten" Hinweise führten zu erstaunlich unkonkreter Polizeipräsenz - sie standen einfach überall, den Finger am Abzug ihrer gesicherten Flinten, bereit, jeden Selbstmordattentäter erstaunt anzuschauen. Doch es kam gar nicht soweit. Stattdessen prasselte ein Trommelfeuer aus Dummheit nieder: Deutschland, das sich historisch als Nabel der Welt sieht, betrachtete sich nun als Geisel des Terrors. Wie damals, als die schwer verängstigten Landesgesundheitsminister Schweinegrippen-Impfstoff für Milliarden Euro bestellten und auf Flughäfen, Bahnhöfen und in Büros Spender für Desinfizierungsmittel auftauchten, atmete und furzte, schnarchte und schnaufte das Land in der eingebildeten Wichtigkeit, Terrorziel zu sein. Bin Laden, vom Terrorfürsten zum Homerecording-Künstler geschrumpft, bekam noch einmal ein paar Auftritte zugeschanzt, Terrorexperten frohlockten, weil ein paar Fernseh-Talkrunden plötzlich wieder Bedarf anmeldeten.

Vier Wochen später ist nichts von alldem mehr wahr gewesen. Der Terror, der nie war, ist weitergeeilt, die Politik pflegt eine neue Panik, die eilfertigen Experten nehmen engagiert zu neuen Problemen Stellung, die Fernsehrunden drehen sich wonnig in Walzern, die nach frischen Notenblättern gespielt werden. Das Ende vom Lied ist wie stets ein stilles Requiem, gespielt von denen, die eben noch die gellenden Fanfaren bliesen. Ist die Reichstagskuppel wieder offen, noch gesperrt oder schon gesprengt? Sind die vier "sehr konkreten" (de Maiziere) Gewalttäter schon eingereist oder schon eingekreist? Wo bleibt das BKA? Der Verfassungsschutz? Der Weihnachtsmarkt? Der Weihnachtsmann mit dem Bin Laden-Bart? Der Hysteriechannel schweigt, das Mordenmagazin tut überzeugend, als sei da nie etwas gewesen. Der "Spiegel" schließlich, eifrigster Baggerführer der Beunruhigung, berichtet über geheime Konzepte zum Umbau von Bundespolizei und Bundeskriminalamt zu einer neuen "Bundessuperpolizei". Hat sichs doch gelohnt, das ganze Theater.

1 Kommentar:

  1. Irland ist doch gerettet, die nächsten ganz konkreten Terrordrohungen kommen erst, wenn Portugal pleite ist.

    Polizisten mit Maschinenpistolen sind doch geile Aufmacher, wollt ihr wieder euromünzen und Geldstapel?

    Ist irgendwie süß und zeugt von Sorge für die Volkspsyche, dass sie sich immer noch eine "Terrorwarnung" ausdenken, als würden die dreitausendfantastilliarden €, mit denen der Rettungsschirm angetrieben wird, noch irgendjemand interessieren...

    Man müsste nur wissen, wo die Spekulanten angreifen, dann könnte man da auch Polizisten mit MP hinstellen.

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