Die Geschichte war damals viel zu schön, um sie nicht zu erzählen. Selbstverständlich, so hallte es über die Marktplätze in ganz Deutschland, griffen die USA den Irak nur an, um sich dessen Ölvorräte einzuverleiben. Weltmacht ohne Moral, Blut für Öl, bis hin in die intellektuellen Oberschichten waren sich die Deutschen einig: Es ging nur ums Öl, das der frühere Ölmanager Georg W. Bush seinen alten Kumpels aus Texas in den Rachen schieben wollte, weil die ihm mit viel Geld den Weg ins Weiße Haus gekauft hatten. Der allwissende "Spiegel" titelte "Blut für Öl - Worum es im Irak wirklich geht", Schulkinder analysierten die Weltlage und danach konnte es gar nicht anders sein: Europa sollte mitbluten, damit Amerika sich das Öl der Iraker einverleiben konnte. "Bushs Öl-Bonanza", klärte das ehemalige Nachrichtenmagazin anno 2003, "spekuliere auf die größte Beute aller Zeiten: 2800 Milliarden Dollar."
Klein Fritzchens Welt war für Monate das wirkliche Leben, selbst die Erfindung von irakischen Gräueltaten durch die amerikanischen Geheimdienste diente nach Lesart der Fischer, Schröder und Däubler-Gmelin allein dem Ziel, die Regierung in Bagdad zu stürzen und das ölhungrige Amerika mit den Energievorräten des friedliebenden irakischen Volkes wenigstens noch ein paar Jahre am Leben zu erhalten.
Eine Legende, die sich nicht nur gehalten hat, sondern zur Lebenslüge einer selbstgerecht in Besserwisserei verharrenden Friedensbewegung geworden ist. Obwohl der "Spiegel" die Spur der 2800 Milliarden-Beute seltsamerweise bald verloren hatte: Niemals wieder sind die Hamburger Öl-Experten auf die größte "Bonanza" aller Zeiten zu sprechen gekommen.
Aber wie auch. Bis 2008 hatte keine US-Firma irgendeine Bohrlizenz im Irak erhalten, nicht freiwillig und nicht unter Zwang, auch 2009 entschied sich die irakische Regierung lieber für russische, chinesiche und holländische Firmen als Partner beim Versuch, die Förderung wieder auf Vordermann zu bringen. Zettel hat seinen Raum jetzt genutzt, nachzuschauen, ob sich daran 2010 etwas geändert hat - und siehe, hat es nicht. "Die USA haben in der Zeit der Besatzung keinerlei Anstrengung gemacht, die irakische Ölförderung unter ihre Kontrolle zu bringen", schreibt er. Sie werde vielmehr vollständig von den Irakern kontrolliert, die streng entlang der Grenze zwischen Kurden und Schiiten darum streiten, wem eigentlich wie viel vom großen Reichtum des Landes gehört.
Der wird derweil auch immer noch größer, und das nicht nur, weil die Förderung immer noch sinkt. Der Irak habe viel größere Erdölvorkommen als bislang bekannt, meldete auch der "Spiegel" jüngst, was Öl-Minister Hussein al-Schahristani in Bagdad verkündet hatte. In irakischen Ölfeldern lagerten nun wohl mindestens 143,1 Milliarden Barrel Öl, etwa ein Viertel mehr als bisher gedacht. Das Land sei damit hinter Saudi-Arabien, Venezuela und Kanada Vierter in der Rangliste der Ölmilliardäre.
Die Chance, bei der Gelegenheit aufzuklären, worum es im Irak damals wirklich wirklich ging, als der "Spiegel" Fritzchen hatte die Welt erklären lassen, ließ das Blatt wohlweislich aus. Man widerspricht gern anderen, aber nicht sich selbst, auch wenn es nach sieben Jahren wäre. Nur der geniale Originalartikel "Blut für Öl", der ist in einem Akt nachholender Geschichtsberichterstattungsberichtigung inzwischen aus dem Online-Archiv verschwunden worden.
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